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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Teupitz.

Winde hauchen hier so leise
Räthselstimmen tiefer Trauer.

Lenau.

Cossenblatt führte uns mittelbar nach Königs-Wusterhausen und
Königs-Wusterhausen führt uns nunmehr nach dem nahegelegenen
Teupitz. Die alten Herrn des "Schenkenländchens" besaßen beide
Städtchen; -- das eine haben wir kennen gelernt, machen wir
auch dem andren, dem historisch älteren, unsren Besuch.

Teupitz verlohnt allerdings eine Nachtreise (die Posten dahin
meiden das Tageslicht), wiewohl diese Hauptstadt des sogenannten
"Schenkenländchens" lange nicht das ist, als was es mir geschil-
dert worden war.

Die Schilderungen von Teupitz galten seiner Armuth. "Die
Poesie des Verfalls liegt über der Stadt," so hieß es voll
dichterischen Ausdrucks, und die farbenreichen Armuthsbilder, die
mein Freund und Gewährsmann vor mir entrollte, wurden mir
zu einem viel größeren Reiseantrieb, als die gleichzeitig wieder-
kehrenden Versicherungen: "aber Teupitz ist schön." Diesen Re-
frain überhörte ich oder vergaß ihn, während ich doch die Worte
nicht wieder loswerden konnte: "das Plateau um Teupitz herum
heißt "der Brand", und das Wirthshaus darauf führt den Na-
men "der todte Mann".

Ich hörte noch allerhand Anderes. Ein früherer Geistlicher in

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Teupitz.

Winde hauchen hier ſo leiſe
Räthſelſtimmen tiefer Trauer.

Lenau.

Coſſenblatt führte uns mittelbar nach Königs-Wuſterhauſen und
Königs-Wuſterhauſen führt uns nunmehr nach dem nahegelegenen
Teupitz. Die alten Herrn des „Schenkenländchens“ beſaßen beide
Städtchen; — das eine haben wir kennen gelernt, machen wir
auch dem andren, dem hiſtoriſch älteren, unſren Beſuch.

Teupitz verlohnt allerdings eine Nachtreiſe (die Poſten dahin
meiden das Tageslicht), wiewohl dieſe Hauptſtadt des ſogenannten
„Schenkenländchens“ lange nicht das iſt, als was es mir geſchil-
dert worden war.

Die Schilderungen von Teupitz galten ſeiner Armuth. „Die
Poeſie des Verfalls liegt über der Stadt,“ ſo hieß es voll
dichteriſchen Ausdrucks, und die farbenreichen Armuthsbilder, die
mein Freund und Gewährsmann vor mir entrollte, wurden mir
zu einem viel größeren Reiſeantrieb, als die gleichzeitig wieder-
kehrenden Verſicherungen: „aber Teupitz iſt ſchön.“ Dieſen Re-
frain überhörte ich oder vergaß ihn, während ich doch die Worte
nicht wieder loswerden konnte: „das Plateau um Teupitz herum
heißt „der Brand“, und das Wirthshaus darauf führt den Na-
men „der todte Mann“.

Ich hörte noch allerhand Anderes. Ein früherer Geiſtlicher in

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[[131]/0143] Teupitz. Winde hauchen hier ſo leiſe Räthſelſtimmen tiefer Trauer. Lenau. Coſſenblatt führte uns mittelbar nach Königs-Wuſterhauſen und Königs-Wuſterhauſen führt uns nunmehr nach dem nahegelegenen Teupitz. Die alten Herrn des „Schenkenländchens“ beſaßen beide Städtchen; — das eine haben wir kennen gelernt, machen wir auch dem andren, dem hiſtoriſch älteren, unſren Beſuch. Teupitz verlohnt allerdings eine Nachtreiſe (die Poſten dahin meiden das Tageslicht), wiewohl dieſe Hauptſtadt des ſogenannten „Schenkenländchens“ lange nicht das iſt, als was es mir geſchil- dert worden war. Die Schilderungen von Teupitz galten ſeiner Armuth. „Die Poeſie des Verfalls liegt über der Stadt,“ ſo hieß es voll dichteriſchen Ausdrucks, und die farbenreichen Armuthsbilder, die mein Freund und Gewährsmann vor mir entrollte, wurden mir zu einem viel größeren Reiſeantrieb, als die gleichzeitig wieder- kehrenden Verſicherungen: „aber Teupitz iſt ſchön.“ Dieſen Re- frain überhörte ich oder vergaß ihn, während ich doch die Worte nicht wieder loswerden konnte: „das Plateau um Teupitz herum heißt „der Brand“, und das Wirthshaus darauf führt den Na- men „der todte Mann“. Ich hörte noch allerhand Anderes. Ein früherer Geiſtlicher in 9*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. [131]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/143>, abgerufen am 19.04.2024.