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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Ich habe geglaubt bei Aufzählung alles dessen, was Tamsel, wie an
historischen Erinnerungen, so auch an Kunstschätzen (Bilder, Statuen, In-
schriften) aller Art bietet, ausführlicher verweilen zu dürfen, weil diesem
schönen Landsitz, durch länger als ein Jahrhundert hin, die Rolle zufiel,
nicht nur ein historischer Schauplatz, sondern auch eine Pflegestätte
für die Künste
zu sein. Wir haben Punkte in unsrer Provinz, die,
vorübergehend, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, ein inten-
siveres
Leben geführt und glänzender debütirt haben, aber was dem
Ruhme Tamsels an Intensität abgehen mag, das ersetzt er durch Dauer,
durch ein consequentes sich halten auf hohem, wenn auch freilich nicht
höchstem Niveau. Es giebt eine ganze Anzahl von märkischen Schlössern,
aus denen berühmtere, oder doch eben so berühmte Feldherrn als Feld-
marschall von Schoening, aus denen schönere Frauen als Frau von Wreech
und glänzendere Poeten als Graf Ludwig Wreech oder Graf Herrmann
Schwerin hervorgegangen sind, aber es giebt in der Mark wohl keinen
zweiten Landsitz, der, wie Tamsel, durch sechs Generationen hin, in be-
wußter Pflege und Ausübung jeglicher Kunst, sich immer gleich geblie-
ben wäre.

Schloß Rheinsberg (mit dem es überhaupt vieles gemeinsam hat) steht
ihm hierin am nächsten, da die Zeit seiner Blüthe 70 Jahre umfaßt; alle
übrigen Punkte aber, die hierlandes den schönen Künsten das Thor öffne-
ten, sei es um die Kunst selber zu üben, oder ihr ein Hausrecht einzu-
räumen, sahen die Muse nur zeitweilig in ihren Mauern. Sie kam und
ging. Tegel (die Humboldts), Blumberg (Canitz), Wiepersdorf (Achim von
Arnim), Nennhausen (Fouque), Madlitz und Ziebingen (Tieck) -- sie alle
hatten ihre Zeit und die literarische Bedeutung dessen, was in ihnen ge-
boren wurde, ging weit über das hinaus, was Tamsel hervorbrachte. Aber
dilettantisch wie alles sein mochte, was Tamsel entstehen sah, klein wie
das Feuer war, es losch nie aus. Der Besitz wechselte vielfach und ging
durch Erbschaft auf immer neue Namen über, jeder folgende aber empfand
sich stets als Erbe gewisser Traditionen, und die Schoenings, die Wreechs,
die Dönhoffs, die Schwerins, wie verschieden sonst auch, sie waren einig
in Pflege der Kunst. Diese Eigenthümlichkeit Tamsels zur Geltung zu
bringen, bedurfte es einer Aufzählung des reichen Materials, das sich da-
selbst in Schloß und Park und Kirche zusammenfindet.

5. Briefe des Kronprinzen Friedrich an Frau v. Wreech.
1731--32.
(Lettres et Vers de certain grand prince.)
I.

Madame. Je Vous ai trop d'obligations pour ne pas Vous en te-
moigner ma reconnaissance. Vous etes la cause que tout le monde ne
parle que de Tamsel, Vous pouviez bien croire que ce n'est pas tant

Ich habe geglaubt bei Aufzählung alles deſſen, was Tamſel, wie an
hiſtoriſchen Erinnerungen, ſo auch an Kunſtſchätzen (Bilder, Statuen, In-
ſchriften) aller Art bietet, ausführlicher verweilen zu dürfen, weil dieſem
ſchönen Landſitz, durch länger als ein Jahrhundert hin, die Rolle zufiel,
nicht nur ein hiſtoriſcher Schauplatz, ſondern auch eine Pflegeſtätte
für die Künſte
zu ſein. Wir haben Punkte in unſrer Provinz, die,
vorübergehend, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, ein inten-
ſiveres
Leben geführt und glänzender debütirt haben, aber was dem
Ruhme Tamſels an Intenſität abgehen mag, das erſetzt er durch Dauer,
durch ein conſequentes ſich halten auf hohem, wenn auch freilich nicht
höchſtem Niveau. Es giebt eine ganze Anzahl von märkiſchen Schlöſſern,
aus denen berühmtere, oder doch eben ſo berühmte Feldherrn als Feld-
marſchall von Schoening, aus denen ſchönere Frauen als Frau von Wreech
und glänzendere Poeten als Graf Ludwig Wreech oder Graf Herrmann
Schwerin hervorgegangen ſind, aber es giebt in der Mark wohl keinen
zweiten Landſitz, der, wie Tamſel, durch ſechs Generationen hin, in be-
wußter Pflege und Ausübung jeglicher Kunſt, ſich immer gleich geblie-
ben wäre.

Schloß Rheinsberg (mit dem es überhaupt vieles gemeinſam hat) ſteht
ihm hierin am nächſten, da die Zeit ſeiner Blüthe 70 Jahre umfaßt; alle
übrigen Punkte aber, die hierlandes den ſchönen Künſten das Thor öffne-
ten, ſei es um die Kunſt ſelber zu üben, oder ihr ein Hausrecht einzu-
räumen, ſahen die Muſe nur zeitweilig in ihren Mauern. Sie kam und
ging. Tegel (die Humboldts), Blumberg (Canitz), Wiepersdorf (Achim von
Arnim), Nennhauſen (Fouqué), Madlitz und Ziebingen (Tieck) — ſie alle
hatten ihre Zeit und die literariſche Bedeutung deſſen, was in ihnen ge-
boren wurde, ging weit über das hinaus, was Tamſel hervorbrachte. Aber
dilettantiſch wie alles ſein mochte, was Tamſel entſtehen ſah, klein wie
das Feuer war, es loſch nie aus. Der Beſitz wechſelte vielfach und ging
durch Erbſchaft auf immer neue Namen über, jeder folgende aber empfand
ſich ſtets als Erbe gewiſſer Traditionen, und die Schoenings, die Wreechs,
die Dönhoffs, die Schwerins, wie verſchieden ſonſt auch, ſie waren einig
in Pflege der Kunſt. Dieſe Eigenthümlichkeit Tamſels zur Geltung zu
bringen, bedurfte es einer Aufzählung des reichen Materials, das ſich da-
ſelbſt in Schloß und Park und Kirche zuſammenfindet.

5. Briefe des Kronprinzen Friedrich an Frau v. Wreech.
1731—32.
(Lettres et Vers de certain grand prince.)
I.

Madame. Je Vous ai trop d’obligations pour ne pas Vous en té-
moigner ma reconnaissance. Vous êtes la cause que tout le monde ne
parle que de Tamsel, Vous pouviez bien croire que ce n’est pas tant

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[512/0524] Ich habe geglaubt bei Aufzählung alles deſſen, was Tamſel, wie an hiſtoriſchen Erinnerungen, ſo auch an Kunſtſchätzen (Bilder, Statuen, In- ſchriften) aller Art bietet, ausführlicher verweilen zu dürfen, weil dieſem ſchönen Landſitz, durch länger als ein Jahrhundert hin, die Rolle zufiel, nicht nur ein hiſtoriſcher Schauplatz, ſondern auch eine Pflegeſtätte für die Künſte zu ſein. Wir haben Punkte in unſrer Provinz, die, vorübergehend, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, ein inten- ſiveres Leben geführt und glänzender debütirt haben, aber was dem Ruhme Tamſels an Intenſität abgehen mag, das erſetzt er durch Dauer, durch ein conſequentes ſich halten auf hohem, wenn auch freilich nicht höchſtem Niveau. Es giebt eine ganze Anzahl von märkiſchen Schlöſſern, aus denen berühmtere, oder doch eben ſo berühmte Feldherrn als Feld- marſchall von Schoening, aus denen ſchönere Frauen als Frau von Wreech und glänzendere Poeten als Graf Ludwig Wreech oder Graf Herrmann Schwerin hervorgegangen ſind, aber es giebt in der Mark wohl keinen zweiten Landſitz, der, wie Tamſel, durch ſechs Generationen hin, in be- wußter Pflege und Ausübung jeglicher Kunſt, ſich immer gleich geblie- ben wäre. Schloß Rheinsberg (mit dem es überhaupt vieles gemeinſam hat) ſteht ihm hierin am nächſten, da die Zeit ſeiner Blüthe 70 Jahre umfaßt; alle übrigen Punkte aber, die hierlandes den ſchönen Künſten das Thor öffne- ten, ſei es um die Kunſt ſelber zu üben, oder ihr ein Hausrecht einzu- räumen, ſahen die Muſe nur zeitweilig in ihren Mauern. Sie kam und ging. Tegel (die Humboldts), Blumberg (Canitz), Wiepersdorf (Achim von Arnim), Nennhauſen (Fouqué), Madlitz und Ziebingen (Tieck) — ſie alle hatten ihre Zeit und die literariſche Bedeutung deſſen, was in ihnen ge- boren wurde, ging weit über das hinaus, was Tamſel hervorbrachte. Aber dilettantiſch wie alles ſein mochte, was Tamſel entſtehen ſah, klein wie das Feuer war, es loſch nie aus. Der Beſitz wechſelte vielfach und ging durch Erbſchaft auf immer neue Namen über, jeder folgende aber empfand ſich ſtets als Erbe gewiſſer Traditionen, und die Schoenings, die Wreechs, die Dönhoffs, die Schwerins, wie verſchieden ſonſt auch, ſie waren einig in Pflege der Kunſt. Dieſe Eigenthümlichkeit Tamſels zur Geltung zu bringen, bedurfte es einer Aufzählung des reichen Materials, das ſich da- ſelbſt in Schloß und Park und Kirche zuſammenfindet. 5. Briefe des Kronprinzen Friedrich an Frau v. Wreech. 1731—32. (Lettres et Vers de certain grand prince.) I. Madame. Je Vous ai trop d’obligations pour ne pas Vous en té- moigner ma reconnaissance. Vous êtes la cause que tout le monde ne parle que de Tamsel, Vous pouviez bien croire que ce n’est pas tant

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/524>, abgerufen am 29.03.2024.