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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Dieses Anklage-Stück des Freienwalder Amtsschreibers giebt ein ziem-
lich trauriges Bild damaliger Zustände. Die Freienwalder Tage von 1644
müssen weniger heiter und harmlos gewesen sein, als die heutigen. Ersicht-
lich war Ursel Heinrichs ein böses, zänkisches, verbittertes altes Weib und
weiter nichts. Der Rest ist Nachbars- und Barbier-Klatsch. Im Lauf des
Prozesses ergiebt sich, daß der Bader immer aufs Gesicht fiel und beim
Zuschlagen die Schweine nicht treffen konnte, -- weil er betrunken war.
Dennoch kam Ursel auf die Folter.



Der Schloßberg bei Freienwalde und die Uchtenhagens.
Benutzt: von der Hagen's Freienwalde. Riedel's Codex diplomat. Bran-
denb.
-- W. Melcher's Neu-aufgefundener Stammbaum des
Geschlechts derer von Uchtenhagen. (Ein Aufsatz von Dr. W.
Melcher im Ober-Barnimer Kreis-Anzeiger.) Rindfleisch
Sagen von Freienwalde. Mündliche und briefliche Mitthei-
lungen.
Drei Sagen von den Uchtenhagens.
1) Der Fluch.

Der erste Uchtenhagen hatte dem Markgrafen große Dienste geleistet
und so versprach ihm dieser: er (der Uchtenhagen) solle so viel Land zu
Lehn besitzen, als er zu Roß an einem Tage umreiten könne. Uchtenhagen
ritt mit Sonnenaufgang von Freienwalde aus; mit Sonnenuntergang kam
er bei dem Dorfe Neu-Wubiser (jenseit der Oder) an, als der Hirt eben
seine Heerde nach Hause trieb. Diesen erstach er, um später beweisen zu
können, wie weit er auf seinem Ritte gekommen sei. Aber von diesem Au-
genblicke an ruhte auf den Uchtenhagens der Fluch, der sich an dem letzten
ihres Hauses erfüllen sollte. Dieser starb, ein Kind noch, einer Wahrsagung
gemäß, in die der Fluch späterhin sich kleidete, an Gift, und so sühnte
denn die Kindes-Unschuld des letzten des Geschlechts, die Blutschuld, die
der erste begangen.

2) Werners von Uchtenhagen unseliges Ende.

Im Jahre 1575 belehnte Werner von Uchtenhagen, laut einer noch
vorhandenen Urkunde, in Gemeinschaft mit seinem Bruder Hans, den ehr-
samen Rath von Freienwalde, mit der halben Dorfstätte Torgow, jetzt
Torgelow genannt. Noch in demselben Jahre theilte er sich mit seinem
Bruder in die Güter des Vaters, wonach er Neuenhagen, Hans aber
Freienwalde erhielt. Die Schiedsrichter bei dieser Angelegenheit waren
Otto von Krummensee (auf Krummensee), Eustachius von Schönebeck (auf
Döltzig), Jochen von der Schulenburg (auf Löckenitz), Jochen von Buch

Dieſes Anklage-Stück des Freienwalder Amtsſchreibers giebt ein ziem-
lich trauriges Bild damaliger Zuſtände. Die Freienwalder Tage von 1644
müſſen weniger heiter und harmlos geweſen ſein, als die heutigen. Erſicht-
lich war Urſel Heinrichs ein böſes, zänkiſches, verbittertes altes Weib und
weiter nichts. Der Reſt iſt Nachbars- und Barbier-Klatſch. Im Lauf des
Prozeſſes ergiebt ſich, daß der Bader immer aufs Geſicht fiel und beim
Zuſchlagen die Schweine nicht treffen konnte, — weil er betrunken war.
Dennoch kam Urſel auf die Folter.



Der Schloßberg bei Freienwalde und die Uchtenhagens.
Benutzt: von der Hagen’s Freienwalde. Riedel’s Codex diplomat. Bran-
denb.
— W. Melcher’s Neu-aufgefundener Stammbaum des
Geſchlechts derer von Uchtenhagen. (Ein Aufſatz von Dr. W.
Melcher im Ober-Barnimer Kreis-Anzeiger.) Rindfleiſch
Sagen von Freienwalde. Mündliche und briefliche Mitthei-
lungen.
Drei Sagen von den Uchtenhagens.
1) Der Fluch.

Der erſte Uchtenhagen hatte dem Markgrafen große Dienſte geleiſtet
und ſo verſprach ihm dieſer: er (der Uchtenhagen) ſolle ſo viel Land zu
Lehn beſitzen, als er zu Roß an einem Tage umreiten könne. Uchtenhagen
ritt mit Sonnenaufgang von Freienwalde aus; mit Sonnenuntergang kam
er bei dem Dorfe Neu-Wubiſer (jenſeit der Oder) an, als der Hirt eben
ſeine Heerde nach Hauſe trieb. Dieſen erſtach er, um ſpäter beweiſen zu
können, wie weit er auf ſeinem Ritte gekommen ſei. Aber von dieſem Au-
genblicke an ruhte auf den Uchtenhagens der Fluch, der ſich an dem letzten
ihres Hauſes erfüllen ſollte. Dieſer ſtarb, ein Kind noch, einer Wahrſagung
gemäß, in die der Fluch ſpäterhin ſich kleidete, an Gift, und ſo ſühnte
denn die Kindes-Unſchuld des letzten des Geſchlechts, die Blutſchuld, die
der erſte begangen.

2) Werners von Uchtenhagen unſeliges Ende.

Im Jahre 1575 belehnte Werner von Uchtenhagen, laut einer noch
vorhandenen Urkunde, in Gemeinſchaft mit ſeinem Bruder Hans, den ehr-
ſamen Rath von Freienwalde, mit der halben Dorfſtätte Torgow, jetzt
Torgelow genannt. Noch in demſelben Jahre theilte er ſich mit ſeinem
Bruder in die Güter des Vaters, wonach er Neuenhagen, Hans aber
Freienwalde erhielt. Die Schiedsrichter bei dieſer Angelegenheit waren
Otto von Krummenſee (auf Krummenſee), Euſtachius von Schönebeck (auf
Döltzig), Jochen von der Schulenburg (auf Löckenitz), Jochen von Buch

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[537/0549] Dieſes Anklage-Stück des Freienwalder Amtsſchreibers giebt ein ziem- lich trauriges Bild damaliger Zuſtände. Die Freienwalder Tage von 1644 müſſen weniger heiter und harmlos geweſen ſein, als die heutigen. Erſicht- lich war Urſel Heinrichs ein böſes, zänkiſches, verbittertes altes Weib und weiter nichts. Der Reſt iſt Nachbars- und Barbier-Klatſch. Im Lauf des Prozeſſes ergiebt ſich, daß der Bader immer aufs Geſicht fiel und beim Zuſchlagen die Schweine nicht treffen konnte, — weil er betrunken war. Dennoch kam Urſel auf die Folter. Der Schloßberg bei Freienwalde und die Uchtenhagens. Benutzt: von der Hagen’s Freienwalde. Riedel’s Codex diplomat. Bran- denb. — W. Melcher’s Neu-aufgefundener Stammbaum des Geſchlechts derer von Uchtenhagen. (Ein Aufſatz von Dr. W. Melcher im Ober-Barnimer Kreis-Anzeiger.) Rindfleiſch Sagen von Freienwalde. Mündliche und briefliche Mitthei- lungen. Drei Sagen von den Uchtenhagens. 1) Der Fluch. Der erſte Uchtenhagen hatte dem Markgrafen große Dienſte geleiſtet und ſo verſprach ihm dieſer: er (der Uchtenhagen) ſolle ſo viel Land zu Lehn beſitzen, als er zu Roß an einem Tage umreiten könne. Uchtenhagen ritt mit Sonnenaufgang von Freienwalde aus; mit Sonnenuntergang kam er bei dem Dorfe Neu-Wubiſer (jenſeit der Oder) an, als der Hirt eben ſeine Heerde nach Hauſe trieb. Dieſen erſtach er, um ſpäter beweiſen zu können, wie weit er auf ſeinem Ritte gekommen ſei. Aber von dieſem Au- genblicke an ruhte auf den Uchtenhagens der Fluch, der ſich an dem letzten ihres Hauſes erfüllen ſollte. Dieſer ſtarb, ein Kind noch, einer Wahrſagung gemäß, in die der Fluch ſpäterhin ſich kleidete, an Gift, und ſo ſühnte denn die Kindes-Unſchuld des letzten des Geſchlechts, die Blutſchuld, die der erſte begangen. 2) Werners von Uchtenhagen unſeliges Ende. Im Jahre 1575 belehnte Werner von Uchtenhagen, laut einer noch vorhandenen Urkunde, in Gemeinſchaft mit ſeinem Bruder Hans, den ehr- ſamen Rath von Freienwalde, mit der halben Dorfſtätte Torgow, jetzt Torgelow genannt. Noch in demſelben Jahre theilte er ſich mit ſeinem Bruder in die Güter des Vaters, wonach er Neuenhagen, Hans aber Freienwalde erhielt. Die Schiedsrichter bei dieſer Angelegenheit waren Otto von Krummenſee (auf Krummenſee), Euſtachius von Schönebeck (auf Döltzig), Jochen von der Schulenburg (auf Löckenitz), Jochen von Buch

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/549>, abgerufen am 29.03.2024.