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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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durch die er der Sitte und den Finanzen des Landes einen gleich
großen Dienst zu leisten trachtete, war nicht angethan, die schon
schwankende Wage zu seinen Gunsten sinken zu machen. Die neue
Sonne stieg immer höher; Kolbe-Wartenberg begann wie ein
Major Domus zu herrschen und der Hochmuth des gestürzten
Danckelmann erschien nun wie Leutseligkeit, neben dem Ton des
neuen Günstlings. Niemand wurde geschont, kaum die Königin, am
wenigsten die alten Parteien des Hofes.

Aber Barfus, der den Hof überhaupt wie ein Schlachtfeld
nahm, war ein viel zu guter Soldat, um so ohne weiteres an
Flucht oder Rückzug zu denken. Er hatte den türkischen Großvezier
besiegt, warum nicht auch den Major Domus von Brandenburg?
Den Danckelmann hatte er mit stürzen helfen, warum nicht auch
den Wartenberg? Die Königin, die Dohna-Dönhofs, wenn sie
auch anders darüber dachten, verfolgten doch dasselbe Ziel, und so
entstand die "große Liga von 1702", die keinen andern Zweck
verfolgte, als den tyrannischen Günstling zu beseitigen und das
Barfussche Interregnum von 1697--99, die Zeit der vereinig-
ten
Ministerien und der Perückensteuer, wieder herzustellen.

Aber Kolbe-Wartenberg war glücklicher, als Danckelmann ge-
wesen war. Vielleicht weil es die Liga in der Person versah, die
sie mit Ausführung der Hauptrolle betraute. Diese Person war
der Hofmarschall von Wense. Graf Otto Dönhof, als er von der
Wahl dieses letztgenannten Herrn hörte, zuckte die Achseln, setzte
aber gutgelaunt hinzu: "Wohlan denn, wir müssen dem Glück
einen Ochsen opfern!" Er hatte Recht gehabt. Nur blieb es nicht
bei dem einen Opfer; alle traf die Ungnade des Kurfürsten (da-
mals schon König), und während der Hofmarschall den Hof mit
der Festung Küstrin vertauschen mußte, wurde der Rest vom Hofe
verbannt, die Dohnas, die Dönhofs, und auch Barfus.

Dies war seine letzte Action, -- kein Ruhmestag von Sza-
lankament. Der Hof war nicht sein Feld. Trösten mochte es ihn,
daß auch Gewandtere unterlegen hatten. Unser Feldmarschall ging
nach "Cossenblatt", wo inzwischen der Frontbau eines Schlosses

durch die er der Sitte und den Finanzen des Landes einen gleich
großen Dienſt zu leiſten trachtete, war nicht angethan, die ſchon
ſchwankende Wage zu ſeinen Gunſten ſinken zu machen. Die neue
Sonne ſtieg immer höher; Kolbe-Wartenberg begann wie ein
Major Domus zu herrſchen und der Hochmuth des geſtürzten
Danckelmann erſchien nun wie Leutſeligkeit, neben dem Ton des
neuen Günſtlings. Niemand wurde geſchont, kaum die Königin, am
wenigſten die alten Parteien des Hofes.

Aber Barfus, der den Hof überhaupt wie ein Schlachtfeld
nahm, war ein viel zu guter Soldat, um ſo ohne weiteres an
Flucht oder Rückzug zu denken. Er hatte den türkiſchen Großvezier
beſiegt, warum nicht auch den Major Domus von Brandenburg?
Den Danckelmann hatte er mit ſtürzen helfen, warum nicht auch
den Wartenberg? Die Königin, die Dohna-Dönhofs, wenn ſie
auch anders darüber dachten, verfolgten doch daſſelbe Ziel, und ſo
entſtand die „große Liga von 1702“, die keinen andern Zweck
verfolgte, als den tyranniſchen Günſtling zu beſeitigen und das
Barfusſche Interregnum von 1697—99, die Zeit der vereinig-
ten
Miniſterien und der Perückenſteuer, wieder herzuſtellen.

Aber Kolbe-Wartenberg war glücklicher, als Danckelmann ge-
weſen war. Vielleicht weil es die Liga in der Perſon verſah, die
ſie mit Ausführung der Hauptrolle betraute. Dieſe Perſon war
der Hofmarſchall von Wenſe. Graf Otto Dönhof, als er von der
Wahl dieſes letztgenannten Herrn hörte, zuckte die Achſeln, ſetzte
aber gutgelaunt hinzu: „Wohlan denn, wir müſſen dem Glück
einen Ochſen opfern!“ Er hatte Recht gehabt. Nur blieb es nicht
bei dem einen Opfer; alle traf die Ungnade des Kurfürſten (da-
mals ſchon König), und während der Hofmarſchall den Hof mit
der Feſtung Küſtrin vertauſchen mußte, wurde der Reſt vom Hofe
verbannt, die Dohnas, die Dönhofs, und auch Barfus.

Dies war ſeine letzte Action, — kein Ruhmestag von Sza-
lankament. Der Hof war nicht ſein Feld. Tröſten mochte es ihn,
daß auch Gewandtere unterlegen hatten. Unſer Feldmarſchall ging
nach „Coſſenblatt“, wo inzwiſchen der Frontbau eines Schloſſes

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[92/0104] durch die er der Sitte und den Finanzen des Landes einen gleich großen Dienſt zu leiſten trachtete, war nicht angethan, die ſchon ſchwankende Wage zu ſeinen Gunſten ſinken zu machen. Die neue Sonne ſtieg immer höher; Kolbe-Wartenberg begann wie ein Major Domus zu herrſchen und der Hochmuth des geſtürzten Danckelmann erſchien nun wie Leutſeligkeit, neben dem Ton des neuen Günſtlings. Niemand wurde geſchont, kaum die Königin, am wenigſten die alten Parteien des Hofes. Aber Barfus, der den Hof überhaupt wie ein Schlachtfeld nahm, war ein viel zu guter Soldat, um ſo ohne weiteres an Flucht oder Rückzug zu denken. Er hatte den türkiſchen Großvezier beſiegt, warum nicht auch den Major Domus von Brandenburg? Den Danckelmann hatte er mit ſtürzen helfen, warum nicht auch den Wartenberg? Die Königin, die Dohna-Dönhofs, wenn ſie auch anders darüber dachten, verfolgten doch daſſelbe Ziel, und ſo entſtand die „große Liga von 1702“, die keinen andern Zweck verfolgte, als den tyranniſchen Günſtling zu beſeitigen und das Barfusſche Interregnum von 1697—99, die Zeit der vereinig- ten Miniſterien und der Perückenſteuer, wieder herzuſtellen. Aber Kolbe-Wartenberg war glücklicher, als Danckelmann ge- weſen war. Vielleicht weil es die Liga in der Perſon verſah, die ſie mit Ausführung der Hauptrolle betraute. Dieſe Perſon war der Hofmarſchall von Wenſe. Graf Otto Dönhof, als er von der Wahl dieſes letztgenannten Herrn hörte, zuckte die Achſeln, ſetzte aber gutgelaunt hinzu: „Wohlan denn, wir müſſen dem Glück einen Ochſen opfern!“ Er hatte Recht gehabt. Nur blieb es nicht bei dem einen Opfer; alle traf die Ungnade des Kurfürſten (da- mals ſchon König), und während der Hofmarſchall den Hof mit der Feſtung Küſtrin vertauſchen mußte, wurde der Reſt vom Hofe verbannt, die Dohnas, die Dönhofs, und auch Barfus. Dies war ſeine letzte Action, — kein Ruhmestag von Sza- lankament. Der Hof war nicht ſein Feld. Tröſten mochte es ihn, daß auch Gewandtere unterlegen hatten. Unſer Feldmarſchall ging nach „Coſſenblatt“, wo inzwiſchen der Frontbau eines Schloſſes

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/104>, abgerufen am 28.03.2024.