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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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es ein anderes? Die Anschauungen, die bis jetzt darüber gegolten
haben, waren dem guten Rufe der schönen Frau nicht allzu gün-
stig; verschiedene eigenhändige Briefe jedoch, die der Kronprinz
eben damals an Frau v. Wreech richtete und deren Inhalt, ja
deren Existenz erst in neuester Zeit bekannt geworden ist, werden
vielleicht im Stande sein, die gäng und geben Ansichten über die-
sen Punkt wesentlich zu modificiren. Diese an Frau v. Wreech
gerichteten Briefe, die sich jetzt im Besitz einer Urenkelin derselben
befinden, wurden von der letzteren Dame, in ihrem von der Groß-
mutter auf sie vererbten Berliner Hause, zufällig aufgefunden, als
ihr, beim Ordnen von Papieren, ein ziemlich vergilbtes Packet mit
der kurzen Bezeichnung: "Papiers concernant la famille de
Wreich"
in die Hände fiel. Ein zweiter Umschlag führte die Auf-
schrift: "Lettres et vers de certain grand Prince," woran
sich, wie zu bestimmterer Bezeichnung des Inhalts, die Worte
reihten: "Lettres de Frederic II. (comme Prince royal) a
Mad. de Schoening et a sa fille Mad. de Wreich."

Diese Briefe sind auf gewöhnlichem grobem Schreibpapier
und oft bis an den untersten Rand hin voll geschrieben; die Li-
nien sind krumm, die Orthographie höchst mangelhaft und die
meisten leider nicht datirt; nur einer trägt das völlige Datum und
zwar den 5. September 1731. Doch ergiebt sich aus dem Inhalt
der Briefe mit Bestimmtheit, daß sie zwischen Ende August 1731
und Ende Februar 1732 geschrieben sein müssen.

Die Bedeutung dieser Briefe ist eine doppelte. Sie werfen,
wie schon angedeutet, nach meiner Meinung ein ganz bestimm-
tes
und ein sehr vortheilhaftes Licht auf die Art des Verhält-
nisses, das zwischen dem Kronprinzen und Frau v. Wreech be-
stand; sollten aber die traditionell gewordenen Anschauungen über
dies Verhältniß durch den Inhalt dieser Briefe nicht erschüttert
werden, so werden die letzteren doch unter allen Umständen das
Gute haben, an die Stelle bloßer Ueberschriften, einen verhältniß-
mäßigen Reichthum von Details und an die Stelle des blassen

es ein anderes? Die Anſchauungen, die bis jetzt darüber gegolten
haben, waren dem guten Rufe der ſchönen Frau nicht allzu gün-
ſtig; verſchiedene eigenhändige Briefe jedoch, die der Kronprinz
eben damals an Frau v. Wreech richtete und deren Inhalt, ja
deren Exiſtenz erſt in neueſter Zeit bekannt geworden iſt, werden
vielleicht im Stande ſein, die gäng und geben Anſichten über die-
ſen Punkt weſentlich zu modificiren. Dieſe an Frau v. Wreech
gerichteten Briefe, die ſich jetzt im Beſitz einer Urenkelin derſelben
befinden, wurden von der letzteren Dame, in ihrem von der Groß-
mutter auf ſie vererbten Berliner Hauſe, zufällig aufgefunden, als
ihr, beim Ordnen von Papieren, ein ziemlich vergilbtes Packet mit
der kurzen Bezeichnung: „Papiers concernant la famille de
Wreich“
in die Hände fiel. Ein zweiter Umſchlag führte die Auf-
ſchrift: „Lettres et vers de certain grand Prince,“ woran
ſich, wie zu beſtimmterer Bezeichnung des Inhalts, die Worte
reihten: „Lettres de Fréderic II. (comme Prince royal) à
Mad. de Schoening et à sa fille Mad. de Wreich.“

Dieſe Briefe ſind auf gewöhnlichem grobem Schreibpapier
und oft bis an den unterſten Rand hin voll geſchrieben; die Li-
nien ſind krumm, die Orthographie höchſt mangelhaft und die
meiſten leider nicht datirt; nur einer trägt das völlige Datum und
zwar den 5. September 1731. Doch ergiebt ſich aus dem Inhalt
der Briefe mit Beſtimmtheit, daß ſie zwiſchen Ende Auguſt 1731
und Ende Februar 1732 geſchrieben ſein müſſen.

Die Bedeutung dieſer Briefe iſt eine doppelte. Sie werfen,
wie ſchon angedeutet, nach meiner Meinung ein ganz beſtimm-
tes
und ein ſehr vortheilhaftes Licht auf die Art des Verhält-
niſſes, das zwiſchen dem Kronprinzen und Frau v. Wreech be-
ſtand; ſollten aber die traditionell gewordenen Anſchauungen über
dies Verhältniß durch den Inhalt dieſer Briefe nicht erſchüttert
werden, ſo werden die letzteren doch unter allen Umſtänden das
Gute haben, an die Stelle bloßer Ueberſchriften, einen verhältniß-
mäßigen Reichthum von Details und an die Stelle des blaſſen

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[44/0056] es ein anderes? Die Anſchauungen, die bis jetzt darüber gegolten haben, waren dem guten Rufe der ſchönen Frau nicht allzu gün- ſtig; verſchiedene eigenhändige Briefe jedoch, die der Kronprinz eben damals an Frau v. Wreech richtete und deren Inhalt, ja deren Exiſtenz erſt in neueſter Zeit bekannt geworden iſt, werden vielleicht im Stande ſein, die gäng und geben Anſichten über die- ſen Punkt weſentlich zu modificiren. Dieſe an Frau v. Wreech gerichteten Briefe, die ſich jetzt im Beſitz einer Urenkelin derſelben befinden, wurden von der letzteren Dame, in ihrem von der Groß- mutter auf ſie vererbten Berliner Hauſe, zufällig aufgefunden, als ihr, beim Ordnen von Papieren, ein ziemlich vergilbtes Packet mit der kurzen Bezeichnung: „Papiers concernant la famille de Wreich“ in die Hände fiel. Ein zweiter Umſchlag führte die Auf- ſchrift: „Lettres et vers de certain grand Prince,“ woran ſich, wie zu beſtimmterer Bezeichnung des Inhalts, die Worte reihten: „Lettres de Fréderic II. (comme Prince royal) à Mad. de Schoening et à sa fille Mad. de Wreich.“ Dieſe Briefe ſind auf gewöhnlichem grobem Schreibpapier und oft bis an den unterſten Rand hin voll geſchrieben; die Li- nien ſind krumm, die Orthographie höchſt mangelhaft und die meiſten leider nicht datirt; nur einer trägt das völlige Datum und zwar den 5. September 1731. Doch ergiebt ſich aus dem Inhalt der Briefe mit Beſtimmtheit, daß ſie zwiſchen Ende Auguſt 1731 und Ende Februar 1732 geſchrieben ſein müſſen. Die Bedeutung dieſer Briefe iſt eine doppelte. Sie werfen, wie ſchon angedeutet, nach meiner Meinung ein ganz beſtimm- tes und ein ſehr vortheilhaftes Licht auf die Art des Verhält- niſſes, das zwiſchen dem Kronprinzen und Frau v. Wreech be- ſtand; ſollten aber die traditionell gewordenen Anſchauungen über dies Verhältniß durch den Inhalt dieſer Briefe nicht erſchüttert werden, ſo werden die letzteren doch unter allen Umſtänden das Gute haben, an die Stelle bloßer Ueberſchriften, einen verhältniß- mäßigen Reichthum von Details und an die Stelle des blaſſen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/56>, abgerufen am 28.03.2024.