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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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trat. -- Das Haus hat längst einem anderen Platz gemacht,
aber ein Unsegen haftet seit jenem Unglückstage an der Stelle.
Die Besitzer wechseln, und mit ihnen wechselt die Gestalt des
Mißgeschicks, aber das Mißgeschick selber bleibt. Das Feuer
verzehrt die vollsten Scheunen, böse Leidenschaften nehmen den
Frieden oder der Tod nimmt das liebste Kind. So wechseln
die Geschicke des Hauses. Jetzt ist Siechthum heimisch darin,
die Menschen trocknen aus, und blut- und farblos, jeder Freude
bar, gehen sie matt und müde ihrer Arbeit nach.

Und wie die Tradition im Dorfe selber das Haus bezeich-
net, so bezeichnet sie auch in dem schönen Eichenwalde zwischen
Nahmitz und Lehnin die Stelle, wo der Baum stand, unter
dem die Unthat geschah. Der Stumpf war Jahrhunderte lang
zu sehen; daneben lag der abgehauene Stamm, über den keine
Verwesung kam und den Niemand berühren mochte, weder der
Förster, noch die ärmsten Dorfleute, die Reisig im Walde such-
ten. Der Baum lag da wie ein herrenloses Eigenthum, sicher
durch die Scheu, die er einflößte. Erst im vorigen Jahrhun-
dert kam ein Müller, der lud den Stamm auf und sagte zu
den Umstehenden: "Wind und Teufel mahlen gut." Aus
dem Stamm aber machte er eine neue Mühlenwelle und
setzte die vier Flügel daran. Es schien auch alles nach
Wunsch gehen zu sollen und die Mühle drehte sich lustig
im Winde, aber der Wind wurde immer stärker und in der
Nacht, als der Müller fest schlief, schlugen plötzlich die hellen
Flammen auf. Die Mühlwelle, in immer rascherem Drehen,
hatte Feuer an sich selber gelegt und alles brannte nieder.
"Wind und Teufel mahlen gut," raunten sich anderen Tags die
Leute zu.


Abt Herrmann von 1330--1340.

Abt Siebold wurde etwa um 1190 oder etwas später
von den umwohnenden Wenden ermordet. Die Urkunden

trat. — Das Haus hat längſt einem anderen Platz gemacht,
aber ein Unſegen haftet ſeit jenem Unglückstage an der Stelle.
Die Beſitzer wechſeln, und mit ihnen wechſelt die Geſtalt des
Mißgeſchicks, aber das Mißgeſchick ſelber bleibt. Das Feuer
verzehrt die vollſten Scheunen, böſe Leidenſchaften nehmen den
Frieden oder der Tod nimmt das liebſte Kind. So wechſeln
die Geſchicke des Hauſes. Jetzt iſt Siechthum heimiſch darin,
die Menſchen trocknen aus, und blut- und farblos, jeder Freude
bar, gehen ſie matt und müde ihrer Arbeit nach.

Und wie die Tradition im Dorfe ſelber das Haus bezeich-
net, ſo bezeichnet ſie auch in dem ſchönen Eichenwalde zwiſchen
Nahmitz und Lehnin die Stelle, wo der Baum ſtand, unter
dem die Unthat geſchah. Der Stumpf war Jahrhunderte lang
zu ſehen; daneben lag der abgehauene Stamm, über den keine
Verweſung kam und den Niemand berühren mochte, weder der
Förſter, noch die ärmſten Dorfleute, die Reiſig im Walde ſuch-
ten. Der Baum lag da wie ein herrenloſes Eigenthum, ſicher
durch die Scheu, die er einflößte. Erſt im vorigen Jahrhun-
dert kam ein Müller, der lud den Stamm auf und ſagte zu
den Umſtehenden: „Wind und Teufel mahlen gut.“ Aus
dem Stamm aber machte er eine neue Mühlenwelle und
ſetzte die vier Flügel daran. Es ſchien auch alles nach
Wunſch gehen zu ſollen und die Mühle drehte ſich luſtig
im Winde, aber der Wind wurde immer ſtärker und in der
Nacht, als der Müller feſt ſchlief, ſchlugen plötzlich die hellen
Flammen auf. Die Mühlwelle, in immer raſcherem Drehen,
hatte Feuer an ſich ſelber gelegt und alles brannte nieder.
„Wind und Teufel mahlen gut,“ raunten ſich anderen Tags die
Leute zu.


Abt Herrmann von 1330—1340.

Abt Siebold wurde etwa um 1190 oder etwas ſpäter
von den umwohnenden Wenden ermordet. Die Urkunden

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[85/0103] trat. — Das Haus hat längſt einem anderen Platz gemacht, aber ein Unſegen haftet ſeit jenem Unglückstage an der Stelle. Die Beſitzer wechſeln, und mit ihnen wechſelt die Geſtalt des Mißgeſchicks, aber das Mißgeſchick ſelber bleibt. Das Feuer verzehrt die vollſten Scheunen, böſe Leidenſchaften nehmen den Frieden oder der Tod nimmt das liebſte Kind. So wechſeln die Geſchicke des Hauſes. Jetzt iſt Siechthum heimiſch darin, die Menſchen trocknen aus, und blut- und farblos, jeder Freude bar, gehen ſie matt und müde ihrer Arbeit nach. Und wie die Tradition im Dorfe ſelber das Haus bezeich- net, ſo bezeichnet ſie auch in dem ſchönen Eichenwalde zwiſchen Nahmitz und Lehnin die Stelle, wo der Baum ſtand, unter dem die Unthat geſchah. Der Stumpf war Jahrhunderte lang zu ſehen; daneben lag der abgehauene Stamm, über den keine Verweſung kam und den Niemand berühren mochte, weder der Förſter, noch die ärmſten Dorfleute, die Reiſig im Walde ſuch- ten. Der Baum lag da wie ein herrenloſes Eigenthum, ſicher durch die Scheu, die er einflößte. Erſt im vorigen Jahrhun- dert kam ein Müller, der lud den Stamm auf und ſagte zu den Umſtehenden: „Wind und Teufel mahlen gut.“ Aus dem Stamm aber machte er eine neue Mühlenwelle und ſetzte die vier Flügel daran. Es ſchien auch alles nach Wunſch gehen zu ſollen und die Mühle drehte ſich luſtig im Winde, aber der Wind wurde immer ſtärker und in der Nacht, als der Müller feſt ſchlief, ſchlugen plötzlich die hellen Flammen auf. Die Mühlwelle, in immer raſcherem Drehen, hatte Feuer an ſich ſelber gelegt und alles brannte nieder. „Wind und Teufel mahlen gut,“ raunten ſich anderen Tags die Leute zu. Abt Herrmann von 1330—1340. Abt Siebold wurde etwa um 1190 oder etwas ſpäter von den umwohnenden Wenden ermordet. Die Urkunden

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/103>, abgerufen am 23.04.2024.