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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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waren, eine Brücke zu bauen und für die Schuld bei der Gnade
zu plaidiren. Solche entschuldigenden Umstände waren denn wohl
auch wirklich da und lagen, wie wir mehr oder weniger aus
der Anklage selbst entnehmen können, in dem Parteihaß, der
eben damals (mehr denn je vorher oder nachher) die Mark in
zwei Theile theilte. Es war die baierische Zeit; dies sagt
alles. Es waren die Tage, wo die Berliner den Propst von
Bernau erschlugen und die Frankfurter (mit gutem Grund) den
Bischof von Lebus verjagten; es waren die Tage des Bannes
und des Interdikts, Tage, die dreißig Jahre währten, und
in denen sich das Volk der Kirche so entfremdete, daß es ver-
wundert aufhorchte, als zum ersten Male wieder die Glocken
durch's Land klangen. Der alte Kampfesruf "hie Welf, hie
Waibling!" schallte wieder aller Orten, und "bairisch oder
päpstlich" klang es vor allem auch in der Mark Brandenburg.
Lehnin, gehegt und gepflegt vom Kaiser und seiner Partei, war
bairisch, der märkische Adel (vielfach zurückgesetzt) war anti-
bairisch
. Aus diesem Zustande ergaben sich Conflikte zwischen
dem Kloster und dem benachbarten Adel fast wie von selbst, und
die Ermordung Falco's, die nach den Aussagen Dietrichs
von Ruppin einfach wie ein brutaler Bruch der Gastfreundschaft
erscheint, war möglicherweise nur blutige Abwehr, nur ein
Rache-nehmen an einem Eindringling, der sich stark genug
geglaubt hatte, den Klosterfrieden brechen zu dürfen. Ritter
Falco und die Seinen, wenn sie wirklich Gäste des Klosters
waren, waren vielleicht sehr ungebetene Gäste, Gäste,
die sich nach eigenem Dafürhalten im Kloster einquartiert hatten,
vielleicht im Complott mit der Minorität, die höchst wahr-
scheinlich (im Gegensatz zur Loburgschen Partei) zum Papste
hielt. *)

*) Daß die Majorität des Klosters und dadurch das Kloster selbst
entschieden bairisch war, ergiebt sich unter anderm daraus, daß Papst
Clemens in seiner Bannbulle vom 14. Mai 1350 eigens Veranlassung
nahm, dem Kloster seine Hinneigung zur Sache des bairi-
schen Hauses vorzuwerfen
. Auch das Erscheinen des Klage führen-

waren, eine Brücke zu bauen und für die Schuld bei der Gnade
zu plaidiren. Solche entſchuldigenden Umſtände waren denn wohl
auch wirklich da und lagen, wie wir mehr oder weniger aus
der Anklage ſelbſt entnehmen können, in dem Parteihaß, der
eben damals (mehr denn je vorher oder nachher) die Mark in
zwei Theile theilte. Es war die baieriſche Zeit; dies ſagt
alles. Es waren die Tage, wo die Berliner den Propſt von
Bernau erſchlugen und die Frankfurter (mit gutem Grund) den
Biſchof von Lebus verjagten; es waren die Tage des Bannes
und des Interdikts, Tage, die dreißig Jahre währten, und
in denen ſich das Volk der Kirche ſo entfremdete, daß es ver-
wundert aufhorchte, als zum erſten Male wieder die Glocken
durch’s Land klangen. Der alte Kampfesruf „hie Welf, hie
Waibling!“ ſchallte wieder aller Orten, und „bairiſch oder
päpſtlich“ klang es vor allem auch in der Mark Brandenburg.
Lehnin, gehegt und gepflegt vom Kaiſer und ſeiner Partei, war
bairiſch, der märkiſche Adel (vielfach zurückgeſetzt) war anti-
bairiſch
. Aus dieſem Zuſtande ergaben ſich Conflikte zwiſchen
dem Kloſter und dem benachbarten Adel faſt wie von ſelbſt, und
die Ermordung Falco’s, die nach den Ausſagen Dietrichs
von Ruppin einfach wie ein brutaler Bruch der Gaſtfreundſchaft
erſcheint, war möglicherweiſe nur blutige Abwehr, nur ein
Rache-nehmen an einem Eindringling, der ſich ſtark genug
geglaubt hatte, den Kloſterfrieden brechen zu dürfen. Ritter
Falco und die Seinen, wenn ſie wirklich Gäſte des Kloſters
waren, waren vielleicht ſehr ungebetene Gäſte, Gäſte,
die ſich nach eigenem Dafürhalten im Kloſter einquartiert hatten,
vielleicht im Complott mit der Minorität, die höchſt wahr-
ſcheinlich (im Gegenſatz zur Loburgſchen Partei) zum Papſte
hielt. *)

*) Daß die Majorität des Kloſters und dadurch das Kloſter ſelbſt
entſchieden bairiſch war, ergiebt ſich unter anderm daraus, daß Papſt
Clemens in ſeiner Bannbulle vom 14. Mai 1350 eigens Veranlaſſung
nahm, dem Kloſter ſeine Hinneigung zur Sache des bairi-
ſchen Hauſes vorzuwerfen
. Auch das Erſcheinen des Klage führen-
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[90/0108] waren, eine Brücke zu bauen und für die Schuld bei der Gnade zu plaidiren. Solche entſchuldigenden Umſtände waren denn wohl auch wirklich da und lagen, wie wir mehr oder weniger aus der Anklage ſelbſt entnehmen können, in dem Parteihaß, der eben damals (mehr denn je vorher oder nachher) die Mark in zwei Theile theilte. Es war die baieriſche Zeit; dies ſagt alles. Es waren die Tage, wo die Berliner den Propſt von Bernau erſchlugen und die Frankfurter (mit gutem Grund) den Biſchof von Lebus verjagten; es waren die Tage des Bannes und des Interdikts, Tage, die dreißig Jahre währten, und in denen ſich das Volk der Kirche ſo entfremdete, daß es ver- wundert aufhorchte, als zum erſten Male wieder die Glocken durch’s Land klangen. Der alte Kampfesruf „hie Welf, hie Waibling!“ ſchallte wieder aller Orten, und „bairiſch oder päpſtlich“ klang es vor allem auch in der Mark Brandenburg. Lehnin, gehegt und gepflegt vom Kaiſer und ſeiner Partei, war bairiſch, der märkiſche Adel (vielfach zurückgeſetzt) war anti- bairiſch. Aus dieſem Zuſtande ergaben ſich Conflikte zwiſchen dem Kloſter und dem benachbarten Adel faſt wie von ſelbſt, und die Ermordung Falco’s, die nach den Ausſagen Dietrichs von Ruppin einfach wie ein brutaler Bruch der Gaſtfreundſchaft erſcheint, war möglicherweiſe nur blutige Abwehr, nur ein Rache-nehmen an einem Eindringling, der ſich ſtark genug geglaubt hatte, den Kloſterfrieden brechen zu dürfen. Ritter Falco und die Seinen, wenn ſie wirklich Gäſte des Kloſters waren, waren vielleicht ſehr ungebetene Gäſte, Gäſte, die ſich nach eigenem Dafürhalten im Kloſter einquartiert hatten, vielleicht im Complott mit der Minorität, die höchſt wahr- ſcheinlich (im Gegenſatz zur Loburgſchen Partei) zum Papſte hielt. *) *) Daß die Majorität des Kloſters und dadurch das Kloſter ſelbſt entſchieden bairiſch war, ergiebt ſich unter anderm daraus, daß Papſt Clemens in ſeiner Bannbulle vom 14. Mai 1350 eigens Veranlaſſung nahm, dem Kloſter ſeine Hinneigung zur Sache des bairi- ſchen Hauſes vorzuwerfen. Auch das Erſcheinen des Klage führen-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/108>, abgerufen am 23.04.2024.