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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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angekommen war, sandte, um den Bewohnern einen Schrecken
zu bereiten, des Morgens ganz früh einige seiner Traban-
ten nach der Stadt Spandow, zum Hause des damaligen
Bürgermeisters Bartholomäus Bier, welchen sie,
da noch Alles schlief, mit starkem Pochen an seiner Hausthür
erweckten. Da derselbe beim Oeffnen der Thür die Trabanten
des Kurfürsten erblickte, und sogleich den Befehl erhielt, sich
anzukleiden und die Trabanten zum Kurfürsten nach der Festung
zu begleiten, erschrak er sehr und konnte sich nicht darin finden,
wie er dazu käme, unter militärischer Gewalt nach der Veste
abgeführt zu werden. Seine Frau, welche ebenfalls hinzu-
gekommen war, war noch mehr erschrocken und fing schon ein
gewaltiges Klagen an. Zugleich gab ihm der Anführer der
Trabanten eine an die ganze Bürgerschaft gerichtete kurfürstliche
Ordre. Der Herr Bürgermeister sandte eine Magd eiligst nach
dem Stadtdiener Strohband. Dieser, in gleicher Aufregung
wie sein Herr, kam halb angekleidet und in Pantoffeln herbei.
Er erhielt den Auftrag, sogleich zu allen Viertelmeistern zu
gehen, um ihnen den kurfürstlichen Befehl, der ebenfalls auf
ein Erscheinen vor dem hohen Herrn hinauslief, bekannt zu
machen.

Während nun Strohband lief, um die Bürger zu bestellen,
und der Herr Bürgermeister sich in aller Eile angekleidet hatte,
mäßigte sich sein Schrecken, weil ihm sein gutes Gewissen sagte,
daß der Kurfürst so wenig mit ihm wie mit der Bürgerschaft
etwas Schlimmes im Sinne haben könne, da seines Wissens
keine Sache vorlag, welche den Unwillen des hohen Herrn ver-
diente. Nachdem er seine Frau damit getröstet und beruhigt
hatte, ging er getrosten Muthes mit den Trabanten ab. Einige
alte Frauen und Mägde, welche früh aufgestanden waren, um
die Kühe vor den Hirten zu treiben, als sie sahen, daß der
gestrenge Herr Bürgermeister in der Mitte von Trabanten des
Kurfürsten zur Veste geleitet wurde, kreuzten und segneten sich
und liefen schnell, um die Neuigkeit zu hinterbringen. Jeder
zerbrach sich den Kopf. Endlich kam denn auch der Krumm-

angekommen war, ſandte, um den Bewohnern einen Schrecken
zu bereiten, des Morgens ganz früh einige ſeiner Traban-
ten nach der Stadt Spandow, zum Hauſe des damaligen
Bürgermeiſters Bartholomäus Bier, welchen ſie,
da noch Alles ſchlief, mit ſtarkem Pochen an ſeiner Hausthür
erweckten. Da derſelbe beim Oeffnen der Thür die Trabanten
des Kurfürſten erblickte, und ſogleich den Befehl erhielt, ſich
anzukleiden und die Trabanten zum Kurfürſten nach der Feſtung
zu begleiten, erſchrak er ſehr und konnte ſich nicht darin finden,
wie er dazu käme, unter militäriſcher Gewalt nach der Veſte
abgeführt zu werden. Seine Frau, welche ebenfalls hinzu-
gekommen war, war noch mehr erſchrocken und fing ſchon ein
gewaltiges Klagen an. Zugleich gab ihm der Anführer der
Trabanten eine an die ganze Bürgerſchaft gerichtete kurfürſtliche
Ordre. Der Herr Bürgermeiſter ſandte eine Magd eiligſt nach
dem Stadtdiener Strohband. Dieſer, in gleicher Aufregung
wie ſein Herr, kam halb angekleidet und in Pantoffeln herbei.
Er erhielt den Auftrag, ſogleich zu allen Viertelmeiſtern zu
gehen, um ihnen den kurfürſtlichen Befehl, der ebenfalls auf
ein Erſcheinen vor dem hohen Herrn hinauslief, bekannt zu
machen.

Während nun Strohband lief, um die Bürger zu beſtellen,
und der Herr Bürgermeiſter ſich in aller Eile angekleidet hatte,
mäßigte ſich ſein Schrecken, weil ihm ſein gutes Gewiſſen ſagte,
daß der Kurfürſt ſo wenig mit ihm wie mit der Bürgerſchaft
etwas Schlimmes im Sinne haben könne, da ſeines Wiſſens
keine Sache vorlag, welche den Unwillen des hohen Herrn ver-
diente. Nachdem er ſeine Frau damit getröſtet und beruhigt
hatte, ging er getroſten Muthes mit den Trabanten ab. Einige
alte Frauen und Mägde, welche früh aufgeſtanden waren, um
die Kühe vor den Hirten zu treiben, als ſie ſahen, daß der
geſtrenge Herr Bürgermeiſter in der Mitte von Trabanten des
Kurfürſten zur Veſte geleitet wurde, kreuzten und ſegneten ſich
und liefen ſchnell, um die Neuigkeit zu hinterbringen. Jeder
zerbrach ſich den Kopf. Endlich kam denn auch der Krumm-

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[130/0148] angekommen war, ſandte, um den Bewohnern einen Schrecken zu bereiten, des Morgens ganz früh einige ſeiner Traban- ten nach der Stadt Spandow, zum Hauſe des damaligen Bürgermeiſters Bartholomäus Bier, welchen ſie, da noch Alles ſchlief, mit ſtarkem Pochen an ſeiner Hausthür erweckten. Da derſelbe beim Oeffnen der Thür die Trabanten des Kurfürſten erblickte, und ſogleich den Befehl erhielt, ſich anzukleiden und die Trabanten zum Kurfürſten nach der Feſtung zu begleiten, erſchrak er ſehr und konnte ſich nicht darin finden, wie er dazu käme, unter militäriſcher Gewalt nach der Veſte abgeführt zu werden. Seine Frau, welche ebenfalls hinzu- gekommen war, war noch mehr erſchrocken und fing ſchon ein gewaltiges Klagen an. Zugleich gab ihm der Anführer der Trabanten eine an die ganze Bürgerſchaft gerichtete kurfürſtliche Ordre. Der Herr Bürgermeiſter ſandte eine Magd eiligſt nach dem Stadtdiener Strohband. Dieſer, in gleicher Aufregung wie ſein Herr, kam halb angekleidet und in Pantoffeln herbei. Er erhielt den Auftrag, ſogleich zu allen Viertelmeiſtern zu gehen, um ihnen den kurfürſtlichen Befehl, der ebenfalls auf ein Erſcheinen vor dem hohen Herrn hinauslief, bekannt zu machen. Während nun Strohband lief, um die Bürger zu beſtellen, und der Herr Bürgermeiſter ſich in aller Eile angekleidet hatte, mäßigte ſich ſein Schrecken, weil ihm ſein gutes Gewiſſen ſagte, daß der Kurfürſt ſo wenig mit ihm wie mit der Bürgerſchaft etwas Schlimmes im Sinne haben könne, da ſeines Wiſſens keine Sache vorlag, welche den Unwillen des hohen Herrn ver- diente. Nachdem er ſeine Frau damit getröſtet und beruhigt hatte, ging er getroſten Muthes mit den Trabanten ab. Einige alte Frauen und Mägde, welche früh aufgeſtanden waren, um die Kühe vor den Hirten zu treiben, als ſie ſahen, daß der geſtrenge Herr Bürgermeiſter in der Mitte von Trabanten des Kurfürſten zur Veſte geleitet wurde, kreuzten und ſegneten ſich und liefen ſchnell, um die Neuigkeit zu hinterbringen. Jeder zerbrach ſich den Kopf. Endlich kam denn auch der Krumm-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/148>, abgerufen am 19.04.2024.