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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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und ländliche Spiele wechselten ab; so vergingen die Stunden.
Erst mit der sinkenden Sonne kehrte man nach dem Marmor-
Palais zurück.

Solche Lust gewährten dem Könige diese Fahrten nach der
stillen, nahe gelegenen Waldinsel, daß er sich im Jahre 1793
entschloß, dieselbe vom Potsdamer Waisenhause, dem sie durch
eine Schenkung Friedrich Wilhelms I. zugefallen war, zu kaufen.
Dies geschah und schon vor Ablauf von drei Jahren war das
Eiland zu einem gefälligen Park umgeschaffen, mit Gartenhaus
und Meierei, mit Jagdschirm und Federviehhaus und einem
Lustschloß an der Nordwestspitze. Die Zeichnung zu diesem
Lustschloß, so wird erzählt, rührte von der Gräfin Lichtenau
her, die das Motiv dazu, während ihrer Reise in Italien,
einem verfallenen Schloß entnahm, das zwei, oben mit einer
Brücke verbundene Thürme, unten aber, zwischen den beiden
Thürmen, ein großes Bogenthor zeigte. Wir halten diese Erzäh-
lung für glaubhaft, trotzdem Kopisch sie bezweifelt. Die
Lichtenau dilettirte in Kunstsachen und nicht ganz ohne Talent.
Esprit und Geschmack zählen zu den Vorrechten aller Damen
aus der Schule der Lais.

Der Bau des Schlosses begann; aber noch eh' dieses und
anderes seinen Abschluß gefunden hatte, starb der König und
die Annahme lag nahe, daß auch die nun zurückliegenden zehn
Jahre unter Friedrich Wilhelm II., genau wie die neun Jahre
unter Kunkel, zu einer bloßen Episode im Leben der Pfauen-
insel werden würden. Es kam indessen anders. Friedrich Wil-
helm III., in allem gegensätzlich gegen seinen Vorgänger und
diesen Gegensatz betonend, machte doch mit Rücksicht auf die
Pfaueninsel eine Ausnahme und wandte ihr von Anfang an
eine Gunst zu, die, bis zur Katastrophe von 1806, alles
daselbst Vorhandene liebevoll pflegte, nach dem Niedergange der
napoleonischen Herrschaft aber diesen Fleck Erde zu einem ganz
besonders bevorzugten machte. Ohnehin zu einem contemplativen
Leben geneigt, fand der König, aus den Stürmen des Krieges
heimgekehrt, die Einsamkeit dieser Insel anziehender denn zuvor.

und ländliche Spiele wechſelten ab; ſo vergingen die Stunden.
Erſt mit der ſinkenden Sonne kehrte man nach dem Marmor-
Palais zurück.

Solche Luſt gewährten dem Könige dieſe Fahrten nach der
ſtillen, nahe gelegenen Waldinſel, daß er ſich im Jahre 1793
entſchloß, dieſelbe vom Potsdamer Waiſenhauſe, dem ſie durch
eine Schenkung Friedrich Wilhelms I. zugefallen war, zu kaufen.
Dies geſchah und ſchon vor Ablauf von drei Jahren war das
Eiland zu einem gefälligen Park umgeſchaffen, mit Gartenhaus
und Meierei, mit Jagdſchirm und Federviehhaus und einem
Luſtſchloß an der Nordweſtſpitze. Die Zeichnung zu dieſem
Luſtſchloß, ſo wird erzählt, rührte von der Gräfin Lichtenau
her, die das Motiv dazu, während ihrer Reiſe in Italien,
einem verfallenen Schloß entnahm, das zwei, oben mit einer
Brücke verbundene Thürme, unten aber, zwiſchen den beiden
Thürmen, ein großes Bogenthor zeigte. Wir halten dieſe Erzäh-
lung für glaubhaft, trotzdem Kopiſch ſie bezweifelt. Die
Lichtenau dilettirte in Kunſtſachen und nicht ganz ohne Talent.
Esprit und Geſchmack zählen zu den Vorrechten aller Damen
aus der Schule der Laïs.

Der Bau des Schloſſes begann; aber noch eh’ dieſes und
anderes ſeinen Abſchluß gefunden hatte, ſtarb der König und
die Annahme lag nahe, daß auch die nun zurückliegenden zehn
Jahre unter Friedrich Wilhelm II., genau wie die neun Jahre
unter Kunkel, zu einer bloßen Epiſode im Leben der Pfauen-
inſel werden würden. Es kam indeſſen anders. Friedrich Wil-
helm III., in allem gegenſätzlich gegen ſeinen Vorgänger und
dieſen Gegenſatz betonend, machte doch mit Rückſicht auf die
Pfaueninſel eine Ausnahme und wandte ihr von Anfang an
eine Gunſt zu, die, bis zur Kataſtrophe von 1806, alles
daſelbſt Vorhandene liebevoll pflegte, nach dem Niedergange der
napoleoniſchen Herrſchaft aber dieſen Fleck Erde zu einem ganz
beſonders bevorzugten machte. Ohnehin zu einem contemplativen
Leben geneigt, fand der König, aus den Stürmen des Krieges
heimgekehrt, die Einſamkeit dieſer Inſel anziehender denn zuvor.

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[149/0167] und ländliche Spiele wechſelten ab; ſo vergingen die Stunden. Erſt mit der ſinkenden Sonne kehrte man nach dem Marmor- Palais zurück. Solche Luſt gewährten dem Könige dieſe Fahrten nach der ſtillen, nahe gelegenen Waldinſel, daß er ſich im Jahre 1793 entſchloß, dieſelbe vom Potsdamer Waiſenhauſe, dem ſie durch eine Schenkung Friedrich Wilhelms I. zugefallen war, zu kaufen. Dies geſchah und ſchon vor Ablauf von drei Jahren war das Eiland zu einem gefälligen Park umgeſchaffen, mit Gartenhaus und Meierei, mit Jagdſchirm und Federviehhaus und einem Luſtſchloß an der Nordweſtſpitze. Die Zeichnung zu dieſem Luſtſchloß, ſo wird erzählt, rührte von der Gräfin Lichtenau her, die das Motiv dazu, während ihrer Reiſe in Italien, einem verfallenen Schloß entnahm, das zwei, oben mit einer Brücke verbundene Thürme, unten aber, zwiſchen den beiden Thürmen, ein großes Bogenthor zeigte. Wir halten dieſe Erzäh- lung für glaubhaft, trotzdem Kopiſch ſie bezweifelt. Die Lichtenau dilettirte in Kunſtſachen und nicht ganz ohne Talent. Esprit und Geſchmack zählen zu den Vorrechten aller Damen aus der Schule der Laïs. Der Bau des Schloſſes begann; aber noch eh’ dieſes und anderes ſeinen Abſchluß gefunden hatte, ſtarb der König und die Annahme lag nahe, daß auch die nun zurückliegenden zehn Jahre unter Friedrich Wilhelm II., genau wie die neun Jahre unter Kunkel, zu einer bloßen Epiſode im Leben der Pfauen- inſel werden würden. Es kam indeſſen anders. Friedrich Wil- helm III., in allem gegenſätzlich gegen ſeinen Vorgänger und dieſen Gegenſatz betonend, machte doch mit Rückſicht auf die Pfaueninſel eine Ausnahme und wandte ihr von Anfang an eine Gunſt zu, die, bis zur Kataſtrophe von 1806, alles daſelbſt Vorhandene liebevoll pflegte, nach dem Niedergange der napoleoniſchen Herrſchaft aber dieſen Fleck Erde zu einem ganz beſonders bevorzugten machte. Ohnehin zu einem contemplativen Leben geneigt, fand der König, aus den Stürmen des Krieges heimgekehrt, die Einſamkeit dieſer Inſel anziehender denn zuvor.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/167>, abgerufen am 25.04.2024.