Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

beerzucht obenan. Auch ihr kommt die Nähe der beiden Haupt-
städte zu Statten, und es giebt kleine Leute hier, mit einem
halben Morgen Gartenland, die in 3 bis 4 Wochen 120 Thaler
für Ananas-Erdbeeren einnehmen. Dennoch bleiben es kleine
Leute, und man kann auch in Caput wieder die Wahrnehmung
machen, daß die feineren Culturen es nicht zwingen, und daß
50 Morgen Weizacker nach wie vor das Einfachste und das
Beste bleiben. --

Unter Gesprächen, deren Inhalt ich in Vorstehendem zu-
sammenzufassen suchte, hatten wir das Dorf nach Norden hin
passirt, und hielten jetzt an einer Havelstelle, von wo aus wir
über einen parkartigen, grüngemusterten Garten hinweg auf das
Herrenhaus sehen konnten, einen Hochparterrebau, mit Souter-
rain und zweiarmiger Freitreppe.

Dies Herrenhaus führt den Namen "Schloß," und trotz
bescheidener Dimensionen immer noch mit einem gewissen Recht,
wenigstens seiner inneren Einrichtung nach. Man geht in der
Mark etwas verschwenderisch mit diesem Namen um und hilft
sich nöthigenfalls (wie beispielsweise in Tegel) durch das Dimi-
nutivum: Schlößchen.

Schloß Caput war in alten Zeiten Rochowisch. Im dreißig-
jährigen Kriege zerfiel es oder wurde zerstört, und erst von
1662 an erstand hier ein neues Leben. In diesem Jahre ging
Caput, Dorf wie Schloß, in den Besitz des großen Kurfürsten
über und verblieb, ein kurzes Vorspiel abgerechnet, auf das
wir des Weiteren zurückkommen (wir meinen die Zeit de Chiezes),
150 Jahre lang bei der Krone. Eine lange Zeit. Aber die
Zeit seines Glanzes war um so kürzer und ging wenig über
ein Menschenalter hinaus. Mit dieser Glanzepoche, unter Weg-
lassung alles dessen, was vorausging und was folgte, werden
wir uns in Nachstehendem zu beschäftigen haben. Auch diese
vorübergehende Glanzes-Aera gliedert sich in verschiedene Zeit-
abschnitte, und zwar in die Zeit des Generals de Chieze bis
1671, die Zeit der Kurfürstin Dorothea bis 1689 und

beerzucht obenan. Auch ihr kommt die Nähe der beiden Haupt-
ſtädte zu Statten, und es giebt kleine Leute hier, mit einem
halben Morgen Gartenland, die in 3 bis 4 Wochen 120 Thaler
für Ananas-Erdbeeren einnehmen. Dennoch bleiben es kleine
Leute, und man kann auch in Caput wieder die Wahrnehmung
machen, daß die feineren Culturen es nicht zwingen, und daß
50 Morgen Weizacker nach wie vor das Einfachſte und das
Beſte bleiben. —

Unter Geſprächen, deren Inhalt ich in Vorſtehendem zu-
ſammenzufaſſen ſuchte, hatten wir das Dorf nach Norden hin
paſſirt, und hielten jetzt an einer Havelſtelle, von wo aus wir
über einen parkartigen, grüngemuſterten Garten hinweg auf das
Herrenhaus ſehen konnten, einen Hochparterrebau, mit Souter-
rain und zweiarmiger Freitreppe.

Dies Herrenhaus führt den Namen „Schloß,“ und trotz
beſcheidener Dimenſionen immer noch mit einem gewiſſen Recht,
wenigſtens ſeiner inneren Einrichtung nach. Man geht in der
Mark etwas verſchwenderiſch mit dieſem Namen um und hilft
ſich nöthigenfalls (wie beiſpielsweiſe in Tegel) durch das Dimi-
nutivum: Schlößchen.

Schloß Caput war in alten Zeiten Rochowiſch. Im dreißig-
jährigen Kriege zerfiel es oder wurde zerſtört, und erſt von
1662 an erſtand hier ein neues Leben. In dieſem Jahre ging
Caput, Dorf wie Schloß, in den Beſitz des großen Kurfürſten
über und verblieb, ein kurzes Vorſpiel abgerechnet, auf das
wir des Weiteren zurückkommen (wir meinen die Zeit de Chiezes),
150 Jahre lang bei der Krone. Eine lange Zeit. Aber die
Zeit ſeines Glanzes war um ſo kürzer und ging wenig über
ein Menſchenalter hinaus. Mit dieſer Glanzepoche, unter Weg-
laſſung alles deſſen, was vorausging und was folgte, werden
wir uns in Nachſtehendem zu beſchäftigen haben. Auch dieſe
vorübergehende Glanzes-Aera gliedert ſich in verſchiedene Zeit-
abſchnitte, und zwar in die Zeit des Generals de Chieze bis
1671, die Zeit der Kurfürſtin Dorothea bis 1689 und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0193" n="175"/>
beerzucht obenan. Auch ihr kommt die Nähe der beiden Haupt-<lb/>
&#x017F;tädte zu Statten, und es giebt kleine Leute hier, mit einem<lb/>
halben Morgen Gartenland, die in 3 bis 4 Wochen 120 Thaler<lb/>
für Ananas-Erdbeeren einnehmen. Dennoch bleiben es kleine<lb/>
Leute, und man kann auch in Caput wieder die Wahrnehmung<lb/>
machen, daß die feineren Culturen es nicht zwingen, und daß<lb/>
50 Morgen Weizacker nach wie vor das Einfach&#x017F;te und das<lb/>
Be&#x017F;te bleiben. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Unter Ge&#x017F;prächen, deren Inhalt ich in Vor&#x017F;tehendem zu-<lb/>
&#x017F;ammenzufa&#x017F;&#x017F;en &#x017F;uchte, hatten wir das Dorf nach Norden hin<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;irt, und hielten jetzt an einer Havel&#x017F;telle, von wo aus wir<lb/>
über einen parkartigen, grüngemu&#x017F;terten Garten hinweg auf das<lb/>
Herrenhaus &#x017F;ehen konnten, einen Hochparterrebau, mit Souter-<lb/>
rain und zweiarmiger Freitreppe.</p><lb/>
        <p>Dies Herrenhaus führt den Namen &#x201E;Schloß,&#x201C; und trotz<lb/>
be&#x017F;cheidener Dimen&#x017F;ionen immer noch mit einem gewi&#x017F;&#x017F;en Recht,<lb/>
wenig&#x017F;tens &#x017F;einer inneren Einrichtung nach. Man geht in der<lb/>
Mark etwas ver&#x017F;chwenderi&#x017F;ch mit die&#x017F;em Namen um und hilft<lb/>
&#x017F;ich nöthigenfalls (wie bei&#x017F;pielswei&#x017F;e in Tegel) durch das Dimi-<lb/>
nutivum: Schlößchen.</p><lb/>
        <p>Schloß Caput war in alten Zeiten Rochowi&#x017F;ch. Im dreißig-<lb/>
jährigen Kriege zerfiel es oder wurde zer&#x017F;tört, und er&#x017F;t von<lb/>
1662 an er&#x017F;tand hier ein neues Leben. In die&#x017F;em Jahre ging<lb/>
Caput, Dorf wie Schloß, in den Be&#x017F;itz des großen Kurfür&#x017F;ten<lb/>
über und verblieb, ein kurzes <hi rendition="#g">Vor&#x017F;piel</hi> abgerechnet, auf das<lb/>
wir des Weiteren zurückkommen (wir meinen die Zeit de Chiezes),<lb/>
150 Jahre lang bei der Krone. Eine lange Zeit. Aber die<lb/>
Zeit &#x017F;eines <hi rendition="#g">Glanzes</hi> war um &#x017F;o kürzer und ging wenig über<lb/>
ein Men&#x017F;chenalter hinaus. Mit die&#x017F;er Glanzepoche, unter Weg-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ung alles de&#x017F;&#x017F;en, was vorausging und was folgte, werden<lb/>
wir uns in Nach&#x017F;tehendem zu be&#x017F;chäftigen haben. Auch die&#x017F;e<lb/>
vorübergehende Glanzes-Aera gliedert &#x017F;ich in ver&#x017F;chiedene Zeit-<lb/>
ab&#x017F;chnitte, und zwar in die Zeit des Generals <hi rendition="#g">de Chieze</hi> bis<lb/>
1671, die Zeit der Kurfür&#x017F;tin <hi rendition="#g">Dorothea</hi> bis 1689 und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0193] beerzucht obenan. Auch ihr kommt die Nähe der beiden Haupt- ſtädte zu Statten, und es giebt kleine Leute hier, mit einem halben Morgen Gartenland, die in 3 bis 4 Wochen 120 Thaler für Ananas-Erdbeeren einnehmen. Dennoch bleiben es kleine Leute, und man kann auch in Caput wieder die Wahrnehmung machen, daß die feineren Culturen es nicht zwingen, und daß 50 Morgen Weizacker nach wie vor das Einfachſte und das Beſte bleiben. — Unter Geſprächen, deren Inhalt ich in Vorſtehendem zu- ſammenzufaſſen ſuchte, hatten wir das Dorf nach Norden hin paſſirt, und hielten jetzt an einer Havelſtelle, von wo aus wir über einen parkartigen, grüngemuſterten Garten hinweg auf das Herrenhaus ſehen konnten, einen Hochparterrebau, mit Souter- rain und zweiarmiger Freitreppe. Dies Herrenhaus führt den Namen „Schloß,“ und trotz beſcheidener Dimenſionen immer noch mit einem gewiſſen Recht, wenigſtens ſeiner inneren Einrichtung nach. Man geht in der Mark etwas verſchwenderiſch mit dieſem Namen um und hilft ſich nöthigenfalls (wie beiſpielsweiſe in Tegel) durch das Dimi- nutivum: Schlößchen. Schloß Caput war in alten Zeiten Rochowiſch. Im dreißig- jährigen Kriege zerfiel es oder wurde zerſtört, und erſt von 1662 an erſtand hier ein neues Leben. In dieſem Jahre ging Caput, Dorf wie Schloß, in den Beſitz des großen Kurfürſten über und verblieb, ein kurzes Vorſpiel abgerechnet, auf das wir des Weiteren zurückkommen (wir meinen die Zeit de Chiezes), 150 Jahre lang bei der Krone. Eine lange Zeit. Aber die Zeit ſeines Glanzes war um ſo kürzer und ging wenig über ein Menſchenalter hinaus. Mit dieſer Glanzepoche, unter Weg- laſſung alles deſſen, was vorausging und was folgte, werden wir uns in Nachſtehendem zu beſchäftigen haben. Auch dieſe vorübergehende Glanzes-Aera gliedert ſich in verſchiedene Zeit- abſchnitte, und zwar in die Zeit des Generals de Chieze bis 1671, die Zeit der Kurfürſtin Dorothea bis 1689 und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/193
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/193>, abgerufen am 18.04.2024.