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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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auch mit dieser Bomgarde auf sich haben möge, ob sie wendisch
oder deutsch, so viel verbleibt ihr, daß sie seit historischen Tagen
und namentlich seitdem ein Bomgarden-Brück daraus geworden,
immer ein Punkt von Bedeutung war, ein Punkt, dessen Wich-
tigkeit gleichen Schritt hielt mit dem industriellen Aufblühen der
Schwilow- und Havel-Ufer. Die Einnahmen verzehnfachten
sich und wenn früher hier ein einfacher, altmodischer Zoll gezahlt
worden war, um die Landreisenden trocken von einem Ufer zum
andern zu bringen, so kamen nun die viel einträglicheren Tage,
wo neben dem Brückenzoll für Pferd und Wagen vor Allem
auch ein Brücken-Aufzugzoll für alle durchpassirenden Schiffe
gezahlt werden mußte. Der Culturstaat etablirte hier eine seiner
Doppelpressen; zu Land oder zu Wasser -- gezahlt mußte
werden, und Baumgartenbrück wurde für Brückengeld-Ein-
nehmer allmählich das, was die Charlottenburger Chausseehäuser
für Chausseegeld-Einnehmer sind. So ist es noch.

Aber die lachenden Tage von Baumgartenbrück brachen doch
erst an, als, vor etwa 40 Jahren, aus dem hier stehenden
Brückenwärterhaus ein Gasthaus wurde, ein Vergnügungsort
für die Potsdamer schöne Welt, die mehr und mehr anfing,
ihren Brauhausberg und ihren Pfingstberg den Berlinern abzu-
treten und sich eine stille Stelle für sich selber zu suchen. Sie
verfuhren dabei kurz und sinnig wie die Schweizer, die ihre
Allerwelts-Schönheitspunkte: den Genfer und den Vierwald-
stättersee den Fremden überlassen, um an irgend einer abgele-
genen Stelle der Glarner Alpen "ihre Schweiz für sich" zu
haben. Die Potsdamer wählten zu diesem Behufe Baumgarten-
brück.

Und es war eine vorzügliche Wahl! Es vereinigt sich hier
Alles, was einem Besuchsorte zu Zierde und Empfehlung
gereichen kann: Stille und Leben, Abgeschlossenheit und Weit-
blick, ein landschaftliches Bild ersten Ranges und eine vorzüg-
liche Verpflegung. Hier unter den Laubgängen zu sitzen, nach
einem tüchtigen Marsch oder einer Fahrt über den See, ist ein
Genuß, der alle Sinne gefangen nimmt; nur muß man freilich

Fontane, Wanderungen. III. 13

auch mit dieſer Bomgarde auf ſich haben möge, ob ſie wendiſch
oder deutſch, ſo viel verbleibt ihr, daß ſie ſeit hiſtoriſchen Tagen
und namentlich ſeitdem ein Bomgarden-Brück daraus geworden,
immer ein Punkt von Bedeutung war, ein Punkt, deſſen Wich-
tigkeit gleichen Schritt hielt mit dem induſtriellen Aufblühen der
Schwilow- und Havel-Ufer. Die Einnahmen verzehnfachten
ſich und wenn früher hier ein einfacher, altmodiſcher Zoll gezahlt
worden war, um die Landreiſenden trocken von einem Ufer zum
andern zu bringen, ſo kamen nun die viel einträglicheren Tage,
wo neben dem Brückenzoll für Pferd und Wagen vor Allem
auch ein Brücken-Aufzugzoll für alle durchpaſſirenden Schiffe
gezahlt werden mußte. Der Culturſtaat etablirte hier eine ſeiner
Doppelpreſſen; zu Land oder zu Waſſer — gezahlt mußte
werden, und Baumgartenbrück wurde für Brückengeld-Ein-
nehmer allmählich das, was die Charlottenburger Chauſſeehäuſer
für Chauſſeegeld-Einnehmer ſind. So iſt es noch.

Aber die lachenden Tage von Baumgartenbrück brachen doch
erſt an, als, vor etwa 40 Jahren, aus dem hier ſtehenden
Brückenwärterhaus ein Gaſthaus wurde, ein Vergnügungsort
für die Potsdamer ſchöne Welt, die mehr und mehr anfing,
ihren Brauhausberg und ihren Pfingſtberg den Berlinern abzu-
treten und ſich eine ſtille Stelle für ſich ſelber zu ſuchen. Sie
verfuhren dabei kurz und ſinnig wie die Schweizer, die ihre
Allerwelts-Schönheitspunkte: den Genfer und den Vierwald-
ſtätterſee den Fremden überlaſſen, um an irgend einer abgele-
genen Stelle der Glarner Alpen „ihre Schweiz für ſich“ zu
haben. Die Potsdamer wählten zu dieſem Behufe Baumgarten-
brück.

Und es war eine vorzügliche Wahl! Es vereinigt ſich hier
Alles, was einem Beſuchsorte zu Zierde und Empfehlung
gereichen kann: Stille und Leben, Abgeſchloſſenheit und Weit-
blick, ein landſchaftliches Bild erſten Ranges und eine vorzüg-
liche Verpflegung. Hier unter den Laubgängen zu ſitzen, nach
einem tüchtigen Marſch oder einer Fahrt über den See, iſt ein
Genuß, der alle Sinne gefangen nimmt; nur muß man freilich

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[193/0211] auch mit dieſer Bomgarde auf ſich haben möge, ob ſie wendiſch oder deutſch, ſo viel verbleibt ihr, daß ſie ſeit hiſtoriſchen Tagen und namentlich ſeitdem ein Bomgarden-Brück daraus geworden, immer ein Punkt von Bedeutung war, ein Punkt, deſſen Wich- tigkeit gleichen Schritt hielt mit dem induſtriellen Aufblühen der Schwilow- und Havel-Ufer. Die Einnahmen verzehnfachten ſich und wenn früher hier ein einfacher, altmodiſcher Zoll gezahlt worden war, um die Landreiſenden trocken von einem Ufer zum andern zu bringen, ſo kamen nun die viel einträglicheren Tage, wo neben dem Brückenzoll für Pferd und Wagen vor Allem auch ein Brücken-Aufzugzoll für alle durchpaſſirenden Schiffe gezahlt werden mußte. Der Culturſtaat etablirte hier eine ſeiner Doppelpreſſen; zu Land oder zu Waſſer — gezahlt mußte werden, und Baumgartenbrück wurde für Brückengeld-Ein- nehmer allmählich das, was die Charlottenburger Chauſſeehäuſer für Chauſſeegeld-Einnehmer ſind. So iſt es noch. Aber die lachenden Tage von Baumgartenbrück brachen doch erſt an, als, vor etwa 40 Jahren, aus dem hier ſtehenden Brückenwärterhaus ein Gaſthaus wurde, ein Vergnügungsort für die Potsdamer ſchöne Welt, die mehr und mehr anfing, ihren Brauhausberg und ihren Pfingſtberg den Berlinern abzu- treten und ſich eine ſtille Stelle für ſich ſelber zu ſuchen. Sie verfuhren dabei kurz und ſinnig wie die Schweizer, die ihre Allerwelts-Schönheitspunkte: den Genfer und den Vierwald- ſtätterſee den Fremden überlaſſen, um an irgend einer abgele- genen Stelle der Glarner Alpen „ihre Schweiz für ſich“ zu haben. Die Potsdamer wählten zu dieſem Behufe Baumgarten- brück. Und es war eine vorzügliche Wahl! Es vereinigt ſich hier Alles, was einem Beſuchsorte zu Zierde und Empfehlung gereichen kann: Stille und Leben, Abgeſchloſſenheit und Weit- blick, ein landſchaftliches Bild erſten Ranges und eine vorzüg- liche Verpflegung. Hier unter den Laubgängen zu ſitzen, nach einem tüchtigen Marſch oder einer Fahrt über den See, iſt ein Genuß, der alle Sinne gefangen nimmt; nur muß man freilich Fontane, Wanderungen. III. 13

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/211>, abgerufen am 25.04.2024.