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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Aber das anmuthige Bild, das es bietet, ist nicht bloß
ein Produkt des Kontrastes; zu gutem Theile ist es eine Wir-
kung der pittoresken Kirche, die in allen ihren Theilen deutlich
erkennbar, mit Säulengang, Langschiff und Etagenthurm, aus
dem bunten Gemisch von Dächern und Obstbäumen emporwächst.
Diese Kirche ist eine aus jener reichen Zahl von Gotteshäusern,
womit König Friedrich Wilhelm IV. Potsdam gleichsam um-
stellte, dabei von dem in seiner Natur begründeten Doppelmotiv
geleitet: den Gemeinden ein christliches Haus, sich selber einen
künstlerischen Anblick zu gewähren. Auch für Bornstädt wählte
er die Basilika-Form.

Ueber die Zulässigkeit dieser Form, speziell für unser
märkisches Flachland, ist viel hin und her gestritten worden, und
es mag zugestanden werden, daß sie, sammt dem Campanile,
das sie zu begleiten pflegt, vorzugsweise ein coupirtes Terrain
und nicht die Ebene zur Voraussetzung hat. Deßhalb wirken
diese Kirchen in den flachen und geradlinigen Straßen unserer
Residenzen nicht eben allzu vortheilhaft, und der unvermittelt
aufsteigende, weder durch Baumgruppen noch sich vorschiebende
Bergcoulissen in seiner Linie durchschnittene Etagenthurm tritt
fast -- an die Porzellanthürme Chinas erinnernd, -- in einen
gewissen Widerspruch mit unserem christlichen Gefühl. Mit unseren
baulichen Traditionen gewiß! Aber so unzweifelhaft dies zu-
zugestehen ist, so unzweifelhaft sind doch auch Ausnahmen, und
eine solche bietet Bornstädt. Es wird hier ein so malerischer
Effekt erzielt, daß wir nicht wissen, wie derselbe überboten werden
sollte. Der grüne Korb des Dorfes schafft eine glückliche Staffage,
und während das Hochaufragende des Etagent hurms etwas von dem
Poetisch-Symbolischen der alten Spitzthürme bewahrt, wird
doch zugleich dem feineren Sinn eine Form geboten, die mehr
ist als die Zuckerhut-Formation unserer alten Schindelspitzen.
Der Ruf dieser hat sich nur, faute de mieux, im Zeitalter der
Laternen- und Butterglocken-Thürme entwickeln können.

Die bornstädter Basilika sammt Säulengang und Etagen-
thurm ist ein Schmuck des Dorfes und der Landschaft; aber

Aber das anmuthige Bild, das es bietet, iſt nicht bloß
ein Produkt des Kontraſtes; zu gutem Theile iſt es eine Wir-
kung der pittoresken Kirche, die in allen ihren Theilen deutlich
erkennbar, mit Säulengang, Langſchiff und Etagenthurm, aus
dem bunten Gemiſch von Dächern und Obſtbäumen emporwächſt.
Dieſe Kirche iſt eine aus jener reichen Zahl von Gotteshäuſern,
womit König Friedrich Wilhelm IV. Potsdam gleichſam um-
ſtellte, dabei von dem in ſeiner Natur begründeten Doppelmotiv
geleitet: den Gemeinden ein chriſtliches Haus, ſich ſelber einen
künſtleriſchen Anblick zu gewähren. Auch für Bornſtädt wählte
er die Baſilika-Form.

Ueber die Zuläſſigkeit dieſer Form, ſpeziell für unſer
märkiſches Flachland, iſt viel hin und her geſtritten worden, und
es mag zugeſtanden werden, daß ſie, ſammt dem Campanile,
das ſie zu begleiten pflegt, vorzugsweiſe ein coupirtes Terrain
und nicht die Ebene zur Vorausſetzung hat. Deßhalb wirken
dieſe Kirchen in den flachen und geradlinigen Straßen unſerer
Reſidenzen nicht eben allzu vortheilhaft, und der unvermittelt
aufſteigende, weder durch Baumgruppen noch ſich vorſchiebende
Bergcouliſſen in ſeiner Linie durchſchnittene Etagenthurm tritt
faſt — an die Porzellanthürme Chinas erinnernd, — in einen
gewiſſen Widerſpruch mit unſerem chriſtlichen Gefühl. Mit unſeren
baulichen Traditionen gewiß! Aber ſo unzweifelhaft dies zu-
zugeſtehen iſt, ſo unzweifelhaft ſind doch auch Ausnahmen, und
eine ſolche bietet Bornſtädt. Es wird hier ein ſo maleriſcher
Effekt erzielt, daß wir nicht wiſſen, wie derſelbe überboten werden
ſollte. Der grüne Korb des Dorfes ſchafft eine glückliche Staffage,
und während das Hochaufragende des Etagent hurms etwas von dem
Poetiſch-Symboliſchen der alten Spitzthürme bewahrt, wird
doch zugleich dem feineren Sinn eine Form geboten, die mehr
iſt als die Zuckerhut-Formation unſerer alten Schindelſpitzen.
Der Ruf dieſer hat ſich nur, faute de mieux, im Zeitalter der
Laternen- und Butterglocken-Thürme entwickeln können.

Die bornſtädter Baſilika ſammt Säulengang und Etagen-
thurm iſt ein Schmuck des Dorfes und der Landſchaft; aber

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[248/0266] Aber das anmuthige Bild, das es bietet, iſt nicht bloß ein Produkt des Kontraſtes; zu gutem Theile iſt es eine Wir- kung der pittoresken Kirche, die in allen ihren Theilen deutlich erkennbar, mit Säulengang, Langſchiff und Etagenthurm, aus dem bunten Gemiſch von Dächern und Obſtbäumen emporwächſt. Dieſe Kirche iſt eine aus jener reichen Zahl von Gotteshäuſern, womit König Friedrich Wilhelm IV. Potsdam gleichſam um- ſtellte, dabei von dem in ſeiner Natur begründeten Doppelmotiv geleitet: den Gemeinden ein chriſtliches Haus, ſich ſelber einen künſtleriſchen Anblick zu gewähren. Auch für Bornſtädt wählte er die Baſilika-Form. Ueber die Zuläſſigkeit dieſer Form, ſpeziell für unſer märkiſches Flachland, iſt viel hin und her geſtritten worden, und es mag zugeſtanden werden, daß ſie, ſammt dem Campanile, das ſie zu begleiten pflegt, vorzugsweiſe ein coupirtes Terrain und nicht die Ebene zur Vorausſetzung hat. Deßhalb wirken dieſe Kirchen in den flachen und geradlinigen Straßen unſerer Reſidenzen nicht eben allzu vortheilhaft, und der unvermittelt aufſteigende, weder durch Baumgruppen noch ſich vorſchiebende Bergcouliſſen in ſeiner Linie durchſchnittene Etagenthurm tritt faſt — an die Porzellanthürme Chinas erinnernd, — in einen gewiſſen Widerſpruch mit unſerem chriſtlichen Gefühl. Mit unſeren baulichen Traditionen gewiß! Aber ſo unzweifelhaft dies zu- zugeſtehen iſt, ſo unzweifelhaft ſind doch auch Ausnahmen, und eine ſolche bietet Bornſtädt. Es wird hier ein ſo maleriſcher Effekt erzielt, daß wir nicht wiſſen, wie derſelbe überboten werden ſollte. Der grüne Korb des Dorfes ſchafft eine glückliche Staffage, und während das Hochaufragende des Etagent hurms etwas von dem Poetiſch-Symboliſchen der alten Spitzthürme bewahrt, wird doch zugleich dem feineren Sinn eine Form geboten, die mehr iſt als die Zuckerhut-Formation unſerer alten Schindelſpitzen. Der Ruf dieſer hat ſich nur, faute de mieux, im Zeitalter der Laternen- und Butterglocken-Thürme entwickeln können. Die bornſtädter Baſilika ſammt Säulengang und Etagen- thurm iſt ein Schmuck des Dorfes und der Landſchaft; aber

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/266>, abgerufen am 28.03.2024.