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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Nehmen Sie den Spiegel und sehen nach dem Licht. Wenn
der Blitz fähret, so blendet er, aber dem Weisen ist er klar wie
tausend Jahr.

Joh. Geo. Sch--r,
S. d. E. u. G.
(Schotte der Erkenntniß und Gewalt).

Daß ein Mann wie Stark durch solchen mit Effronterie
vorgetragenen Galimathias geblendet werden konnte, ist nicht
anzunehmen, auch kam die Correspondenz über diesen einmaligen
Briefaustausch nicht hinaus. Aber Schrepfer hatte doch das
Eine Gute davon, daß er auf das Handschreiben eines, in
besonderem Ordens-Ansehen stehenden, die höchsten Ordens-
Ehren in sich vereinigenden Mannes hinweisen konnte. Und
das genügte ihm. Er suchte neue Mittel nach, "um den Schatz
zu heben," und Leipzig, das er so undankbar als "Buhlerin"
bezeichnete, gewährte sie immer auf's Neue.

Endlich indeß, so scheint es, war die Geduld erschöpft,
die "Erscheinungen" kamen, während der Schatz beharrlich
ausblieb und Schrepfer empfand zuletzt, daß seine Situation
unhaltbar geworden sei. Aber wenigstens mit einem Knalleffect
wollte er scheiden.

An einem der letzten Meßtage, am 7. October 1774 lud
er Bischofswerder und Hopfgarten, nebst noch zwei anderen,
zum Abendessen ein. Als sie beisammen waren, sagte er:
"Diese Nacht legen wir uns nicht zu Bett, denn morgen mit
dem Frühesten, noch vor Sonnenaufgang, sollen Sie ein ganz
neues Schauspiel zu sehen bekommen. Bis jetzt hab ich Ihnen
Verstorbene gezeigt, die ins Leben zurückgerufen wurden; mor-
gen aber sollen Sie einen Lebenden sehen, den Sie für todt
halten werden." Nach diesen Worten legte er sich aufs Sopha
und schlief fest. Als der Tag anbrach, stand er auf mit den
Worten: "Nun, meine Herren, ist es Zeit, daß wir gehen;"
und alle begaben sich nach dem Rosenthal. Schrepfer, der auf
dem Wege die vollkommenste Gemüthsruhe zeigte, wies seinen
Begleitern, als sie an einer bestimmten Stelle angelangt waren,

Nehmen Sie den Spiegel und ſehen nach dem Licht. Wenn
der Blitz fähret, ſo blendet er, aber dem Weiſen iſt er klar wie
tauſend Jahr.

Joh. Geo. Sch—r,
S. d. E. u. G.
(Schotte der Erkenntniß und Gewalt).

Daß ein Mann wie Stark durch ſolchen mit Effronterie
vorgetragenen Galimathias geblendet werden konnte, iſt nicht
anzunehmen, auch kam die Correſpondenz über dieſen einmaligen
Briefaustauſch nicht hinaus. Aber Schrepfer hatte doch das
Eine Gute davon, daß er auf das Handſchreiben eines, in
beſonderem Ordens-Anſehen ſtehenden, die höchſten Ordens-
Ehren in ſich vereinigenden Mannes hinweiſen konnte. Und
das genügte ihm. Er ſuchte neue Mittel nach, „um den Schatz
zu heben,“ und Leipzig, das er ſo undankbar als „Buhlerin“
bezeichnete, gewährte ſie immer auf’s Neue.

Endlich indeß, ſo ſcheint es, war die Geduld erſchöpft,
die „Erſcheinungen“ kamen, während der Schatz beharrlich
ausblieb und Schrepfer empfand zuletzt, daß ſeine Situation
unhaltbar geworden ſei. Aber wenigſtens mit einem Knalleffect
wollte er ſcheiden.

An einem der letzten Meßtage, am 7. October 1774 lud
er Biſchofswerder und Hopfgarten, nebſt noch zwei anderen,
zum Abendeſſen ein. Als ſie beiſammen waren, ſagte er:
„Dieſe Nacht legen wir uns nicht zu Bett, denn morgen mit
dem Früheſten, noch vor Sonnenaufgang, ſollen Sie ein ganz
neues Schauſpiel zu ſehen bekommen. Bis jetzt hab ich Ihnen
Verſtorbene gezeigt, die ins Leben zurückgerufen wurden; mor-
gen aber ſollen Sie einen Lebenden ſehen, den Sie für todt
halten werden.“ Nach dieſen Worten legte er ſich aufs Sopha
und ſchlief feſt. Als der Tag anbrach, ſtand er auf mit den
Worten: „Nun, meine Herren, iſt es Zeit, daß wir gehen;“
und alle begaben ſich nach dem Roſenthal. Schrepfer, der auf
dem Wege die vollkommenſte Gemüthsruhe zeigte, wies ſeinen
Begleitern, als ſie an einer beſtimmten Stelle angelangt waren,

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[304/0322] Nehmen Sie den Spiegel und ſehen nach dem Licht. Wenn der Blitz fähret, ſo blendet er, aber dem Weiſen iſt er klar wie tauſend Jahr. Joh. Geo. Sch—r, S. d. E. u. G. (Schotte der Erkenntniß und Gewalt). Daß ein Mann wie Stark durch ſolchen mit Effronterie vorgetragenen Galimathias geblendet werden konnte, iſt nicht anzunehmen, auch kam die Correſpondenz über dieſen einmaligen Briefaustauſch nicht hinaus. Aber Schrepfer hatte doch das Eine Gute davon, daß er auf das Handſchreiben eines, in beſonderem Ordens-Anſehen ſtehenden, die höchſten Ordens- Ehren in ſich vereinigenden Mannes hinweiſen konnte. Und das genügte ihm. Er ſuchte neue Mittel nach, „um den Schatz zu heben,“ und Leipzig, das er ſo undankbar als „Buhlerin“ bezeichnete, gewährte ſie immer auf’s Neue. Endlich indeß, ſo ſcheint es, war die Geduld erſchöpft, die „Erſcheinungen“ kamen, während der Schatz beharrlich ausblieb und Schrepfer empfand zuletzt, daß ſeine Situation unhaltbar geworden ſei. Aber wenigſtens mit einem Knalleffect wollte er ſcheiden. An einem der letzten Meßtage, am 7. October 1774 lud er Biſchofswerder und Hopfgarten, nebſt noch zwei anderen, zum Abendeſſen ein. Als ſie beiſammen waren, ſagte er: „Dieſe Nacht legen wir uns nicht zu Bett, denn morgen mit dem Früheſten, noch vor Sonnenaufgang, ſollen Sie ein ganz neues Schauſpiel zu ſehen bekommen. Bis jetzt hab ich Ihnen Verſtorbene gezeigt, die ins Leben zurückgerufen wurden; mor- gen aber ſollen Sie einen Lebenden ſehen, den Sie für todt halten werden.“ Nach dieſen Worten legte er ſich aufs Sopha und ſchlief feſt. Als der Tag anbrach, ſtand er auf mit den Worten: „Nun, meine Herren, iſt es Zeit, daß wir gehen;“ und alle begaben ſich nach dem Roſenthal. Schrepfer, der auf dem Wege die vollkommenſte Gemüthsruhe zeigte, wies ſeinen Begleitern, als ſie an einer beſtimmten Stelle angelangt waren,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/322>, abgerufen am 18.04.2024.