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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Opferstätte errichtet hatten. Am Rande des Dorfes, wo noch
jetzt ein Gehölz von Tannen und Birken sich um den See legt,
hart an der Straße, war die Opferstätte. So heißt es. Andere
Anhaltepunkte als Name und Tradition sind nicht da; der
Boden hat bisher wenig herausgegeben, das bestimmter spräche.

Ein Sprung über das niedrige Mauerwerk des Kirchhofes,
und -- nur der breite Fahrdamm trennte uns noch von dem
gegenüber gelegenen Pfarrhaus.

Still lag es da, aber alle Thüren und Fenster auf; hier
war noch Leben, wenn es sich auch noch verbarg. Eine Laube
vor dem Hause, Blumenbeete, an der einen Ecke ein blühender
Akazienbaum. Wenn wir die Blüthen nicht sahen, so verkün-
dete sie der Duft. Auf der Treppe lag eine Katze und spann.
Hier ist's gut sein. Hier ist Friede.

Unsere Vorempfindung hatte uns nicht getäuscht. Nichts
von Störung. Wir wurden freundlich empfangen; eh eine
halbe Stunde um war, dampfte der Kessel auf dem Tisch; die
Hausfrau nach Theelands-Sitte, mischte den starken Absud mit
dem brodelndem Wasser; die Katze, auf meinem Schooß jetzt,
striegelte ihren Kopf an meiner gekrümmten Hand, während der
Akazienduft immer voller durch die offenen Fenster zog.

Die Unterhaltung drehte sich um Gütergotz. Wir waren
gekommen, um zu hören und zu lernen. Der Herr Pfarrer
nahm das Wort.

"Sie wissen, daß es ein Wendendorf war, daß der Juthrie-
Gott eine Stätte hier hatte; der Name sagt es Ihnen. Dann
kamen die Mönche, und Gütergotz, wie das benachbarte Zehlen-
dorf, wurde Klostergut und zählte mit unter dem reichen Besitz
von Kloster Lehnin. Nach der Säcularisirung kam es an den
Kurfürsten, der 1567 den Bürgermeister Valtin Döring damit
belehnte, bei dessen Familie es bis zum Jahre 1700 blieb.
Gütergotz hatte also in 500 Jahren nur zwei Besitzer gehabt:
die Aebte zu Lehnin und die Dörings.

Wenn aber bis dahin, so fuhr der Pfarrer fort, die Be-
sitzverhältnisse stabil gewesen waren, so wurden sie von 1700

Opferſtätte errichtet hatten. Am Rande des Dorfes, wo noch
jetzt ein Gehölz von Tannen und Birken ſich um den See legt,
hart an der Straße, war die Opferſtätte. So heißt es. Andere
Anhaltepunkte als Name und Tradition ſind nicht da; der
Boden hat bisher wenig herausgegeben, das beſtimmter ſpräche.

Ein Sprung über das niedrige Mauerwerk des Kirchhofes,
und — nur der breite Fahrdamm trennte uns noch von dem
gegenüber gelegenen Pfarrhaus.

Still lag es da, aber alle Thüren und Fenſter auf; hier
war noch Leben, wenn es ſich auch noch verbarg. Eine Laube
vor dem Hauſe, Blumenbeete, an der einen Ecke ein blühender
Akazienbaum. Wenn wir die Blüthen nicht ſahen, ſo verkün-
dete ſie der Duft. Auf der Treppe lag eine Katze und ſpann.
Hier iſt’s gut ſein. Hier iſt Friede.

Unſere Vorempfindung hatte uns nicht getäuſcht. Nichts
von Störung. Wir wurden freundlich empfangen; eh eine
halbe Stunde um war, dampfte der Keſſel auf dem Tiſch; die
Hausfrau nach Theelands-Sitte, miſchte den ſtarken Abſud mit
dem brodelndem Waſſer; die Katze, auf meinem Schooß jetzt,
ſtriegelte ihren Kopf an meiner gekrümmten Hand, während der
Akazienduft immer voller durch die offenen Fenſter zog.

Die Unterhaltung drehte ſich um Gütergotz. Wir waren
gekommen, um zu hören und zu lernen. Der Herr Pfarrer
nahm das Wort.

„Sie wiſſen, daß es ein Wendendorf war, daß der Juthrie-
Gott eine Stätte hier hatte; der Name ſagt es Ihnen. Dann
kamen die Mönche, und Gütergotz, wie das benachbarte Zehlen-
dorf, wurde Kloſtergut und zählte mit unter dem reichen Beſitz
von Kloſter Lehnin. Nach der Säculariſirung kam es an den
Kurfürſten, der 1567 den Bürgermeiſter Valtin Döring damit
belehnte, bei deſſen Familie es bis zum Jahre 1700 blieb.
Gütergotz hatte alſo in 500 Jahren nur zwei Beſitzer gehabt:
die Aebte zu Lehnin und die Dörings.

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ſitzverhältniſſe ſtabil geweſen waren, ſo wurden ſie von 1700

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[358/0376] Opferſtätte errichtet hatten. Am Rande des Dorfes, wo noch jetzt ein Gehölz von Tannen und Birken ſich um den See legt, hart an der Straße, war die Opferſtätte. So heißt es. Andere Anhaltepunkte als Name und Tradition ſind nicht da; der Boden hat bisher wenig herausgegeben, das beſtimmter ſpräche. Ein Sprung über das niedrige Mauerwerk des Kirchhofes, und — nur der breite Fahrdamm trennte uns noch von dem gegenüber gelegenen Pfarrhaus. Still lag es da, aber alle Thüren und Fenſter auf; hier war noch Leben, wenn es ſich auch noch verbarg. Eine Laube vor dem Hauſe, Blumenbeete, an der einen Ecke ein blühender Akazienbaum. Wenn wir die Blüthen nicht ſahen, ſo verkün- dete ſie der Duft. Auf der Treppe lag eine Katze und ſpann. Hier iſt’s gut ſein. Hier iſt Friede. Unſere Vorempfindung hatte uns nicht getäuſcht. Nichts von Störung. Wir wurden freundlich empfangen; eh eine halbe Stunde um war, dampfte der Keſſel auf dem Tiſch; die Hausfrau nach Theelands-Sitte, miſchte den ſtarken Abſud mit dem brodelndem Waſſer; die Katze, auf meinem Schooß jetzt, ſtriegelte ihren Kopf an meiner gekrümmten Hand, während der Akazienduft immer voller durch die offenen Fenſter zog. Die Unterhaltung drehte ſich um Gütergotz. Wir waren gekommen, um zu hören und zu lernen. Der Herr Pfarrer nahm das Wort. „Sie wiſſen, daß es ein Wendendorf war, daß der Juthrie- Gott eine Stätte hier hatte; der Name ſagt es Ihnen. Dann kamen die Mönche, und Gütergotz, wie das benachbarte Zehlen- dorf, wurde Kloſtergut und zählte mit unter dem reichen Beſitz von Kloſter Lehnin. Nach der Säculariſirung kam es an den Kurfürſten, der 1567 den Bürgermeiſter Valtin Döring damit belehnte, bei deſſen Familie es bis zum Jahre 1700 blieb. Gütergotz hatte alſo in 500 Jahren nur zwei Beſitzer gehabt: die Aebte zu Lehnin und die Dörings. Wenn aber bis dahin, ſo fuhr der Pfarrer fort, die Be- ſitzverhältniſſe ſtabil geweſen waren, ſo wurden ſie von 1700

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/376>, abgerufen am 20.04.2024.