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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Namen. Es waren die Burgen zu Potsdam und Trebbin (als
Flügelpunkte); im Centrum Beuthen und Saarmund. *)

Saarmund, dem wir uns jetzt zuwenden, unter den ge-
nannten 4 Burgen vielleicht die verschollenste, genoß dafür den
Vorzug eines poetischen Namens. Daß er an dieser Stelle
überhaupt entstehen konnte, erwuchs aus einer Großthat, einem
Opfer. Die Nuthe brachte es. Arm aber edel, und vielleicht
das städtische Idyll vorahnend, das hier einstens aus dem Wie-
sengrunde aufblühen werde, zweigte sie schon in ältesten Zeiten
einen Wasserstreifen von sich ab und wohl wissend (vielleicht
aus eigner schmerzlicher Erfahrung), was eines Namens Wohl-
klang bedeutet, gab sie dem abgezweigten Arm den Namen
Saare mit auf den Lebensweg. Und siehe da, die innere
Stimme hatte nicht getrogen. Da, wo ins alte Nuthebett die
kaum geborene Saare wieder einmündet, erwuchs Saarmund.
Im Rücken der Stadt aber (um ein Ereigniß späterer Jahr-
hunderte vorweg zu nehmen) an den Südhängen der Zauche-
Hügel hin, entstanden Weinberge über Weinberge, so daß
Deutschland damals, zu den Zeiten des großen Kurfürsten, des
Vorzuges genoß, einen doppelten Saarwein zu produciren, den
einen bei Trier, den andern bei Saarmund. Tempi passati.
Einen sichreren Gewinn, auch für den unverwöhnten Geschmack
jener Zeiten, bot wohl die Saare selbst, deren Krebse die alten

*) Alle vier Nutheburgen gingen in veränderter Gestalt (in
der sie allerdings, mit Ausnahme einer, auch nicht mehr existiren) in
spätere Jahrhunderte über. Doch waren dies eben in Zweck wie Er-
scheinung, die alten Nutheburgen nicht mehr. Sie modelten sich, sie
wurden andere, und aus den markgräflichen Voigteien, die eine allge-
meine politische Bedeutung, wenn man so will, eine Mission gehabt
hatten, wurden Landes- und Ritterburgen, wie andere mehr. Ueber
sie berichten wir an anderer Stelle. Der Umstand, daß die Nuthe ein
natürliches Defilee von Sachsen nach der Mark war, lieh auch in die-
sen späteren Zeiten noch, in denen der Colonisationskampf längst aus-
gelärmt hatte, dem ganzen Flußthale eine gewisse "importance," aber
mit Ausnahme verhältnißmäßig neuer Zeit (1813) scheint man die Be-
deutung desselben doch nie ernsthaft betont zu haben.

Namen. Es waren die Burgen zu Potsdam und Trebbin (als
Flügelpunkte); im Centrum Beuthen und Saarmund. *)

Saarmund, dem wir uns jetzt zuwenden, unter den ge-
nannten 4 Burgen vielleicht die verſchollenſte, genoß dafür den
Vorzug eines poetiſchen Namens. Daß er an dieſer Stelle
überhaupt entſtehen konnte, erwuchs aus einer Großthat, einem
Opfer. Die Nuthe brachte es. Arm aber edel, und vielleicht
das ſtädtiſche Idyll vorahnend, das hier einſtens aus dem Wie-
ſengrunde aufblühen werde, zweigte ſie ſchon in älteſten Zeiten
einen Waſſerſtreifen von ſich ab und wohl wiſſend (vielleicht
aus eigner ſchmerzlicher Erfahrung), was eines Namens Wohl-
klang bedeutet, gab ſie dem abgezweigten Arm den Namen
Saare mit auf den Lebensweg. Und ſiehe da, die innere
Stimme hatte nicht getrogen. Da, wo ins alte Nuthebett die
kaum geborene Saare wieder einmündet, erwuchs Saarmund.
Im Rücken der Stadt aber (um ein Ereigniß ſpäterer Jahr-
hunderte vorweg zu nehmen) an den Südhängen der Zauche-
Hügel hin, entſtanden Weinberge über Weinberge, ſo daß
Deutſchland damals, zu den Zeiten des großen Kurfürſten, des
Vorzuges genoß, einen doppelten Saarwein zu produciren, den
einen bei Trier, den andern bei Saarmund. Tempi passati.
Einen ſichreren Gewinn, auch für den unverwöhnten Geſchmack
jener Zeiten, bot wohl die Saare ſelbſt, deren Krebſe die alten

*) Alle vier Nutheburgen gingen in veränderter Geſtalt (in
der ſie allerdings, mit Ausnahme einer, auch nicht mehr exiſtiren) in
ſpätere Jahrhunderte über. Doch waren dies eben in Zweck wie Er-
ſcheinung, die alten Nutheburgen nicht mehr. Sie modelten ſich, ſie
wurden andere, und aus den markgräflichen Voigteien, die eine allge-
meine politiſche Bedeutung, wenn man ſo will, eine Miſſion gehabt
hatten, wurden Landes- und Ritterburgen, wie andere mehr. Ueber
ſie berichten wir an anderer Stelle. Der Umſtand, daß die Nuthe ein
natürliches Defilee von Sachſen nach der Mark war, lieh auch in die-
ſen ſpäteren Zeiten noch, in denen der Coloniſationskampf längſt aus-
gelärmt hatte, dem ganzen Flußthale eine gewiſſe „importance,“ aber
mit Ausnahme verhältnißmäßig neuer Zeit (1813) ſcheint man die Be-
deutung deſſelben doch nie ernſthaft betont zu haben.
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[365/0383] Namen. Es waren die Burgen zu Potsdam und Trebbin (als Flügelpunkte); im Centrum Beuthen und Saarmund. *) Saarmund, dem wir uns jetzt zuwenden, unter den ge- nannten 4 Burgen vielleicht die verſchollenſte, genoß dafür den Vorzug eines poetiſchen Namens. Daß er an dieſer Stelle überhaupt entſtehen konnte, erwuchs aus einer Großthat, einem Opfer. Die Nuthe brachte es. Arm aber edel, und vielleicht das ſtädtiſche Idyll vorahnend, das hier einſtens aus dem Wie- ſengrunde aufblühen werde, zweigte ſie ſchon in älteſten Zeiten einen Waſſerſtreifen von ſich ab und wohl wiſſend (vielleicht aus eigner ſchmerzlicher Erfahrung), was eines Namens Wohl- klang bedeutet, gab ſie dem abgezweigten Arm den Namen Saare mit auf den Lebensweg. Und ſiehe da, die innere Stimme hatte nicht getrogen. Da, wo ins alte Nuthebett die kaum geborene Saare wieder einmündet, erwuchs Saarmund. Im Rücken der Stadt aber (um ein Ereigniß ſpäterer Jahr- hunderte vorweg zu nehmen) an den Südhängen der Zauche- Hügel hin, entſtanden Weinberge über Weinberge, ſo daß Deutſchland damals, zu den Zeiten des großen Kurfürſten, des Vorzuges genoß, einen doppelten Saarwein zu produciren, den einen bei Trier, den andern bei Saarmund. Tempi passati. Einen ſichreren Gewinn, auch für den unverwöhnten Geſchmack jener Zeiten, bot wohl die Saare ſelbſt, deren Krebſe die alten *) Alle vier Nutheburgen gingen in veränderter Geſtalt (in der ſie allerdings, mit Ausnahme einer, auch nicht mehr exiſtiren) in ſpätere Jahrhunderte über. Doch waren dies eben in Zweck wie Er- ſcheinung, die alten Nutheburgen nicht mehr. Sie modelten ſich, ſie wurden andere, und aus den markgräflichen Voigteien, die eine allge- meine politiſche Bedeutung, wenn man ſo will, eine Miſſion gehabt hatten, wurden Landes- und Ritterburgen, wie andere mehr. Ueber ſie berichten wir an anderer Stelle. Der Umſtand, daß die Nuthe ein natürliches Defilee von Sachſen nach der Mark war, lieh auch in die- ſen ſpäteren Zeiten noch, in denen der Coloniſationskampf längſt aus- gelärmt hatte, dem ganzen Flußthale eine gewiſſe „importance,“ aber mit Ausnahme verhältnißmäßig neuer Zeit (1813) ſcheint man die Be- deutung deſſelben doch nie ernſthaft betont zu haben.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/383>, abgerufen am 28.03.2024.