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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Der König bezog Wohnung im Berliner Schloß und ver-
blieb daselbst bis zum Sommer 1814. Um diese Zeit wurde
ihm die preußische Hauptstadt unbequem; das "Berliner Volk"
zeigte sich wenig respectvoll; die Tage von Großbeeren und
Dennewitz stimmten es zum Groll und die altfränkische Art
des sächsischen Hofes zum Spott. Beidem wünschte er zu ent-
gehen. Er suchte daher nach, Schloß Friedrichsfelde,
das dem russischen Fürsten Bariatinski gehörig war (selbst-
verständlich gegen eine Mieths- oder Entschädigungssumme an
den Fürsten) beziehen zu dürfen.

Dies wurde gewährt.

Am 26. Juli 1814 erfolgte der Umzug, wobei 1 Unter-
offizier und 10 Mann preußischer Garde als Ehrenwache dien-
ten. Diese blieben in Friedrichsfelde und wurden aus der säch-
sischen Hofküche beköstigt. Bis zum 24. März 1814 hatten
Berliner Bürgergardisten die Wache beim Könige gehabt.

In den "Denkwürdigkeiten aus dem kriegeri-
schen und politischen Leben eines alten Offiziers
"
(Dresden und Leipzig 1848) wird erzählt, der König Friedrich
August habe von Friedrichsfelde aus fliehen wollen, sei
aber eingeholt und zurückgebracht worden. Diese Mittheilung
ist mindestens unwahrscheinlich. An Ort und Stelle wird nichts
derart berichtet.

Der König, während seines Friedrichsfelder Aufenthaltes,
empfing viele Besuche und Deputationen aus seinem Lande,
darunter den jungen Grafen Hohenthal, den Baron v. Hou-
wald (Vater des Dichters) und eine Deputation des Freiberger
Bergbaues.

Unter den Personen von Rang, die ihn dauernd um-
gaben, haben wir in erster Reihe Generalmajor v. Watzdorf zu
nennen; doch war derselbe oft monatelang auf Special-Mis-
sionen (z. B. in London) abwesend. Am 13. October 1814
trat Generallieutenant Sahrer v. Sahr an Watzdorfs Stelle
und blieb beim Könige, bis dieser Friedrichsfelde verließ. Es

Der König bezog Wohnung im Berliner Schloß und ver-
blieb daſelbſt bis zum Sommer 1814. Um dieſe Zeit wurde
ihm die preußiſche Hauptſtadt unbequem; das „Berliner Volk“
zeigte ſich wenig reſpectvoll; die Tage von Großbeeren und
Dennewitz ſtimmten es zum Groll und die altfränkiſche Art
des ſächſiſchen Hofes zum Spott. Beidem wünſchte er zu ent-
gehen. Er ſuchte daher nach, Schloß Friedrichsfelde,
das dem ruſſiſchen Fürſten Bariatinski gehörig war (ſelbſt-
verſtändlich gegen eine Mieths- oder Entſchädigungsſumme an
den Fürſten) beziehen zu dürfen.

Dies wurde gewährt.

Am 26. Juli 1814 erfolgte der Umzug, wobei 1 Unter-
offizier und 10 Mann preußiſcher Garde als Ehrenwache dien-
ten. Dieſe blieben in Friedrichsfelde und wurden aus der ſäch-
ſiſchen Hofküche beköſtigt. Bis zum 24. März 1814 hatten
Berliner Bürgergardiſten die Wache beim Könige gehabt.

In den „Denkwürdigkeiten aus dem kriegeri-
ſchen und politiſchen Leben eines alten Offiziers

(Dresden und Leipzig 1848) wird erzählt, der König Friedrich
Auguſt habe von Friedrichsfelde aus fliehen wollen, ſei
aber eingeholt und zurückgebracht worden. Dieſe Mittheilung
iſt mindeſtens unwahrſcheinlich. An Ort und Stelle wird nichts
derart berichtet.

Der König, während ſeines Friedrichsfelder Aufenthaltes,
empfing viele Beſuche und Deputationen aus ſeinem Lande,
darunter den jungen Grafen Hohenthal, den Baron v. Hou-
wald (Vater des Dichters) und eine Deputation des Freiberger
Bergbaues.

Unter den Perſonen von Rang, die ihn dauernd um-
gaben, haben wir in erſter Reihe Generalmajor v. Watzdorf zu
nennen; doch war derſelbe oft monatelang auf Special-Miſ-
ſionen (z. B. in London) abweſend. Am 13. October 1814
trat Generallieutenant Sahrer v. Sahr an Watzdorfs Stelle
und blieb beim Könige, bis dieſer Friedrichsfelde verließ. Es

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[416/0434] Der König bezog Wohnung im Berliner Schloß und ver- blieb daſelbſt bis zum Sommer 1814. Um dieſe Zeit wurde ihm die preußiſche Hauptſtadt unbequem; das „Berliner Volk“ zeigte ſich wenig reſpectvoll; die Tage von Großbeeren und Dennewitz ſtimmten es zum Groll und die altfränkiſche Art des ſächſiſchen Hofes zum Spott. Beidem wünſchte er zu ent- gehen. Er ſuchte daher nach, Schloß Friedrichsfelde, das dem ruſſiſchen Fürſten Bariatinski gehörig war (ſelbſt- verſtändlich gegen eine Mieths- oder Entſchädigungsſumme an den Fürſten) beziehen zu dürfen. Dies wurde gewährt. Am 26. Juli 1814 erfolgte der Umzug, wobei 1 Unter- offizier und 10 Mann preußiſcher Garde als Ehrenwache dien- ten. Dieſe blieben in Friedrichsfelde und wurden aus der ſäch- ſiſchen Hofküche beköſtigt. Bis zum 24. März 1814 hatten Berliner Bürgergardiſten die Wache beim Könige gehabt. In den „Denkwürdigkeiten aus dem kriegeri- ſchen und politiſchen Leben eines alten Offiziers“ (Dresden und Leipzig 1848) wird erzählt, der König Friedrich Auguſt habe von Friedrichsfelde aus fliehen wollen, ſei aber eingeholt und zurückgebracht worden. Dieſe Mittheilung iſt mindeſtens unwahrſcheinlich. An Ort und Stelle wird nichts derart berichtet. Der König, während ſeines Friedrichsfelder Aufenthaltes, empfing viele Beſuche und Deputationen aus ſeinem Lande, darunter den jungen Grafen Hohenthal, den Baron v. Hou- wald (Vater des Dichters) und eine Deputation des Freiberger Bergbaues. Unter den Perſonen von Rang, die ihn dauernd um- gaben, haben wir in erſter Reihe Generalmajor v. Watzdorf zu nennen; doch war derſelbe oft monatelang auf Special-Miſ- ſionen (z. B. in London) abweſend. Am 13. October 1814 trat Generallieutenant Sahrer v. Sahr an Watzdorfs Stelle und blieb beim Könige, bis dieſer Friedrichsfelde verließ. Es

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/434>, abgerufen am 28.03.2024.