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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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dieser Albrecht der Bär war just dazu angethan, diese Mittel
ausfindig zu machen und das früher durch Schwäche und
Unklugheit Gescheiterte, durch Muth und Ausdauer endgültig
siegreich hinauszuführen. Es ist bekannt, daß er, nach Plan
und System, die Colonisirung des Landes begann; zu den
Kirchen und Burgen aber, die schon einmal die Bekehrung
und Beherrschung des Landes versucht hatten, gesellte er, als
ein neues, drittes, die Vereinigung von Burg und
Kirche
-- die Klöster. Mönche wurden in's Land gerufen,
vor allem die Cistercienser, ein Orden, der eben damals auf
seinem europäischen Siegeszuge bis an die Saale und Unstrut
vorgedrungen war.

Da diesem überall hin pionirenden Orden die Aufgabe
zufiel, auch namentlich für die Cultur und geistige Eroberung
der Mark von hervorragender Bedeutung zu werden, so mag
es gestattet sein, bei seiner Entstehungs- und Entwickelungs-
geschichte einen Augenblick zu verweilen und das Fortschreiten
desselben auf seinen großen Etappen von West nach Ost zu
begleiten.

Die ersten Klöster, die zumal in Süd- und West-Europa
in's Leben gerufen wurden, waren Benediktiner-Klöster,
d. h. Klöster, in denen die Regeln des heiligen Benedikt:
Gehorsam, Armuth, Keuschheit, die Fundamentalsätze alles
Klosterlebens, Geltung hatten. Die Benediktiner übten diese
Tugenden Jahrhunderte lang, aber jene Epoche, die den Kreuz-
zügen unmittelbar vorausging, war eine Epoche des kirchlichen,
mindestens des klösterlichen Verfalls, ganz in ähnlicher Weise,
wie derselbe fünf Jahrhunderte später zum zweiten Mal in die
Geschichte eintrat, und "sittliche Reform," worauf zunächst die
Reformation gerichtet war, war eine Parole, die, wie vielfach
während des Lebens der Kirche, so auch um die Zeit der ersten
Kreuzzüge gehört wurde.

Dies Ringen nach Reform, nach Wiederherstellung jener
Kloster-Heiligung, wie sie die ersten Klöster gekannt hatten,
gab Veranlassung zur Gründung eines neuen Ordens. Dieser

dieſer Albrecht der Bär war juſt dazu angethan, dieſe Mittel
ausfindig zu machen und das früher durch Schwäche und
Unklugheit Geſcheiterte, durch Muth und Ausdauer endgültig
ſiegreich hinauszuführen. Es iſt bekannt, daß er, nach Plan
und Syſtem, die Coloniſirung des Landes begann; zu den
Kirchen und Burgen aber, die ſchon einmal die Bekehrung
und Beherrſchung des Landes verſucht hatten, geſellte er, als
ein neues, drittes, die Vereinigung von Burg und
Kirche
— die Klöſter. Mönche wurden in’s Land gerufen,
vor allem die Ciſtercienſer, ein Orden, der eben damals auf
ſeinem europäiſchen Siegeszuge bis an die Saale und Unſtrut
vorgedrungen war.

Da dieſem überall hin pionirenden Orden die Aufgabe
zufiel, auch namentlich für die Cultur und geiſtige Eroberung
der Mark von hervorragender Bedeutung zu werden, ſo mag
es geſtattet ſein, bei ſeiner Entſtehungs- und Entwickelungs-
geſchichte einen Augenblick zu verweilen und das Fortſchreiten
deſſelben auf ſeinen großen Etappen von Weſt nach Oſt zu
begleiten.

Die erſten Klöſter, die zumal in Süd- und Weſt-Europa
in’s Leben gerufen wurden, waren Benediktiner-Klöſter,
d. h. Klöſter, in denen die Regeln des heiligen Benedikt:
Gehorſam, Armuth, Keuſchheit, die Fundamentalſätze alles
Kloſterlebens, Geltung hatten. Die Benediktiner übten dieſe
Tugenden Jahrhunderte lang, aber jene Epoche, die den Kreuz-
zügen unmittelbar vorausging, war eine Epoche des kirchlichen,
mindeſtens des klöſterlichen Verfalls, ganz in ähnlicher Weiſe,
wie derſelbe fünf Jahrhunderte ſpäter zum zweiten Mal in die
Geſchichte eintrat, und „ſittliche Reform,“ worauf zunächſt die
Reformation gerichtet war, war eine Parole, die, wie vielfach
während des Lebens der Kirche, ſo auch um die Zeit der erſten
Kreuzzüge gehört wurde.

Dies Ringen nach Reform, nach Wiederherſtellung jener
Kloſter-Heiligung, wie ſie die erſten Klöſter gekannt hatten,
gab Veranlaſſung zur Gründung eines neuen Ordens. Dieſer

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[66/0084] dieſer Albrecht der Bär war juſt dazu angethan, dieſe Mittel ausfindig zu machen und das früher durch Schwäche und Unklugheit Geſcheiterte, durch Muth und Ausdauer endgültig ſiegreich hinauszuführen. Es iſt bekannt, daß er, nach Plan und Syſtem, die Coloniſirung des Landes begann; zu den Kirchen und Burgen aber, die ſchon einmal die Bekehrung und Beherrſchung des Landes verſucht hatten, geſellte er, als ein neues, drittes, die Vereinigung von Burg und Kirche — die Klöſter. Mönche wurden in’s Land gerufen, vor allem die Ciſtercienſer, ein Orden, der eben damals auf ſeinem europäiſchen Siegeszuge bis an die Saale und Unſtrut vorgedrungen war. Da dieſem überall hin pionirenden Orden die Aufgabe zufiel, auch namentlich für die Cultur und geiſtige Eroberung der Mark von hervorragender Bedeutung zu werden, ſo mag es geſtattet ſein, bei ſeiner Entſtehungs- und Entwickelungs- geſchichte einen Augenblick zu verweilen und das Fortſchreiten deſſelben auf ſeinen großen Etappen von Weſt nach Oſt zu begleiten. Die erſten Klöſter, die zumal in Süd- und Weſt-Europa in’s Leben gerufen wurden, waren Benediktiner-Klöſter, d. h. Klöſter, in denen die Regeln des heiligen Benedikt: Gehorſam, Armuth, Keuſchheit, die Fundamentalſätze alles Kloſterlebens, Geltung hatten. Die Benediktiner übten dieſe Tugenden Jahrhunderte lang, aber jene Epoche, die den Kreuz- zügen unmittelbar vorausging, war eine Epoche des kirchlichen, mindeſtens des klöſterlichen Verfalls, ganz in ähnlicher Weiſe, wie derſelbe fünf Jahrhunderte ſpäter zum zweiten Mal in die Geſchichte eintrat, und „ſittliche Reform,“ worauf zunächſt die Reformation gerichtet war, war eine Parole, die, wie vielfach während des Lebens der Kirche, ſo auch um die Zeit der erſten Kreuzzüge gehört wurde. Dies Ringen nach Reform, nach Wiederherſtellung jener Kloſter-Heiligung, wie ſie die erſten Klöſter gekannt hatten, gab Veranlaſſung zur Gründung eines neuen Ordens. Dieſer

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/84>, abgerufen am 19.04.2024.