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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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mag hier eine Stelle finden. Es existirten zwei Bilder von ihr,
die der Düsseldorfer Professor Hildebrandt in den Tagen seiner
und ihrer Jugend gemalt hatte. Das eine dieser Bilder besaß sie
selbst, das andere war eine Copie, die sich ihr Bruder, Graf Leo,
bei demselben Maler bestellt hatte. Auch dies zweite Bild kam
in ihren Besitz, als sie, nach dem Tod ihrer Schwägerin, der
Gräfin Emilie von Schlabrendorf, die Groebner Erbschaft ange-
treten. Aber davon ausgehend, daß ihr Andenken und Gedächtniß
in keinem Herzen, ihre Siethner Gemeinde vielleicht ausgenommen,
liebevoll fortleben werde, war es ihr widerwärtig, ihre Bilder in
die Hände fremder und gleichgültiger Menschen übergehen zu
sehen. Und so ließ sie denn im Sommer 66, in demselben Som-
mer der ihrem Tode vorausging, beide Bilder wohlverpackt in eine
Gondel bringen, stieg selbst hinein, fuhr mitten auf den Groebner
See hinauf und versenkte sie daselbst. Mit den Bildern zugleich
allerhand Briefschaften und Erinnerungen aus ihrer Jugendzeit."

Auf dem Siethner Kirchhofe ruht sie neben der ihr voraufge-
gangenen Tochter, und die Schöpfungen beider umstehen ihr Grab.
An den Schluß ihrer Lebensschilderung aber stell' ich folgende
Worte: "Zu dem seltenen Glück einer harmonischen Ueberein-
stimmung in Lebensauffassung, häuslichem Verkehr und Freundes-
umgang gesellte sich hier als seltenste der Gnaden eine jeden Tag
neu gesegnete Thätigkeit, eine Wirkungssphäre, wie sie sich
einer stillen und hingebenden Liebe zwar nicht ohne Müh und
Arbeit, aber doch ihrer ganzen Natur nach fast wie von selber
erschloß."


III.
Groeben und Siethen jetzt.

Herr Carl v. Jagow, Erbjägermeister der Kurmark, hatte,
wie hervorgehoben, Groeben und Siethen im Herbst 1859 er-
worben. Er blieb aber persönlich auf seiner vätertichen Besitzung
Rühstaedt bei Wilsnack in der Priegnitz und übertrug die Ver-
waltung der beiden Teltow-Güter einem ausgezeichneten Land-
wirthe, der denn auch ohne Verzug allerlei Verbesserungen ein-

mag hier eine Stelle finden. Es exiſtirten zwei Bilder von ihr,
die der Düſſeldorfer Profeſſor Hildebrandt in den Tagen ſeiner
und ihrer Jugend gemalt hatte. Das eine dieſer Bilder beſaß ſie
ſelbſt, das andere war eine Copie, die ſich ihr Bruder, Graf Leo,
bei demſelben Maler beſtellt hatte. Auch dies zweite Bild kam
in ihren Beſitz, als ſie, nach dem Tod ihrer Schwägerin, der
Gräfin Emilie von Schlabrendorf, die Groebner Erbſchaft ange-
treten. Aber davon ausgehend, daß ihr Andenken und Gedächtniß
in keinem Herzen, ihre Siethner Gemeinde vielleicht ausgenommen,
liebevoll fortleben werde, war es ihr widerwärtig, ihre Bilder in
die Hände fremder und gleichgültiger Menſchen übergehen zu
ſehen. Und ſo ließ ſie denn im Sommer 66, in demſelben Som-
mer der ihrem Tode vorausging, beide Bilder wohlverpackt in eine
Gondel bringen, ſtieg ſelbſt hinein, fuhr mitten auf den Groebner
See hinauf und verſenkte ſie daſelbſt. Mit den Bildern zugleich
allerhand Briefſchaften und Erinnerungen aus ihrer Jugendzeit.“

Auf dem Siethner Kirchhofe ruht ſie neben der ihr voraufge-
gangenen Tochter, und die Schöpfungen beider umſtehen ihr Grab.
An den Schluß ihrer Lebensſchilderung aber ſtell’ ich folgende
Worte: „Zu dem ſeltenen Glück einer harmoniſchen Ueberein-
ſtimmung in Lebensauffaſſung, häuslichem Verkehr und Freundes-
umgang geſellte ſich hier als ſeltenſte der Gnaden eine jeden Tag
neu geſegnete Thätigkeit, eine Wirkungsſphäre, wie ſie ſich
einer ſtillen und hingebenden Liebe zwar nicht ohne Müh und
Arbeit, aber doch ihrer ganzen Natur nach faſt wie von ſelber
erſchloß.“


III.
Groeben und Siethen jetzt.

Herr Carl v. Jagow, Erbjägermeiſter der Kurmark, hatte,
wie hervorgehoben, Groeben und Siethen im Herbſt 1859 er-
worben. Er blieb aber perſönlich auf ſeiner vätertichen Beſitzung
Rühſtaedt bei Wilsnack in der Priegnitz und übertrug die Ver-
waltung der beiden Teltow-Güter einem ausgezeichneten Land-
wirthe, der denn auch ohne Verzug allerlei Verbeſſerungen ein-

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[396/0412] mag hier eine Stelle finden. Es exiſtirten zwei Bilder von ihr, die der Düſſeldorfer Profeſſor Hildebrandt in den Tagen ſeiner und ihrer Jugend gemalt hatte. Das eine dieſer Bilder beſaß ſie ſelbſt, das andere war eine Copie, die ſich ihr Bruder, Graf Leo, bei demſelben Maler beſtellt hatte. Auch dies zweite Bild kam in ihren Beſitz, als ſie, nach dem Tod ihrer Schwägerin, der Gräfin Emilie von Schlabrendorf, die Groebner Erbſchaft ange- treten. Aber davon ausgehend, daß ihr Andenken und Gedächtniß in keinem Herzen, ihre Siethner Gemeinde vielleicht ausgenommen, liebevoll fortleben werde, war es ihr widerwärtig, ihre Bilder in die Hände fremder und gleichgültiger Menſchen übergehen zu ſehen. Und ſo ließ ſie denn im Sommer 66, in demſelben Som- mer der ihrem Tode vorausging, beide Bilder wohlverpackt in eine Gondel bringen, ſtieg ſelbſt hinein, fuhr mitten auf den Groebner See hinauf und verſenkte ſie daſelbſt. Mit den Bildern zugleich allerhand Briefſchaften und Erinnerungen aus ihrer Jugendzeit.“ Auf dem Siethner Kirchhofe ruht ſie neben der ihr voraufge- gangenen Tochter, und die Schöpfungen beider umſtehen ihr Grab. An den Schluß ihrer Lebensſchilderung aber ſtell’ ich folgende Worte: „Zu dem ſeltenen Glück einer harmoniſchen Ueberein- ſtimmung in Lebensauffaſſung, häuslichem Verkehr und Freundes- umgang geſellte ſich hier als ſeltenſte der Gnaden eine jeden Tag neu geſegnete Thätigkeit, eine Wirkungsſphäre, wie ſie ſich einer ſtillen und hingebenden Liebe zwar nicht ohne Müh und Arbeit, aber doch ihrer ganzen Natur nach faſt wie von ſelber erſchloß.“ III. Groeben und Siethen jetzt. Herr Carl v. Jagow, Erbjägermeiſter der Kurmark, hatte, wie hervorgehoben, Groeben und Siethen im Herbſt 1859 er- worben. Er blieb aber perſönlich auf ſeiner vätertichen Beſitzung Rühſtaedt bei Wilsnack in der Priegnitz und übertrug die Ver- waltung der beiden Teltow-Güter einem ausgezeichneten Land- wirthe, der denn auch ohne Verzug allerlei Verbeſſerungen ein-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/412>, abgerufen am 24.04.2024.