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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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leitete. Diese waren in der That nöthig geworden, da, seit dem
Tode Graf Leo's alles zurückgegangen oder doch ins Stocken ge-
rathen war. Das Interesse der Frauen drehte sich eben um an-
dere Fragen als landwirthschaftliche. Mit Wiesen-Culturen und
Bruch-Entwässerungen, an die sich bald auch eine lohnendere Be-
handlung der Forstreviere schloß, wurde begonnen und in rascher
Reihenfolge folgten Wirthschaftsgebäude, Tagelöhner-Häuser und
Etablissements aller Art. Auch eine neue Brennerei ward als
unerläßlich hergerichtet, da das, was sich aus alter Zeit her noch
so nannte, kaum noch diesen Namen verdiente.

Zugleich aber war der Wunsch des Herrn v. Jagow, eines Be-
sitzes wieder los und ledig zu sein, der viel Anforderungen und wenig
Erträge mit sich brachte, von Jahr zu Jahr gewachsen, und er
verkaufte deshalb beide Güter im Jahre 79 für die Summe von
180,000 Thalern an den Engros-Kaufmann Badewitz in Berlin.
Seitens dieses Letzteren ist, der kurzen Spanne Zeit unerachtet,
bereits viel geschehen und (um nur eines zu nennen) ein geschmack-
volles und modernen Ansprüchen mehr entsprechendes Herrenhaus
in Siethen errichtet worden.


Groeben jetzt.

Groeben gilt bei seinen Bewohnern und fast mehr noch bei
seinen Sommerbesuchern als ein sehr hübsches Dorf. Ich
kann aber dieser Auffassung, wenn es sich um mehr als seine
bloße Lage handelt, nur bedingungsweise zustimmen. Groeben
hat ein märkisches Durchschnitts-Ansehen, ist ein Dorf wie andre
mehr, und alles was als bemerkenswerth hübsch in seiner Erschei-
nung gelten kann, ist seine von einem hohen Fliedergebüsch, darin
die Nachtigallen schlagen, umzirkte Kirche.

Diese Kirche wurde gegen Schluß des 13. Jahrhunderts er-
baut, und zwar aus Feldstein, wie die meisten unserer Dorfkirchen
aus jener Epoche. Wie viele Wandlungen dieselbe während einer
vielhundertjährigen Zeit erfahren hat, ist schwer festzustellen, und
ich beschränke mich auf Hervorhebung der zuletzt erfolgten. Es
war dies ein vollständiger Um- und Neubau, der in den fünf-

leitete. Dieſe waren in der That nöthig geworden, da, ſeit dem
Tode Graf Leo’s alles zurückgegangen oder doch ins Stocken ge-
rathen war. Das Intereſſe der Frauen drehte ſich eben um an-
dere Fragen als landwirthſchaftliche. Mit Wieſen-Culturen und
Bruch-Entwäſſerungen, an die ſich bald auch eine lohnendere Be-
handlung der Forſtreviere ſchloß, wurde begonnen und in raſcher
Reihenfolge folgten Wirthſchaftsgebäude, Tagelöhner-Häuſer und
Etabliſſements aller Art. Auch eine neue Brennerei ward als
unerläßlich hergerichtet, da das, was ſich aus alter Zeit her noch
ſo nannte, kaum noch dieſen Namen verdiente.

Zugleich aber war der Wunſch des Herrn v. Jagow, eines Be-
ſitzes wieder los und ledig zu ſein, der viel Anforderungen und wenig
Erträge mit ſich brachte, von Jahr zu Jahr gewachſen, und er
verkaufte deshalb beide Güter im Jahre 79 für die Summe von
180,000 Thalern an den Engros-Kaufmann Badewitz in Berlin.
Seitens dieſes Letzteren iſt, der kurzen Spanne Zeit unerachtet,
bereits viel geſchehen und (um nur eines zu nennen) ein geſchmack-
volles und modernen Anſprüchen mehr entſprechendes Herrenhaus
in Siethen errichtet worden.


Groeben jetzt.

Groeben gilt bei ſeinen Bewohnern und faſt mehr noch bei
ſeinen Sommerbeſuchern als ein ſehr hübſches Dorf. Ich
kann aber dieſer Auffaſſung, wenn es ſich um mehr als ſeine
bloße Lage handelt, nur bedingungsweiſe zuſtimmen. Groeben
hat ein märkiſches Durchſchnitts-Anſehen, iſt ein Dorf wie andre
mehr, und alles was als bemerkenswerth hübſch in ſeiner Erſchei-
nung gelten kann, iſt ſeine von einem hohen Fliedergebüſch, darin
die Nachtigallen ſchlagen, umzirkte Kirche.

Dieſe Kirche wurde gegen Schluß des 13. Jahrhunderts er-
baut, und zwar aus Feldſtein, wie die meiſten unſerer Dorfkirchen
aus jener Epoche. Wie viele Wandlungen dieſelbe während einer
vielhundertjährigen Zeit erfahren hat, iſt ſchwer feſtzuſtellen, und
ich beſchränke mich auf Hervorhebung der zuletzt erfolgten. Es
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[397/0413] leitete. Dieſe waren in der That nöthig geworden, da, ſeit dem Tode Graf Leo’s alles zurückgegangen oder doch ins Stocken ge- rathen war. Das Intereſſe der Frauen drehte ſich eben um an- dere Fragen als landwirthſchaftliche. Mit Wieſen-Culturen und Bruch-Entwäſſerungen, an die ſich bald auch eine lohnendere Be- handlung der Forſtreviere ſchloß, wurde begonnen und in raſcher Reihenfolge folgten Wirthſchaftsgebäude, Tagelöhner-Häuſer und Etabliſſements aller Art. Auch eine neue Brennerei ward als unerläßlich hergerichtet, da das, was ſich aus alter Zeit her noch ſo nannte, kaum noch dieſen Namen verdiente. Zugleich aber war der Wunſch des Herrn v. Jagow, eines Be- ſitzes wieder los und ledig zu ſein, der viel Anforderungen und wenig Erträge mit ſich brachte, von Jahr zu Jahr gewachſen, und er verkaufte deshalb beide Güter im Jahre 79 für die Summe von 180,000 Thalern an den Engros-Kaufmann Badewitz in Berlin. Seitens dieſes Letzteren iſt, der kurzen Spanne Zeit unerachtet, bereits viel geſchehen und (um nur eines zu nennen) ein geſchmack- volles und modernen Anſprüchen mehr entſprechendes Herrenhaus in Siethen errichtet worden. Groeben jetzt. Groeben gilt bei ſeinen Bewohnern und faſt mehr noch bei ſeinen Sommerbeſuchern als ein ſehr hübſches Dorf. Ich kann aber dieſer Auffaſſung, wenn es ſich um mehr als ſeine bloße Lage handelt, nur bedingungsweiſe zuſtimmen. Groeben hat ein märkiſches Durchſchnitts-Anſehen, iſt ein Dorf wie andre mehr, und alles was als bemerkenswerth hübſch in ſeiner Erſchei- nung gelten kann, iſt ſeine von einem hohen Fliedergebüſch, darin die Nachtigallen ſchlagen, umzirkte Kirche. Dieſe Kirche wurde gegen Schluß des 13. Jahrhunderts er- baut, und zwar aus Feldſtein, wie die meiſten unſerer Dorfkirchen aus jener Epoche. Wie viele Wandlungen dieſelbe während einer vielhundertjährigen Zeit erfahren hat, iſt ſchwer feſtzuſtellen, und ich beſchränke mich auf Hervorhebung der zuletzt erfolgten. Es war dies ein vollſtändiger Um- und Neubau, der in den fünf-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/413>, abgerufen am 19.04.2024.