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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Blankensee.
Da sagte die Mark: Eh bien, wohlan,
Ich kann dasselbe wie Canaan,
Und will sich's seiner Sarah berühmen,
So hab' ich meine Frau von Thümen.

Eine halbe Stunde südlich von Saarmund, immer am Ufer der
Nuthe hin, fahren wir in einen schmalen, spitz auslaufenden
Landestheil ein, den wir am besten als den "Thümenschen Winkel"
bezeichnen. Dieser Thümensche Winkel, in Zeiten, die nicht allzu-
fern zurückliegen, hatte eine gewisse politische Bedeutung, denn er
war sächsisches Land, das sich an dieser Stelle weit ins Branden-
burgische hineinschob, so weit, daß die Entfernung bis Potsdam
nicht voll zwei Meilen betrug. Das war denn, wie sich denken
läßt, in den Tagen Friedrich Wilhelms I. eine Sache von "Im-
portance," jeder Deserteur wußte davon, und so unbequem der
Thümensche Winkel für den König lag, so bequem lag er für den
Flüchtling.

Von dieser "Importance" ist dem Thümenschen Winkel
begreiflicherweise nichts geblieben und er muß sich jetzt wieder mit
dem begnügen, was er sonst noch aufzuweisen hat, meist Dinge,
die viel weiter in unsere Geschichte zurückgehen, als die "großen
Blauen" von Potsdam.

Die Residenz dieses Fleckchens Erde heißt Blankensee.
Hier haben die Thümens ihr Herrenhaus, hier ihre Kirche, ihre
Gruft. Auch an Sagen fehlt es nicht, in denen irgend ein Vor-

Blankenſee.
Da ſagte die Mark: Eh bien, wohlan,
Ich kann daſſelbe wie Canaan,
Und will ſich’s ſeiner Sarah berühmen,
So hab’ ich meine Frau von Thümen.

Eine halbe Stunde ſüdlich von Saarmund, immer am Ufer der
Nuthe hin, fahren wir in einen ſchmalen, ſpitz auslaufenden
Landestheil ein, den wir am beſten als den „Thümenſchen Winkel“
bezeichnen. Dieſer Thümenſche Winkel, in Zeiten, die nicht allzu-
fern zurückliegen, hatte eine gewiſſe politiſche Bedeutung, denn er
war ſächſiſches Land, das ſich an dieſer Stelle weit ins Branden-
burgiſche hineinſchob, ſo weit, daß die Entfernung bis Potsdam
nicht voll zwei Meilen betrug. Das war denn, wie ſich denken
läßt, in den Tagen Friedrich Wilhelms I. eine Sache von „Im-
portance,“ jeder Deſerteur wußte davon, und ſo unbequem der
Thümenſche Winkel für den König lag, ſo bequem lag er für den
Flüchtling.

Von dieſer „Importance“ iſt dem Thümenſchen Winkel
begreiflicherweiſe nichts geblieben und er muß ſich jetzt wieder mit
dem begnügen, was er ſonſt noch aufzuweiſen hat, meiſt Dinge,
die viel weiter in unſere Geſchichte zurückgehen, als die „großen
Blauen“ von Potsdam.

Die Reſidenz dieſes Fleckchens Erde heißt Blankenſee.
Hier haben die Thümens ihr Herrenhaus, hier ihre Kirche, ihre
Gruft. Auch an Sagen fehlt es nicht, in denen irgend ein Vor-

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[[423]/0439] Blankenſee. Da ſagte die Mark: Eh bien, wohlan, Ich kann daſſelbe wie Canaan, Und will ſich’s ſeiner Sarah berühmen, So hab’ ich meine Frau von Thümen. Eine halbe Stunde ſüdlich von Saarmund, immer am Ufer der Nuthe hin, fahren wir in einen ſchmalen, ſpitz auslaufenden Landestheil ein, den wir am beſten als den „Thümenſchen Winkel“ bezeichnen. Dieſer Thümenſche Winkel, in Zeiten, die nicht allzu- fern zurückliegen, hatte eine gewiſſe politiſche Bedeutung, denn er war ſächſiſches Land, das ſich an dieſer Stelle weit ins Branden- burgiſche hineinſchob, ſo weit, daß die Entfernung bis Potsdam nicht voll zwei Meilen betrug. Das war denn, wie ſich denken läßt, in den Tagen Friedrich Wilhelms I. eine Sache von „Im- portance,“ jeder Deſerteur wußte davon, und ſo unbequem der Thümenſche Winkel für den König lag, ſo bequem lag er für den Flüchtling. Von dieſer „Importance“ iſt dem Thümenſchen Winkel begreiflicherweiſe nichts geblieben und er muß ſich jetzt wieder mit dem begnügen, was er ſonſt noch aufzuweiſen hat, meiſt Dinge, die viel weiter in unſere Geſchichte zurückgehen, als die „großen Blauen“ von Potsdam. Die Reſidenz dieſes Fleckchens Erde heißt Blankenſee. Hier haben die Thümens ihr Herrenhaus, hier ihre Kirche, ihre Gruft. Auch an Sagen fehlt es nicht, in denen irgend ein Vor-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. [423]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/439>, abgerufen am 28.03.2024.