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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Moll mischte sich hier in's Gespräch und entwickelte seine
Lieblings-Ideen über den Segen des Kapitals und den Unsegen
der Kapitalisten. Geld sei gut, das sei keine Frage, ja Geld sei
sogar sehr gut. Ohne Geld ging' es eben nicht. Aber die reichen
Leute, die blos reich wären und kein Herz und kein Gewissen
hätten und blos immer reicher werden wollten, die verdürben alles
und plünderten alles, und eh nicht ein richtiger Edelmann hier
wieder in's Pieskow'sche käm' ..."

"J wo," unterbrach ihn die Frau heftig und zog ihre Hände
von der Schürze weg. "J wo. Wat salln wi mit'n Edelmann?
Wat is Edelmann! In olle Tiden, na doa gung dat un doa wihr
dat nicht anners. Awers nu? Du mien Jott, de hebben joa alleen
nix. Un wenn se wat hebben, na denn hebben se wat, und denn
sinn se groad so, as de annern sinn, de wat hebben."

Moll wollte repliciren. Aber sie ließ ihn nicht dazu kommen
und sagte: "Nei, nei, loaten's man, wi weeten dat; t'is all dumm
Tüg; un man blot Geld hebben, is nich dumm Tüg. Un wenn
wi so wat Adligs herkreegen, wat ook man ümmer upp Mosess'n
passen deiht, na dat helpt uns nich. De schinn uns blot.
Glöwens man, ick weet dat .. Een von mine Schwistern is
dröwen ..."

"In Saarow?"

"J wo. Dröwen in Amirika. Doa verstoahn se't. Un
worümm? Wiehl se wat hebben. Un wo se wat hebben, doa
künn se ook wat. Und ick woll, ick wihr ook all doa. Joa, min
Seel. Un et kümmt ook noch so. Man blot, dat man ihrst
röwer wihr. Nei, nei, mit Pieskow is nich veel."

Und dabei steckte sie die Hände wieder unter die Schürze.


3.
Groß-Rietz.

Eine halbe Stunde später verabschiedeten wir uns und fuhren
aus dem unwirthlichen Pieskow, in dem nicht mal mehr ein Grab-

Fontane, Wanderungen. IV. 3

Moll miſchte ſich hier in’s Geſpräch und entwickelte ſeine
Lieblings-Ideen über den Segen des Kapitals und den Unſegen
der Kapitaliſten. Geld ſei gut, das ſei keine Frage, ja Geld ſei
ſogar ſehr gut. Ohne Geld ging’ es eben nicht. Aber die reichen
Leute, die blos reich wären und kein Herz und kein Gewiſſen
hätten und blos immer reicher werden wollten, die verdürben alles
und plünderten alles, und eh nicht ein richtiger Edelmann hier
wieder in’s Pieskow’ſche käm’ …“

„J wo,“ unterbrach ihn die Frau heftig und zog ihre Hände
von der Schürze weg. „J wo. Wat ſalln wi mit’n Edelmann?
Wat is Edelmann! In olle Tiden, na doa gung dat un doa wihr
dat nicht anners. Awers nu? Du mien Jott, de hebben joa alleen
nix. Un wenn ſe wat hebben, na denn hebben ſe wat, und denn
ſinn ſe groad ſo, as de annern ſinn, de wat hebben.“

Moll wollte repliciren. Aber ſie ließ ihn nicht dazu kommen
und ſagte: „Nei, nei, loaten’s man, wi weeten dat; t’is all dumm
Tüg; un man blot Geld hebben, is nich dumm Tüg. Un wenn
wi ſo wat Adligs herkreegen, wat ook man ümmer upp Moſeſſ’n
paſſen deiht, na dat helpt uns nich. De ſchinn uns blot.
Glöwens man, ick weet dat .. Een von mine Schwiſtern is
dröwen …“

„In Saarow?“

„J wo. Dröwen in Amirika. Doa verſtoahn ſe’t. Un
worümm? Wiehl ſe wat hebben. Un wo ſe wat hebben, doa
künn ſe ook wat. Und ick woll, ick wihr ook all doa. Joa, min
Seel. Un et kümmt ook noch ſo. Man blot, dat man ihrſt
röwer wihr. Nei, nei, mit Pieskow is nich veel.“

Und dabei ſteckte ſie die Hände wieder unter die Schürze.


3.
Groß-Rietz.

Eine halbe Stunde ſpäter verabſchiedeten wir uns und fuhren
aus dem unwirthlichen Pieskow, in dem nicht mal mehr ein Grab-

Fontane, Wanderungen. IV. 3
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[33/0049] Moll miſchte ſich hier in’s Geſpräch und entwickelte ſeine Lieblings-Ideen über den Segen des Kapitals und den Unſegen der Kapitaliſten. Geld ſei gut, das ſei keine Frage, ja Geld ſei ſogar ſehr gut. Ohne Geld ging’ es eben nicht. Aber die reichen Leute, die blos reich wären und kein Herz und kein Gewiſſen hätten und blos immer reicher werden wollten, die verdürben alles und plünderten alles, und eh nicht ein richtiger Edelmann hier wieder in’s Pieskow’ſche käm’ …“ „J wo,“ unterbrach ihn die Frau heftig und zog ihre Hände von der Schürze weg. „J wo. Wat ſalln wi mit’n Edelmann? Wat is Edelmann! In olle Tiden, na doa gung dat un doa wihr dat nicht anners. Awers nu? Du mien Jott, de hebben joa alleen nix. Un wenn ſe wat hebben, na denn hebben ſe wat, und denn ſinn ſe groad ſo, as de annern ſinn, de wat hebben.“ Moll wollte repliciren. Aber ſie ließ ihn nicht dazu kommen und ſagte: „Nei, nei, loaten’s man, wi weeten dat; t’is all dumm Tüg; un man blot Geld hebben, is nich dumm Tüg. Un wenn wi ſo wat Adligs herkreegen, wat ook man ümmer upp Moſeſſ’n paſſen deiht, na dat helpt uns nich. De ſchinn uns blot. Glöwens man, ick weet dat .. Een von mine Schwiſtern is dröwen …“ „In Saarow?“ „J wo. Dröwen in Amirika. Doa verſtoahn ſe’t. Un worümm? Wiehl ſe wat hebben. Un wo ſe wat hebben, doa künn ſe ook wat. Und ick woll, ick wihr ook all doa. Joa, min Seel. Un et kümmt ook noch ſo. Man blot, dat man ihrſt röwer wihr. Nei, nei, mit Pieskow is nich veel.“ Und dabei ſteckte ſie die Hände wieder unter die Schürze. 3. Groß-Rietz. Eine halbe Stunde ſpäter verabſchiedeten wir uns und fuhren aus dem unwirthlichen Pieskow, in dem nicht mal mehr ein Grab- Fontane, Wanderungen. IV. 3

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/49>, abgerufen am 25.04.2024.