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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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In den "Denkwürdigkeiten aus dem kriegerischen
und politischen Leben eines alten Offiziers
" wird erzählt,
der König Friedrich August habe von Friedrichsfelde aus fliehen
wollen, sei aber eingeholt und zurückgebracht worden. Diese Mit-
theilung ist mindestens unwahrscheinlich. An Ort und Stelle wird
nichts derart berichtet.

Der König, während seines Friedrichsfelder Aufenthaltes,
empfing viel Besuch und Deputationen aus seinem Lande, darunter
den jungen Grafen Hohenthal, den Baron von Houwald (Vater
des Dichters) und eine Deputation des Freiberger Bergbaues.

Unter den Personen von Rang, die ihn dauernd umgaben,
haben wir in erster Reihe Generalmajor v. Watzdorf zu nennen;
doch war dieser oft monatelang auf Special-Missionen, z. B. in
London, abwesend. Am 13. Oktober 1814 trat Generallieutenant
Sahrer v. Sahr an Watzdorfs Stelle und blieb beim Könige,
bis dieser Friedrichsfelde verließ. Es war die Sahrsche Division,
die bei Großbeeren vorzugsweise tapfer gefochten hatte.

Der Aufwand, den der König in Friedrichsfelde machte, wurde
theils aus den Geldern seiner Chatouille, theils durch eine An-
leihe bei dem Berliner Banquierhause Benecke bestritten.

Am 9. Februar 1815 endlich war in Wien das Protokoll
unterzeichnet worden, das über das Schicksal Sachsens entschied;
-- am 22. Februar verließ der sächsische Hof Friedrichsfelde und
begab sich, auf Einladung des Kaisers von Oesterreich: "doch in
seinen Landen Residenz nehmen zu wollen," durch Schlesien
über Wien nach Preßburg, wo der König den Palast des Primas
bezog.

So viel hab ich aus Aufzeichnungen, die damals gemacht
wurden, zn entnehmen vermocht. In Friedrichsfelde selbst wird
noch Folgendes erzählt:

Der König lebte ganz als König. Sehr viel Dienerschaft,
altfränkisch gekleidet, blau und gelb, war um ihn her; die Kutscher
immer in Kanonenstiefeln. Vormittags zwischen 11 und 12 ging
er im Park spazieren; Nachmittags wurd' auf die benachbarten
Dörfer gefahren, namentlich auf solche, wo ein Park oder ein
Fluß war, also nach Stralau, Lichtenberg, Biesdorf und vorzugs-
weise nach Schönhausen. Er war bei den Friedrichsfeldern sehr

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In den „Denkwürdigkeiten aus dem kriegeriſchen
und politiſchen Leben eines alten Offiziers
“ wird erzählt,
der König Friedrich Auguſt habe von Friedrichsfelde aus fliehen
wollen, ſei aber eingeholt und zurückgebracht worden. Dieſe Mit-
theilung iſt mindeſtens unwahrſcheinlich. An Ort und Stelle wird
nichts derart berichtet.

Der König, während ſeines Friedrichsfelder Aufenthaltes,
empfing viel Beſuch und Deputationen aus ſeinem Lande, darunter
den jungen Grafen Hohenthal, den Baron von Houwald (Vater
des Dichters) und eine Deputation des Freiberger Bergbaues.

Unter den Perſonen von Rang, die ihn dauernd umgaben,
haben wir in erſter Reihe Generalmajor v. Watzdorf zu nennen;
doch war dieſer oft monatelang auf Special-Miſſionen, z. B. in
London, abweſend. Am 13. Oktober 1814 trat Generallieutenant
Sahrer v. Sahr an Watzdorfs Stelle und blieb beim Könige,
bis dieſer Friedrichsfelde verließ. Es war die Sahrſche Diviſion,
die bei Großbeeren vorzugsweiſe tapfer gefochten hatte.

Der Aufwand, den der König in Friedrichsfelde machte, wurde
theils aus den Geldern ſeiner Chatouille, theils durch eine An-
leihe bei dem Berliner Banquierhauſe Benecke beſtritten.

Am 9. Februar 1815 endlich war in Wien das Protokoll
unterzeichnet worden, das über das Schickſal Sachſens entſchied;
— am 22. Februar verließ der ſächſiſche Hof Friedrichsfelde und
begab ſich, auf Einladung des Kaiſers von Oeſterreich: „doch in
ſeinen Landen Reſidenz nehmen zu wollen,“ durch Schleſien
über Wien nach Preßburg, wo der König den Palaſt des Primas
bezog.

So viel hab ich aus Aufzeichnungen, die damals gemacht
wurden, zn entnehmen vermocht. In Friedrichsfelde ſelbſt wird
noch Folgendes erzählt:

Der König lebte ganz als König. Sehr viel Dienerſchaft,
altfränkiſch gekleidet, blau und gelb, war um ihn her; die Kutſcher
immer in Kanonenſtiefeln. Vormittags zwiſchen 11 und 12 ging
er im Park ſpazieren; Nachmittags wurd’ auf die benachbarten
Dörfer gefahren, namentlich auf ſolche, wo ein Park oder ein
Fluß war, alſo nach Stralau, Lichtenberg, Biesdorf und vorzugs-
weiſe nach Schönhauſen. Er war bei den Friedrichsfeldern ſehr

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[147/0163] In den „Denkwürdigkeiten aus dem kriegeriſchen und politiſchen Leben eines alten Offiziers“ wird erzählt, der König Friedrich Auguſt habe von Friedrichsfelde aus fliehen wollen, ſei aber eingeholt und zurückgebracht worden. Dieſe Mit- theilung iſt mindeſtens unwahrſcheinlich. An Ort und Stelle wird nichts derart berichtet. Der König, während ſeines Friedrichsfelder Aufenthaltes, empfing viel Beſuch und Deputationen aus ſeinem Lande, darunter den jungen Grafen Hohenthal, den Baron von Houwald (Vater des Dichters) und eine Deputation des Freiberger Bergbaues. Unter den Perſonen von Rang, die ihn dauernd umgaben, haben wir in erſter Reihe Generalmajor v. Watzdorf zu nennen; doch war dieſer oft monatelang auf Special-Miſſionen, z. B. in London, abweſend. Am 13. Oktober 1814 trat Generallieutenant Sahrer v. Sahr an Watzdorfs Stelle und blieb beim Könige, bis dieſer Friedrichsfelde verließ. Es war die Sahrſche Diviſion, die bei Großbeeren vorzugsweiſe tapfer gefochten hatte. Der Aufwand, den der König in Friedrichsfelde machte, wurde theils aus den Geldern ſeiner Chatouille, theils durch eine An- leihe bei dem Berliner Banquierhauſe Benecke beſtritten. Am 9. Februar 1815 endlich war in Wien das Protokoll unterzeichnet worden, das über das Schickſal Sachſens entſchied; — am 22. Februar verließ der ſächſiſche Hof Friedrichsfelde und begab ſich, auf Einladung des Kaiſers von Oeſterreich: „doch in ſeinen Landen Reſidenz nehmen zu wollen,“ durch Schleſien über Wien nach Preßburg, wo der König den Palaſt des Primas bezog. So viel hab ich aus Aufzeichnungen, die damals gemacht wurden, zn entnehmen vermocht. In Friedrichsfelde ſelbſt wird noch Folgendes erzählt: Der König lebte ganz als König. Sehr viel Dienerſchaft, altfränkiſch gekleidet, blau und gelb, war um ihn her; die Kutſcher immer in Kanonenſtiefeln. Vormittags zwiſchen 11 und 12 ging er im Park ſpazieren; Nachmittags wurd’ auf die benachbarten Dörfer gefahren, namentlich auf ſolche, wo ein Park oder ein Fluß war, alſo nach Stralau, Lichtenberg, Biesdorf und vorzugs- weiſe nach Schönhauſen. Er war bei den Friedrichsfeldern ſehr 10*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/163>, abgerufen am 25.04.2024.