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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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am er wieder und als er Julie sah, schien er so glücklich! -- Der
Prinz kommt ewig zur Königin; was soll man thun? Es wird
immer schlimmer mit ihm, und Julie dauert mich furchtbar. --
Mir scheint seine Leidenschaft täglich zu steigen. Er kommt
jetzt oft für den ganzen Tag nach Schönhausen und hat nur
das Einzige im Kopf. --

Die Oberhofmeisterin, davon ausgehend, daß eine Trennung
vielleicht helfen werde, setzte nunmehr einen dreimonatlichen Urlaub
für ihre Nichte durch und diese verließ Berlin. Aber es führte
zu nichts. Der Prinz und Julie correspondirten und als der Ur-
laub abgelaufen und Julie wieder zurück war, schrieb die Ober-
hofmeisterin in ihr Tagebuch: "Es ist alles beim Alten."

Diese Notiz ist vom 15. August 1786. Zwei Tage später
starb Friedrich und der Prinz von Preußen war nun König. Hul-
digungen, Feste, Geschäfte dringen auf ihn ein, aber seine Ge-
fühle für Julie v. Voß bleiben dieselben. Schon eine Woche nach
dem Regierungsantritt verkehrt er wieder in Schönhausen und
setzt seine Bewerbungen fort.

August 86. Der König kommt so oft er kann zur Königin-
Wittwe nach Schönhausen und geht dann mit Julie im Garten
spazieren. Sie ist still und zurückhaltend, was mich freut und in etwas
beruhigt. -- Die Prinzessinnen thun dem König einen sehr un-
erlaubten Gefallen, indem sie ihn immer mit Julie zusammen-
bringen. Sie schicken die Königin voraus und beschäftigen sie,
nur damit er mit meiner Nichte gehen und mit ihr sprechen
kann. Das ist ein schlechtes Spiel. -- Der König hat der
Prinzessin Friederike eine Zulage und ihr außerdem noch die
kleine Viereck zur Hofdame gegeben, einzig und allein um Julien
eine Freude zu machen, deren Freundin sie ist.

October 86. Der König kam und wollte mit mir sprechen,
aber er ist so ganz voll von dem einzigen Gedanken, daß er
nichts weiter hört und sieht. Ich gestehe, daß ich jetzt alle
Geduld mit ihm verliere und diesen Zustand unerlaubt und
unverzeihlich finde. -- Die Königin will gern in die Stadt
zurück; der König will aber, sie soll noch in Schönhausen bleiben,
blos wegen seiner geliebten Spaziergänge mit Julie. Ich bin

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am er wieder und als er Julie ſah, ſchien er ſo glücklich! — Der
Prinz kommt ewig zur Königin; was ſoll man thun? Es wird
immer ſchlimmer mit ihm, und Julie dauert mich furchtbar. —
Mir ſcheint ſeine Leidenſchaft täglich zu ſteigen. Er kommt
jetzt oft für den ganzen Tag nach Schönhauſen und hat nur
das Einzige im Kopf. —

Die Oberhofmeiſterin, davon ausgehend, daß eine Trennung
vielleicht helfen werde, ſetzte nunmehr einen dreimonatlichen Urlaub
für ihre Nichte durch und dieſe verließ Berlin. Aber es führte
zu nichts. Der Prinz und Julie correſpondirten und als der Ur-
laub abgelaufen und Julie wieder zurück war, ſchrieb die Ober-
hofmeiſterin in ihr Tagebuch: „Es iſt alles beim Alten.“

Dieſe Notiz iſt vom 15. Auguſt 1786. Zwei Tage ſpäter
ſtarb Friedrich und der Prinz von Preußen war nun König. Hul-
digungen, Feſte, Geſchäfte dringen auf ihn ein, aber ſeine Ge-
fühle für Julie v. Voß bleiben dieſelben. Schon eine Woche nach
dem Regierungsantritt verkehrt er wieder in Schönhauſen und
ſetzt ſeine Bewerbungen fort.

Auguſt 86. Der König kommt ſo oft er kann zur Königin-
Wittwe nach Schönhauſen und geht dann mit Julie im Garten
ſpazieren. Sie iſt ſtill und zurückhaltend, was mich freut und in etwas
beruhigt. — Die Prinzeſſinnen thun dem König einen ſehr un-
erlaubten Gefallen, indem ſie ihn immer mit Julie zuſammen-
bringen. Sie ſchicken die Königin voraus und beſchäftigen ſie,
nur damit er mit meiner Nichte gehen und mit ihr ſprechen
kann. Das iſt ein ſchlechtes Spiel. — Der König hat der
Prinzeſſin Friederike eine Zulage und ihr außerdem noch die
kleine Viereck zur Hofdame gegeben, einzig und allein um Julien
eine Freude zu machen, deren Freundin ſie iſt.

October 86. Der König kam und wollte mit mir ſprechen,
aber er iſt ſo ganz voll von dem einzigen Gedanken, daß er
nichts weiter hört und ſieht. Ich geſtehe, daß ich jetzt alle
Geduld mit ihm verliere und dieſen Zuſtand unerlaubt und
unverzeihlich finde. — Die Königin will gern in die Stadt
zurück; der König will aber, ſie ſoll noch in Schönhauſen bleiben,
blos wegen ſeiner geliebten Spaziergänge mit Julie. Ich bin

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[179/0195] am er wieder und als er Julie ſah, ſchien er ſo glücklich! — Der Prinz kommt ewig zur Königin; was ſoll man thun? Es wird immer ſchlimmer mit ihm, und Julie dauert mich furchtbar. — Mir ſcheint ſeine Leidenſchaft täglich zu ſteigen. Er kommt jetzt oft für den ganzen Tag nach Schönhauſen und hat nur das Einzige im Kopf. — Die Oberhofmeiſterin, davon ausgehend, daß eine Trennung vielleicht helfen werde, ſetzte nunmehr einen dreimonatlichen Urlaub für ihre Nichte durch und dieſe verließ Berlin. Aber es führte zu nichts. Der Prinz und Julie correſpondirten und als der Ur- laub abgelaufen und Julie wieder zurück war, ſchrieb die Ober- hofmeiſterin in ihr Tagebuch: „Es iſt alles beim Alten.“ Dieſe Notiz iſt vom 15. Auguſt 1786. Zwei Tage ſpäter ſtarb Friedrich und der Prinz von Preußen war nun König. Hul- digungen, Feſte, Geſchäfte dringen auf ihn ein, aber ſeine Ge- fühle für Julie v. Voß bleiben dieſelben. Schon eine Woche nach dem Regierungsantritt verkehrt er wieder in Schönhauſen und ſetzt ſeine Bewerbungen fort. Auguſt 86. Der König kommt ſo oft er kann zur Königin- Wittwe nach Schönhauſen und geht dann mit Julie im Garten ſpazieren. Sie iſt ſtill und zurückhaltend, was mich freut und in etwas beruhigt. — Die Prinzeſſinnen thun dem König einen ſehr un- erlaubten Gefallen, indem ſie ihn immer mit Julie zuſammen- bringen. Sie ſchicken die Königin voraus und beſchäftigen ſie, nur damit er mit meiner Nichte gehen und mit ihr ſprechen kann. Das iſt ein ſchlechtes Spiel. — Der König hat der Prinzeſſin Friederike eine Zulage und ihr außerdem noch die kleine Viereck zur Hofdame gegeben, einzig und allein um Julien eine Freude zu machen, deren Freundin ſie iſt. October 86. Der König kam und wollte mit mir ſprechen, aber er iſt ſo ganz voll von dem einzigen Gedanken, daß er nichts weiter hört und ſieht. Ich geſtehe, daß ich jetzt alle Geduld mit ihm verliere und dieſen Zuſtand unerlaubt und unverzeihlich finde. — Die Königin will gern in die Stadt zurück; der König will aber, ſie ſoll noch in Schönhauſen bleiben, blos wegen ſeiner geliebten Spaziergänge mit Julie. Ich bin 12*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/195>, abgerufen am 23.04.2024.