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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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es nur Wusterhausen in das wir einfahren. Freilich Wuster-
hausen zu Pfingsten.


1.
Königs-Wusterhausen.
Finstrer Ort und finstrer Sinn,
Nun blühen die Rosen drüber hin.

Wir halten vor einem Gasthofe, darin alles reich und großstädtisch
ist und während mir zwei Lichter auf den Tisch gesetzt werden,
richt' ich unwillkürlich die Frage an mich: ist dies dasselbe
Wusterhausen, von dem wir jene klassische, wenn auch wenig schmei-
chelhafte Beschreibung haben, die eine der besten Seiten in den
Memoiren der Markgräfin von Baireuth, der Lieblingsschwester
Friedrichs des Großen füllt? Laß doch sehen, was die Markgräfin
in ihrem berühmten Buche, dem so zu sagen "ältesten Frem-
denführer von Wusterhausen" erzählt. Und ich las wie folgt:

"Mit unsäglicher Mühe hatte der König an diesem Ort einen
Hügel aufführen lassen, der die Aussicht so gut begrenzte, daß man
das verzauberte Schloß nicht eher sah, als bis man herabgestiegen
war. Dieses sogenannte Palais bestand aus einem sehr kleinen
Hauptgebäude, dessen Schönheit durch einen alten Thurm erhöht
wurde, zu dem hinauf eine hölzerne Wendeltreppe führte. Der
Thurm selber war ein ehemaliger Diebswinkel, von einer Bande
Räuber erbaut, denen dies Schloß früher gehört hatte. Das Ge-
bäude war von einem Erdwall und einem Graben umgeben, dessen
schwarzes und fauliges Wasser dem Styxe glich. Drei Brücken
verbanden es mit dem Hof in Front des Schlosses, mit dem
Garten zur Seite desselben und mit einer gegenüberliegenden
Mühle. Der nach vornhin gelegene Hof war durch zwei Flügel
flankirt, in denen die Herren von des Königs Gefolge wohnten.
Am Eingang in den Schloßhof hielten zwei Bären Wacht, sehr
böse Thiere, die auf ihren Hintertatzen umherspazierten, weil man
ihnen die vorderen abgeschnitten hatte. Mitten im Hofe befand

es nur Wuſterhauſen in das wir einfahren. Freilich Wuſter-
hauſen zu Pfingſten.


1.
Königs-Wuſterhauſen.
Finſtrer Ort und finſtrer Sinn,
Nun blühen die Roſen drüber hin.

Wir halten vor einem Gaſthofe, darin alles reich und großſtädtiſch
iſt und während mir zwei Lichter auf den Tiſch geſetzt werden,
richt’ ich unwillkürlich die Frage an mich: iſt dies daſſelbe
Wuſterhauſen, von dem wir jene klaſſiſche, wenn auch wenig ſchmei-
chelhafte Beſchreibung haben, die eine der beſten Seiten in den
Memoiren der Markgräfin von Baireuth, der Lieblingsſchweſter
Friedrichs des Großen füllt? Laß doch ſehen, was die Markgräfin
in ihrem berühmten Buche, dem ſo zu ſagen „älteſten Frem-
denführer von Wuſterhauſen“ erzählt. Und ich las wie folgt:

„Mit unſäglicher Mühe hatte der König an dieſem Ort einen
Hügel aufführen laſſen, der die Ausſicht ſo gut begrenzte, daß man
das verzauberte Schloß nicht eher ſah, als bis man herabgeſtiegen
war. Dieſes ſogenannte Palais beſtand aus einem ſehr kleinen
Hauptgebäude, deſſen Schönheit durch einen alten Thurm erhöht
wurde, zu dem hinauf eine hölzerne Wendeltreppe führte. Der
Thurm ſelber war ein ehemaliger Diebswinkel, von einer Bande
Räuber erbaut, denen dies Schloß früher gehört hatte. Das Ge-
bäude war von einem Erdwall und einem Graben umgeben, deſſen
ſchwarzes und fauliges Waſſer dem Styxe glich. Drei Brücken
verbanden es mit dem Hof in Front des Schloſſes, mit dem
Garten zur Seite deſſelben und mit einer gegenüberliegenden
Mühle. Der nach vornhin gelegene Hof war durch zwei Flügel
flankirt, in denen die Herren von des Königs Gefolge wohnten.
Am Eingang in den Schloßhof hielten zwei Bären Wacht, ſehr
böſe Thiere, die auf ihren Hintertatzen umherſpazierten, weil man
ihnen die vorderen abgeſchnitten hatte. Mitten im Hofe befand

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[252/0268] es nur Wuſterhauſen in das wir einfahren. Freilich Wuſter- hauſen zu Pfingſten. 1. Königs-Wuſterhauſen. Finſtrer Ort und finſtrer Sinn, Nun blühen die Roſen drüber hin. Wir halten vor einem Gaſthofe, darin alles reich und großſtädtiſch iſt und während mir zwei Lichter auf den Tiſch geſetzt werden, richt’ ich unwillkürlich die Frage an mich: iſt dies daſſelbe Wuſterhauſen, von dem wir jene klaſſiſche, wenn auch wenig ſchmei- chelhafte Beſchreibung haben, die eine der beſten Seiten in den Memoiren der Markgräfin von Baireuth, der Lieblingsſchweſter Friedrichs des Großen füllt? Laß doch ſehen, was die Markgräfin in ihrem berühmten Buche, dem ſo zu ſagen „älteſten Frem- denführer von Wuſterhauſen“ erzählt. Und ich las wie folgt: „Mit unſäglicher Mühe hatte der König an dieſem Ort einen Hügel aufführen laſſen, der die Ausſicht ſo gut begrenzte, daß man das verzauberte Schloß nicht eher ſah, als bis man herabgeſtiegen war. Dieſes ſogenannte Palais beſtand aus einem ſehr kleinen Hauptgebäude, deſſen Schönheit durch einen alten Thurm erhöht wurde, zu dem hinauf eine hölzerne Wendeltreppe führte. Der Thurm ſelber war ein ehemaliger Diebswinkel, von einer Bande Räuber erbaut, denen dies Schloß früher gehört hatte. Das Ge- bäude war von einem Erdwall und einem Graben umgeben, deſſen ſchwarzes und fauliges Waſſer dem Styxe glich. Drei Brücken verbanden es mit dem Hof in Front des Schloſſes, mit dem Garten zur Seite deſſelben und mit einer gegenüberliegenden Mühle. Der nach vornhin gelegene Hof war durch zwei Flügel flankirt, in denen die Herren von des Königs Gefolge wohnten. Am Eingang in den Schloßhof hielten zwei Bären Wacht, ſehr böſe Thiere, die auf ihren Hintertatzen umherſpazierten, weil man ihnen die vorderen abgeſchnitten hatte. Mitten im Hofe befand

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/268>, abgerufen am 19.04.2024.