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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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1779 am 23. Januar starb in Siethen, wohin sie zurückge-
kehrt war, Frau Sophie Margaretha, verwittwete v. Schlabren-
dorf, des Vorgenannten Ehefrau, 56 Jahre alt, an einer viel-
jährigen Schwindsucht und in der armseligsten Verfassung. Sie
war eine Tochter des Herrn Christian Julius v. Bülow aus dem
Hause Lüchfeld in der Grafschaft Ruppin.

Nachschrift. Einige Jahre nach ihr starb auch, und zwar
ebenfalls zu Siethen, der Letzteren Bruder, Karl Christoph
Friedrich v. Bülow aus dem Hause Lüchfeld. Er war in früheren
Jahren, als bei seinem Schwager und seiner Schwester noch
Wohlleben war, ein Nimrod, ein gewaltiger Jäger vor dem
Herrn gewesen. Und es beweiset solches noch der Siethensche
Thurmknopf, den er mit der Kugelbüchse vielmals durchschossen
hat und an dem die Löcher noch sichtbar sind. Er war geboren
den 23. Nov. 1711, besaß einen dauerhaften Körper, wurde vor
einigen Jahren blind, und wohnte zuletzt arm und elend in einem
Tagelöhnerhause. Starb an Entkräftung.

1783 am 1. Mai starb zu Potsdam die Hochwohlgeborene
Frau und Wittwe Henriette Helene Albertine v. Schlabrendorf
aus dem Hause Groeben, verwittwete Quintus Icilius an einem
Friesel und 12tägigem Lager, und ward am 3. selbigen Monats
in der Gruft ihres seligen Gemahls, unter dem Kirchenstuhle der
Predigersfrau früh um 4 Uhr beigesetzt. Aetate 36 Jahr.

1784 am 21. Januar starb in Siethen die Wittwe Maria
Catharina Schumann geb. Ebel aus Blankensee, geboren den
10. Januar 1681. Brachte dergestalt ihr Leben auf 103 Jahr.

1785 am 11. Dezember starb die verwittwete Maria Elisabeth
Spiegel. Sie war vordem das Sünden-Instrument des verstor-
benen von Schlabrendorf zu Siethen, der im Alter noch Christum
verwarf. Starb elend.

1786 ist wieder der Groebner See mit seinem Eis nicht
sicher gewesen; aber der Siethner ist über und über unsicher, weil
er voll warmer Quellen ist. Seit meinem 19jährigem Hiersein
sind nunmehr 10 Personen im Wasser verunglückt.

1786 am 28. April wurde des Hirten Frau zu Siethen,
Maria Dorothea Ebel, glücklich entbunden. Die Mutter der

1779 am 23. Januar ſtarb in Siethen, wohin ſie zurückge-
kehrt war, Frau Sophie Margaretha, verwittwete v. Schlabren-
dorf, des Vorgenannten Ehefrau, 56 Jahre alt, an einer viel-
jährigen Schwindſucht und in der armſeligſten Verfaſſung. Sie
war eine Tochter des Herrn Chriſtian Julius v. Bülow aus dem
Hauſe Lüchfeld in der Grafſchaft Ruppin.

Nachſchrift. Einige Jahre nach ihr ſtarb auch, und zwar
ebenfalls zu Siethen, der Letzteren Bruder, Karl Chriſtoph
Friedrich v. Bülow aus dem Hauſe Lüchfeld. Er war in früheren
Jahren, als bei ſeinem Schwager und ſeiner Schweſter noch
Wohlleben war, ein Nimrod, ein gewaltiger Jäger vor dem
Herrn geweſen. Und es beweiſet ſolches noch der Siethenſche
Thurmknopf, den er mit der Kugelbüchſe vielmals durchſchoſſen
hat und an dem die Löcher noch ſichtbar ſind. Er war geboren
den 23. Nov. 1711, beſaß einen dauerhaften Körper, wurde vor
einigen Jahren blind, und wohnte zuletzt arm und elend in einem
Tagelöhnerhauſe. Starb an Entkräftung.

1783 am 1. Mai ſtarb zu Potsdam die Hochwohlgeborene
Frau und Wittwe Henriette Helene Albertine v. Schlabrendorf
aus dem Hauſe Groeben, verwittwete Quintus Icilius an einem
Frieſel und 12tägigem Lager, und ward am 3. ſelbigen Monats
in der Gruft ihres ſeligen Gemahls, unter dem Kirchenſtuhle der
Predigersfrau früh um 4 Uhr beigeſetzt. Aetate 36 Jahr.

1784 am 21. Januar ſtarb in Siethen die Wittwe Maria
Catharina Schumann geb. Ebel aus Blankenſee, geboren den
10. Januar 1681. Brachte dergeſtalt ihr Leben auf 103 Jahr.

1785 am 11. Dezember ſtarb die verwittwete Maria Eliſabeth
Spiegel. Sie war vordem das Sünden-Inſtrument des verſtor-
benen von Schlabrendorf zu Siethen, der im Alter noch Chriſtum
verwarf. Starb elend.

1786 iſt wieder der Groebner See mit ſeinem Eis nicht
ſicher geweſen; aber der Siethner iſt über und über unſicher, weil
er voll warmer Quellen iſt. Seit meinem 19jährigem Hierſein
ſind nunmehr 10 Perſonen im Waſſer verunglückt.

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Maria Dorothea Ebel, glücklich entbunden. Die Mutter der

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[368/0384] 1779 am 23. Januar ſtarb in Siethen, wohin ſie zurückge- kehrt war, Frau Sophie Margaretha, verwittwete v. Schlabren- dorf, des Vorgenannten Ehefrau, 56 Jahre alt, an einer viel- jährigen Schwindſucht und in der armſeligſten Verfaſſung. Sie war eine Tochter des Herrn Chriſtian Julius v. Bülow aus dem Hauſe Lüchfeld in der Grafſchaft Ruppin. Nachſchrift. Einige Jahre nach ihr ſtarb auch, und zwar ebenfalls zu Siethen, der Letzteren Bruder, Karl Chriſtoph Friedrich v. Bülow aus dem Hauſe Lüchfeld. Er war in früheren Jahren, als bei ſeinem Schwager und ſeiner Schweſter noch Wohlleben war, ein Nimrod, ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn geweſen. Und es beweiſet ſolches noch der Siethenſche Thurmknopf, den er mit der Kugelbüchſe vielmals durchſchoſſen hat und an dem die Löcher noch ſichtbar ſind. Er war geboren den 23. Nov. 1711, beſaß einen dauerhaften Körper, wurde vor einigen Jahren blind, und wohnte zuletzt arm und elend in einem Tagelöhnerhauſe. Starb an Entkräftung. 1783 am 1. Mai ſtarb zu Potsdam die Hochwohlgeborene Frau und Wittwe Henriette Helene Albertine v. Schlabrendorf aus dem Hauſe Groeben, verwittwete Quintus Icilius an einem Frieſel und 12tägigem Lager, und ward am 3. ſelbigen Monats in der Gruft ihres ſeligen Gemahls, unter dem Kirchenſtuhle der Predigersfrau früh um 4 Uhr beigeſetzt. Aetate 36 Jahr. 1784 am 21. Januar ſtarb in Siethen die Wittwe Maria Catharina Schumann geb. Ebel aus Blankenſee, geboren den 10. Januar 1681. Brachte dergeſtalt ihr Leben auf 103 Jahr. 1785 am 11. Dezember ſtarb die verwittwete Maria Eliſabeth Spiegel. Sie war vordem das Sünden-Inſtrument des verſtor- benen von Schlabrendorf zu Siethen, der im Alter noch Chriſtum verwarf. Starb elend. 1786 iſt wieder der Groebner See mit ſeinem Eis nicht ſicher geweſen; aber der Siethner iſt über und über unſicher, weil er voll warmer Quellen iſt. Seit meinem 19jährigem Hierſein ſind nunmehr 10 Perſonen im Waſſer verunglückt. 1786 am 28. April wurde des Hirten Frau zu Siethen, Maria Dorothea Ebel, glücklich entbunden. Die Mutter der

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/384>, abgerufen am 25.04.2024.