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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Saarmund
und die Nutheburgen.
Noch einmal hob er seinen Blick, dann sagt
er dumpf: "die Spiegelung!
Ein Blendwerk, ärger als der Smum, bös-
artiger Geister Zeitvertreib;"
Er schwieg, das Meteor verschwand.

Freiligrath (Mirage).

Saarmund, ein Zauche-Städtchen, ist an dem Wiedervereinigungs-
punkte zweier Nuthe-Arme gelegen, von denen der kleinere, nur auf
eine kurze Strecke hin abgezweigte, den Namen der Saare führt.
Daher denn also Saarmund.

Die Nuthe selbst entspringt auf dem hohen Vläming bei
Jüterbog in Nähe des historischen Dorfes Dennewitz, wendet sich
nordwärts und fließt endlich bei Potsdam, unter Sumpf und
Wiesen versteckt, in die Havel. Wer tagelang an Rhin oder
Finow, an Stobber oder Löcknitz, an Nieplitz oder Notte herum-
gewandert ist, der blickt, wenn er eines Flusses, wie die Havel,
wieder ansichtig wird, auf ihre blauen und seenreichen Flächen,
als zöge die Wolga an ihm vorüber. Der Maßstab ist eben
Alles.

Und zu diesen Kleinsten, denen die bescheidne Aufgabe zu-
fällt, andre Kleine zu heben oder groß zu machen, gehört denn
auch die Nuthe, die nur das Eine vor ihres Gleichen voraus hat,
schon in weit zurückliegender Zeit (ja damals mehr denn später)
ein Grenzfluß, eine Trennungslinie gewesen zu sein.

Fontane, Wanderungen. IV. 27
Saarmund
und die Nutheburgen.
Noch einmal hob er ſeinen Blick, dann ſagt
er dumpf: „die Spiegelung!
Ein Blendwerk, ärger als der Smum, bös-
artiger Geiſter Zeitvertreib;“
Er ſchwieg, das Meteor verſchwand.

Freiligrath (Mirage).

Saarmund, ein Zauche-Städtchen, iſt an dem Wiedervereinigungs-
punkte zweier Nuthe-Arme gelegen, von denen der kleinere, nur auf
eine kurze Strecke hin abgezweigte, den Namen der Saare führt.
Daher denn alſo Saarmund.

Die Nuthe ſelbſt entſpringt auf dem hohen Vläming bei
Jüterbog in Nähe des hiſtoriſchen Dorfes Dennewitz, wendet ſich
nordwärts und fließt endlich bei Potsdam, unter Sumpf und
Wieſen verſteckt, in die Havel. Wer tagelang an Rhin oder
Finow, an Stobber oder Löcknitz, an Nieplitz oder Notte herum-
gewandert iſt, der blickt, wenn er eines Fluſſes, wie die Havel,
wieder anſichtig wird, auf ihre blauen und ſeenreichen Flächen,
als zöge die Wolga an ihm vorüber. Der Maßſtab iſt eben
Alles.

Und zu dieſen Kleinſten, denen die beſcheidne Aufgabe zu-
fällt, andre Kleine zu heben oder groß zu machen, gehört denn
auch die Nuthe, die nur das Eine vor ihres Gleichen voraus hat,
ſchon in weit zurückliegender Zeit (ja damals mehr denn ſpäter)
ein Grenzfluß, eine Trennungslinie geweſen zu ſein.

Fontane, Wanderungen. IV. 27
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[[417]/0433] Saarmund und die Nutheburgen. Noch einmal hob er ſeinen Blick, dann ſagt er dumpf: „die Spiegelung! Ein Blendwerk, ärger als der Smum, bös- artiger Geiſter Zeitvertreib;“ Er ſchwieg, das Meteor verſchwand. Freiligrath (Mirage). Saarmund, ein Zauche-Städtchen, iſt an dem Wiedervereinigungs- punkte zweier Nuthe-Arme gelegen, von denen der kleinere, nur auf eine kurze Strecke hin abgezweigte, den Namen der Saare führt. Daher denn alſo Saarmund. Die Nuthe ſelbſt entſpringt auf dem hohen Vläming bei Jüterbog in Nähe des hiſtoriſchen Dorfes Dennewitz, wendet ſich nordwärts und fließt endlich bei Potsdam, unter Sumpf und Wieſen verſteckt, in die Havel. Wer tagelang an Rhin oder Finow, an Stobber oder Löcknitz, an Nieplitz oder Notte herum- gewandert iſt, der blickt, wenn er eines Fluſſes, wie die Havel, wieder anſichtig wird, auf ihre blauen und ſeenreichen Flächen, als zöge die Wolga an ihm vorüber. Der Maßſtab iſt eben Alles. Und zu dieſen Kleinſten, denen die beſcheidne Aufgabe zu- fällt, andre Kleine zu heben oder groß zu machen, gehört denn auch die Nuthe, die nur das Eine vor ihres Gleichen voraus hat, ſchon in weit zurückliegender Zeit (ja damals mehr denn ſpäter) ein Grenzfluß, eine Trennungslinie geweſen zu ſein. Fontane, Wanderungen. IV. 27

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. [417]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/433>, abgerufen am 24.04.2024.