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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Alles was die Nuthe trennte, hieß zwar nur Teltow und
Zauche, wird mithin in den großen Büchern nicht verzeichnet
stehn; aber es traf sich nichts destoweniger, daß, auf ein
ganzes Jahrhundert hin, diese zwei Namen zwei Welten bedeuteten
und schieden. Die Zauche, durch Albrecht den Bären unter-
worfen, war christlich und deutsch, der Teltow, den alten Göttern
treu verblieben, stak noch in Heiden- und Wendenthum. Das
war die Zeit, als die Nuthe ihre großen historischen Tage zählte;
das war das Jahrhundert der "Nutheburgen." Ob diese letzteren
Aggressiv- oder Defensiv-Punkte waren, ob sie die Deutschen
bauten, um von der Zauche her den Teltow zu erobern, oder ob
sie die Wenden bauten, um der vordringenden Eroberung einen
Damm entgegenzusetzen, -- diese Fragen werden nie mehr gelöst
werden; alle Aufzeichnungen fehlen und die Schlüsse, die man aus
diesem und jenem gezogen hat, bleiben einfach Hypothese. Die
Nutheburgen jener ersten christlichen Epoche sind todt, hinge-
schwunden für immer. Aber um eben deshalb vielleicht zählen sie
zu den Lieblingen märkisch archäologischer Forschung. Es ist wenig
mehr als ihre Namen, was man kennt. An den Flügeln lagen: Pots-
dam und Trebbin, im Centrum: Beuthen und Saarmund.


Saarmund, unter diesen vier Nuthe-Burgen vielleicht die
verschollenste, genoß dafür des Vorzugs eines poetischen Namens.
Daß er an diesem Punkt überhaupt entstehen konnte, war
das Resultat einer Nuthe-Großthat. Arm aber edel, und viel-
leicht auch all das Herrliche vorahnend, das hier einstens erblühen
werde, zweigte die Nuthe selbstsuchtslos einen Wasserarm von sich
ab und wohl zugleich auch aus eigner schmerzlicher Erfahrung wissend,
was eines Namens Wohlklang bedeute, gab sie diesem abgezweigten
Arme den Namen Saare mit auf den Lebensweg. Und siehe da,
die Vorahnung hatte nicht getrogen. An eben der Stelle, wo (wie
schon erzählt) ins alte Nuthe-bett die kaum geborene Saare wieder
einmündet, erwuchs Saarmund. Im Rücken der Stadt aber,
an den Südhängen der Zauche-Hügel, entstanden Weinberge über
Weinberge, so daß Deutschland ein paar Jahrhunderte lang der Aus-
zeichnung genoß, einen doppelten Saarwein zu produciren: einen

Alles was die Nuthe trennte, hieß zwar nur Teltow und
Zauche, wird mithin in den großen Büchern nicht verzeichnet
ſtehn; aber es traf ſich nichts deſtoweniger, daß, auf ein
ganzes Jahrhundert hin, dieſe zwei Namen zwei Welten bedeuteten
und ſchieden. Die Zauche, durch Albrecht den Bären unter-
worfen, war chriſtlich und deutſch, der Teltow, den alten Göttern
treu verblieben, ſtak noch in Heiden- und Wendenthum. Das
war die Zeit, als die Nuthe ihre großen hiſtoriſchen Tage zählte;
das war das Jahrhundert der „Nutheburgen.“ Ob dieſe letzteren
Aggreſſiv- oder Defenſiv-Punkte waren, ob ſie die Deutſchen
bauten, um von der Zauche her den Teltow zu erobern, oder ob
ſie die Wenden bauten, um der vordringenden Eroberung einen
Damm entgegenzuſetzen, — dieſe Fragen werden nie mehr gelöſt
werden; alle Aufzeichnungen fehlen und die Schlüſſe, die man aus
dieſem und jenem gezogen hat, bleiben einfach Hypotheſe. Die
Nutheburgen jener erſten chriſtlichen Epoche ſind todt, hinge-
ſchwunden für immer. Aber um eben deshalb vielleicht zählen ſie
zu den Lieblingen märkiſch archäologiſcher Forſchung. Es iſt wenig
mehr als ihre Namen, was man kennt. An den Flügeln lagen: Pots-
dam und Trebbin, im Centrum: Beuthen und Saarmund.


Saarmund, unter dieſen vier Nuthe-Burgen vielleicht die
verſchollenſte, genoß dafür des Vorzugs eines poetiſchen Namens.
Daß er an dieſem Punkt überhaupt entſtehen konnte, war
das Reſultat einer Nuthe-Großthat. Arm aber edel, und viel-
leicht auch all das Herrliche vorahnend, das hier einſtens erblühen
werde, zweigte die Nuthe ſelbſtſuchtslos einen Waſſerarm von ſich
ab und wohl zugleich auch aus eigner ſchmerzlicher Erfahrung wiſſend,
was eines Namens Wohlklang bedeute, gab ſie dieſem abgezweigten
Arme den Namen Saare mit auf den Lebensweg. Und ſiehe da,
die Vorahnung hatte nicht getrogen. An eben der Stelle, wo (wie
ſchon erzählt) ins alte Nuthe-bett die kaum geborene Saare wieder
einmündet, erwuchs Saarmund. Im Rücken der Stadt aber,
an den Südhängen der Zauche-Hügel, entſtanden Weinberge über
Weinberge, ſo daß Deutſchland ein paar Jahrhunderte lang der Aus-
zeichnung genoß, einen doppelten Saarwein zu produciren: einen

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[418/0434] Alles was die Nuthe trennte, hieß zwar nur Teltow und Zauche, wird mithin in den großen Büchern nicht verzeichnet ſtehn; aber es traf ſich nichts deſtoweniger, daß, auf ein ganzes Jahrhundert hin, dieſe zwei Namen zwei Welten bedeuteten und ſchieden. Die Zauche, durch Albrecht den Bären unter- worfen, war chriſtlich und deutſch, der Teltow, den alten Göttern treu verblieben, ſtak noch in Heiden- und Wendenthum. Das war die Zeit, als die Nuthe ihre großen hiſtoriſchen Tage zählte; das war das Jahrhundert der „Nutheburgen.“ Ob dieſe letzteren Aggreſſiv- oder Defenſiv-Punkte waren, ob ſie die Deutſchen bauten, um von der Zauche her den Teltow zu erobern, oder ob ſie die Wenden bauten, um der vordringenden Eroberung einen Damm entgegenzuſetzen, — dieſe Fragen werden nie mehr gelöſt werden; alle Aufzeichnungen fehlen und die Schlüſſe, die man aus dieſem und jenem gezogen hat, bleiben einfach Hypotheſe. Die Nutheburgen jener erſten chriſtlichen Epoche ſind todt, hinge- ſchwunden für immer. Aber um eben deshalb vielleicht zählen ſie zu den Lieblingen märkiſch archäologiſcher Forſchung. Es iſt wenig mehr als ihre Namen, was man kennt. An den Flügeln lagen: Pots- dam und Trebbin, im Centrum: Beuthen und Saarmund. Saarmund, unter dieſen vier Nuthe-Burgen vielleicht die verſchollenſte, genoß dafür des Vorzugs eines poetiſchen Namens. Daß er an dieſem Punkt überhaupt entſtehen konnte, war das Reſultat einer Nuthe-Großthat. Arm aber edel, und viel- leicht auch all das Herrliche vorahnend, das hier einſtens erblühen werde, zweigte die Nuthe ſelbſtſuchtslos einen Waſſerarm von ſich ab und wohl zugleich auch aus eigner ſchmerzlicher Erfahrung wiſſend, was eines Namens Wohlklang bedeute, gab ſie dieſem abgezweigten Arme den Namen Saare mit auf den Lebensweg. Und ſiehe da, die Vorahnung hatte nicht getrogen. An eben der Stelle, wo (wie ſchon erzählt) ins alte Nuthe-bett die kaum geborene Saare wieder einmündet, erwuchs Saarmund. Im Rücken der Stadt aber, an den Südhängen der Zauche-Hügel, entſtanden Weinberge über Weinberge, ſo daß Deutſchland ein paar Jahrhunderte lang der Aus- zeichnung genoß, einen doppelten Saarwein zu produciren: einen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/434>, abgerufen am 25.04.2024.