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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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"Na, denn tauschen wir. Ich hab es gern, wenn er mir so
prall aufs Deckbett scheint."


4.
Blossin.

In aller Frühe brachen wir auf und machten den Weg vom
Tage vorher wieder zurück, einzig und allein mit dem Unter-
schiede, daß wir statt um die Nordspitze des Schermützel um seine
Südspitze herum fuhren.

Es waren dieselben Bilder, und Wagen und Gespräche
mahlten ruhig und unverändert weiter. Aus der Reihe der
letztern war eins über Zahnweh unbedingt das wichtigste, weil
Moll ein Mittel angab, wie diesem Urfeinde der Menschheit bei-
zukommen sei. Man müsse sich nämlich alle Morgen beim
Waschen erst die Hände trocknen und dann das Gesicht; das sei
probat und er wenigstens habe seitdem Ruhe.

Gegen Mittag erreichten wir Storkow, eine der beiden
Hauptstädte dieser Gegenden, und fuhren eine Stunde später um
den großen Wolziger See herum, an dessen Westufer ich in
einiger Entfernung unser eigentliches Reiseziel erkannte: Dorf
Blossin.

Dieses, trotzdem es nur klein und bloßes Filial zu Frieders-
dorf ist, ist doch nichtsdestoweniger als der Punkt im Beeskow-
Storkowschen anzusehn, dem der Ruhm einer eminent historischen
Oertlichkeit in erster Reihe zukommt. Es wohnten hier nämlich
die Queiße, von deren Schloß oder Herrnhaus aus die berühmte
Fehde des Nickel Minckwitz ihren Ursprung nahm, ein Fehde,
die mit der derselben Epoche zugehörigen des Michel Kohlhaas
eine gewisse Verwandtschaft hat.

Ich schildre nunmehr diese Minckwitz-Fehde nach den Auf-
zeichnungen Wohlbrücks und Engels.

„Na, denn tauſchen wir. Ich hab es gern, wenn er mir ſo
prall aufs Deckbett ſcheint.“


4.
Bloſſin.

In aller Frühe brachen wir auf und machten den Weg vom
Tage vorher wieder zurück, einzig und allein mit dem Unter-
ſchiede, daß wir ſtatt um die Nordſpitze des Schermützel um ſeine
Südſpitze herum fuhren.

Es waren dieſelben Bilder, und Wagen und Geſpräche
mahlten ruhig und unverändert weiter. Aus der Reihe der
letztern war eins über Zahnweh unbedingt das wichtigſte, weil
Moll ein Mittel angab, wie dieſem Urfeinde der Menſchheit bei-
zukommen ſei. Man müſſe ſich nämlich alle Morgen beim
Waſchen erſt die Hände trocknen und dann das Geſicht; das ſei
probat und er wenigſtens habe ſeitdem Ruhe.

Gegen Mittag erreichten wir Storkow, eine der beiden
Hauptſtädte dieſer Gegenden, und fuhren eine Stunde ſpäter um
den großen Wolziger See herum, an deſſen Weſtufer ich in
einiger Entfernung unſer eigentliches Reiſeziel erkannte: Dorf
Bloſſin.

Dieſes, trotzdem es nur klein und bloßes Filial zu Frieders-
dorf iſt, iſt doch nichtsdeſtoweniger als der Punkt im Beeskow-
Storkowſchen anzuſehn, dem der Ruhm einer eminent hiſtoriſchen
Oertlichkeit in erſter Reihe zukommt. Es wohnten hier nämlich
die Queiße, von deren Schloß oder Herrnhaus aus die berühmte
Fehde des Nickel Minckwitz ihren Urſprung nahm, ein Fehde,
die mit der derſelben Epoche zugehörigen des Michel Kohlhaas
eine gewiſſe Verwandtſchaft hat.

Ich ſchildre nunmehr dieſe Minckwitz-Fehde nach den Auf-
zeichnungen Wohlbrücks und Engels.

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[43/0059] „Na, denn tauſchen wir. Ich hab es gern, wenn er mir ſo prall aufs Deckbett ſcheint.“ 4. Bloſſin. In aller Frühe brachen wir auf und machten den Weg vom Tage vorher wieder zurück, einzig und allein mit dem Unter- ſchiede, daß wir ſtatt um die Nordſpitze des Schermützel um ſeine Südſpitze herum fuhren. Es waren dieſelben Bilder, und Wagen und Geſpräche mahlten ruhig und unverändert weiter. Aus der Reihe der letztern war eins über Zahnweh unbedingt das wichtigſte, weil Moll ein Mittel angab, wie dieſem Urfeinde der Menſchheit bei- zukommen ſei. Man müſſe ſich nämlich alle Morgen beim Waſchen erſt die Hände trocknen und dann das Geſicht; das ſei probat und er wenigſtens habe ſeitdem Ruhe. Gegen Mittag erreichten wir Storkow, eine der beiden Hauptſtädte dieſer Gegenden, und fuhren eine Stunde ſpäter um den großen Wolziger See herum, an deſſen Weſtufer ich in einiger Entfernung unſer eigentliches Reiſeziel erkannte: Dorf Bloſſin. Dieſes, trotzdem es nur klein und bloßes Filial zu Frieders- dorf iſt, iſt doch nichtsdeſtoweniger als der Punkt im Beeskow- Storkowſchen anzuſehn, dem der Ruhm einer eminent hiſtoriſchen Oertlichkeit in erſter Reihe zukommt. Es wohnten hier nämlich die Queiße, von deren Schloß oder Herrnhaus aus die berühmte Fehde des Nickel Minckwitz ihren Urſprung nahm, ein Fehde, die mit der derſelben Epoche zugehörigen des Michel Kohlhaas eine gewiſſe Verwandtſchaft hat. Ich ſchildre nunmehr dieſe Minckwitz-Fehde nach den Auf- zeichnungen Wohlbrücks und Engels.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/59>, abgerufen am 28.03.2024.