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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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mich um die Schloßinsel herum bis an die Ankerbucht, in der
die "Sphinx" still und friedlich unter einem Dach weit vorgestreckter
Ulmenzweige lag. Ein leiser Rauch stieg anheimelnd aus ihrem
Küchenschornstein auf. Nach kurzem Anruf faßte ich eines der
zwischen Mast und Schiffswandung straff ausgespannten Taue
und kletterte die Stufen, bloße angenagelte Brettstücke, hinauf.
Ich fand die Reisegesellschaft bereits versammelt. Es waren:
Capitän Backhusen, Lieutenant Apitz, Supercargo Nettermann.
Zu diesen drei Herren, die sich als Mitglieder des Seglerclubs
bereits bei mancher Regatta bewährt hatten, gesellte sich, als ein-
ziger Nicht-Gentleman an Bord, das Factotum Mudy. Er ver-
einigte in sich alle niedrigeren Schiffsgrade vom Vollmatrosen bis
zum Cajütenjungen, und führte jeden dieser Titel nicht nur als
scherzhaften nom de guerre, sondern mit allervollster Berechtigung.
Mit dem Stoßruder in der Hand hatte er sein halbes Leben auf
Rüdersdorfer Kalk- und Linumer Torfkähnen zugebracht. Seine
Dienste, wie immer die der Subalternen, waren unentbehrlich. Er
war auch Koch.

Nach Begrüßung und Vorstellung durch den Capitän, baten
alle drei Herren, sich auf eine gute halbe Stunde verabschieden zu
dürfen, da eine, meine eigenen Interessen mitberührende Frage,
die der Verproviantirung, noch zum Abschluß zu bringen sei.
Mudy werde mittlerweile die Honneurs machen, wenn ich es nicht
vorzöge, mich im Cöpenicker Schloßpark zu ergehen. Ich entschied
mich für den Park. Mudy blieb mir immer noch; man hat
nirgends so viel Zeit zu Personalstudien, wie an Bord eines
Schiffes. Eine schmale Falltreppe führte mich an's Ufer; dann,
meine Richtung auf das Schloß zu nehmend, erreichte ich ein
großes, von einem Kiesweg eingefaßtes Wiesenrondeel. Um diesen
Kiesweg herum, in weiter gespanntem Bogen, wuchsen Buschwerk
und Unterholz auf, aus deren dichtem Gewirr einzelne alte Bäume,
Eichen und Akazien, emporstiegen. Die Akazien füllten die Luft
mit Wohlgeruch. Es war ein köstlicher Abend. In den Nischen
des Buschwerkes standen halbzerbrochene Sandsteinfiguren, Urnen
und trauernde Engel, anzeigend, daß hier in halbvergessenen
Tagen irgend ein prinzeßlicher Vorleser, irgend ein Mitglied von
Hofstaat oder Capelle begraben worden sei. Nun schlugen die

mich um die Schloßinſel herum bis an die Ankerbucht, in der
die „Sphinx“ ſtill und friedlich unter einem Dach weit vorgeſtreckter
Ulmenzweige lag. Ein leiſer Rauch ſtieg anheimelnd aus ihrem
Küchenſchornſtein auf. Nach kurzem Anruf faßte ich eines der
zwiſchen Maſt und Schiffswandung ſtraff ausgeſpannten Taue
und kletterte die Stufen, bloße angenagelte Brettſtücke, hinauf.
Ich fand die Reiſegeſellſchaft bereits verſammelt. Es waren:
Capitän Backhuſen, Lieutenant Apitz, Supercargo Nettermann.
Zu dieſen drei Herren, die ſich als Mitglieder des Seglerclubs
bereits bei mancher Regatta bewährt hatten, geſellte ſich, als ein-
ziger Nicht-Gentleman an Bord, das Factotum Mudy. Er ver-
einigte in ſich alle niedrigeren Schiffsgrade vom Vollmatroſen bis
zum Cajütenjungen, und führte jeden dieſer Titel nicht nur als
ſcherzhaften nom de guerre, ſondern mit allervollſter Berechtigung.
Mit dem Stoßruder in der Hand hatte er ſein halbes Leben auf
Rüdersdorfer Kalk- und Linumer Torfkähnen zugebracht. Seine
Dienſte, wie immer die der Subalternen, waren unentbehrlich. Er
war auch Koch.

Nach Begrüßung und Vorſtellung durch den Capitän, baten
alle drei Herren, ſich auf eine gute halbe Stunde verabſchieden zu
dürfen, da eine, meine eigenen Intereſſen mitberührende Frage,
die der Verproviantirung, noch zum Abſchluß zu bringen ſei.
Mudy werde mittlerweile die Honneurs machen, wenn ich es nicht
vorzöge, mich im Cöpenicker Schloßpark zu ergehen. Ich entſchied
mich für den Park. Mudy blieb mir immer noch; man hat
nirgends ſo viel Zeit zu Perſonalſtudien, wie an Bord eines
Schiffes. Eine ſchmale Falltreppe führte mich an’s Ufer; dann,
meine Richtung auf das Schloß zu nehmend, erreichte ich ein
großes, von einem Kiesweg eingefaßtes Wieſenrondeel. Um dieſen
Kiesweg herum, in weiter geſpanntem Bogen, wuchſen Buſchwerk
und Unterholz auf, aus deren dichtem Gewirr einzelne alte Bäume,
Eichen und Akazien, emporſtiegen. Die Akazien füllten die Luft
mit Wohlgeruch. Es war ein köſtlicher Abend. In den Niſchen
des Buſchwerkes ſtanden halbzerbrochene Sandſteinfiguren, Urnen
und trauernde Engel, anzeigend, daß hier in halbvergeſſenen
Tagen irgend ein prinzeßlicher Vorleſer, irgend ein Mitglied von
Hofſtaat oder Capelle begraben worden ſei. Nun ſchlugen die

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[59/0075] mich um die Schloßinſel herum bis an die Ankerbucht, in der die „Sphinx“ ſtill und friedlich unter einem Dach weit vorgeſtreckter Ulmenzweige lag. Ein leiſer Rauch ſtieg anheimelnd aus ihrem Küchenſchornſtein auf. Nach kurzem Anruf faßte ich eines der zwiſchen Maſt und Schiffswandung ſtraff ausgeſpannten Taue und kletterte die Stufen, bloße angenagelte Brettſtücke, hinauf. Ich fand die Reiſegeſellſchaft bereits verſammelt. Es waren: Capitän Backhuſen, Lieutenant Apitz, Supercargo Nettermann. Zu dieſen drei Herren, die ſich als Mitglieder des Seglerclubs bereits bei mancher Regatta bewährt hatten, geſellte ſich, als ein- ziger Nicht-Gentleman an Bord, das Factotum Mudy. Er ver- einigte in ſich alle niedrigeren Schiffsgrade vom Vollmatroſen bis zum Cajütenjungen, und führte jeden dieſer Titel nicht nur als ſcherzhaften nom de guerre, ſondern mit allervollſter Berechtigung. Mit dem Stoßruder in der Hand hatte er ſein halbes Leben auf Rüdersdorfer Kalk- und Linumer Torfkähnen zugebracht. Seine Dienſte, wie immer die der Subalternen, waren unentbehrlich. Er war auch Koch. Nach Begrüßung und Vorſtellung durch den Capitän, baten alle drei Herren, ſich auf eine gute halbe Stunde verabſchieden zu dürfen, da eine, meine eigenen Intereſſen mitberührende Frage, die der Verproviantirung, noch zum Abſchluß zu bringen ſei. Mudy werde mittlerweile die Honneurs machen, wenn ich es nicht vorzöge, mich im Cöpenicker Schloßpark zu ergehen. Ich entſchied mich für den Park. Mudy blieb mir immer noch; man hat nirgends ſo viel Zeit zu Perſonalſtudien, wie an Bord eines Schiffes. Eine ſchmale Falltreppe führte mich an’s Ufer; dann, meine Richtung auf das Schloß zu nehmend, erreichte ich ein großes, von einem Kiesweg eingefaßtes Wieſenrondeel. Um dieſen Kiesweg herum, in weiter geſpanntem Bogen, wuchſen Buſchwerk und Unterholz auf, aus deren dichtem Gewirr einzelne alte Bäume, Eichen und Akazien, emporſtiegen. Die Akazien füllten die Luft mit Wohlgeruch. Es war ein köſtlicher Abend. In den Niſchen des Buſchwerkes ſtanden halbzerbrochene Sandſteinfiguren, Urnen und trauernde Engel, anzeigend, daß hier in halbvergeſſenen Tagen irgend ein prinzeßlicher Vorleſer, irgend ein Mitglied von Hofſtaat oder Capelle begraben worden ſei. Nun ſchlugen die

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/75>, abgerufen am 25.04.2024.