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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Einundzwanzigstes Kapitel.

Rienäcker, als er wieder allein war, war von
dieser Begegnung und vor allem von dem, was er
zuletzt gehört, wie benommen. Wenn er sich, in der
zwischenliegenden Zeit, des kleinen Gärtnerhauses
und seiner Insassen erinnert hatte, so hatte sich ihm
selbstverständlich alles so vor die Seele gestellt, wie's
einst gewesen war, und nun war alles anders und
er hatte sich in einer ganz neuen Welt zurechtzu¬
finden: in dem Häuschen wohnten Fremde, wenn es
überhaupt noch bewohnt war, auf dem Herde brannte
kein Feuer mehr, wenigstens nicht tagaus tagein,
und Frau Nimptsch, die das Feuer gehütet hatte,
war todt und lag draußen auf dem Jakobikirchhof.
Alles das ging in ihm um und mit einem Male
stand auch der Tag wieder vor ihm, an dem er der
alten Frau, halb humoristisch, halb feierlich, ver¬

Einundzwanzigſtes Kapitel.

Rienäcker, als er wieder allein war, war von
dieſer Begegnung und vor allem von dem, was er
zuletzt gehört, wie benommen. Wenn er ſich, in der
zwiſchenliegenden Zeit, des kleinen Gärtnerhauſes
und ſeiner Inſaſſen erinnert hatte, ſo hatte ſich ihm
ſelbſtverſtändlich alles ſo vor die Seele geſtellt, wie's
einſt geweſen war, und nun war alles anders und
er hatte ſich in einer ganz neuen Welt zurechtzu¬
finden: in dem Häuschen wohnten Fremde, wenn es
überhaupt noch bewohnt war, auf dem Herde brannte
kein Feuer mehr, wenigſtens nicht tagaus tagein,
und Frau Nimptſch, die das Feuer gehütet hatte,
war todt und lag draußen auf dem Jakobikirchhof.
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ſtand auch der Tag wieder vor ihm, an dem er der
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[[231]/0241] Einundzwanzigſtes Kapitel. Rienäcker, als er wieder allein war, war von dieſer Begegnung und vor allem von dem, was er zuletzt gehört, wie benommen. Wenn er ſich, in der zwiſchenliegenden Zeit, des kleinen Gärtnerhauſes und ſeiner Inſaſſen erinnert hatte, ſo hatte ſich ihm ſelbſtverſtändlich alles ſo vor die Seele geſtellt, wie's einſt geweſen war, und nun war alles anders und er hatte ſich in einer ganz neuen Welt zurechtzu¬ finden: in dem Häuschen wohnten Fremde, wenn es überhaupt noch bewohnt war, auf dem Herde brannte kein Feuer mehr, wenigſtens nicht tagaus tagein, und Frau Nimptſch, die das Feuer gehütet hatte, war todt und lag draußen auf dem Jakobikirchhof. Alles das ging in ihm um und mit einem Male ſtand auch der Tag wieder vor ihm, an dem er der alten Frau, halb humoriſtiſch, halb feierlich, ver¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. [231]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/241>, abgerufen am 25.04.2024.