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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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in einer klapprigen alten Droschke die lange, lange
Fahrt am Kanal hin gemeinschaftlich gemacht, immer
bemüht, ein Gespräch über die Parthie und "wie
hübsch sie gewesen sei", zu Stande zu bringen --
eine schreckliche Zwangsunterhaltung, bei der Botho
nur zu sehr gefühlt hatte, wie richtig Lenens Em¬
pfindung gewesen war, als sie von dieser Begleitung
in beinahe beschwörendem Tone nichts hatte wissen
wollen. Ja, der Ausflug nach "Hankels Ablage",
von dem man sich so viel versprochen und der auch
wirklich so schön und glücklich begonnen hatte, war
in seinem Ausgange nichts als eine Mischung von
Verstimmung, Müdigkeit und Abspannung gewesen
und nur im letzten Augenblick, wo Botho liebevoll
freundlich und mit einem gewissen Schuldbewußtsein
sein "gute Nacht, Lene" gesagt hatte, war diese
noch einmal auf ihn zugeeilt und hatte, seine Hand
ergreifend, ihn mit beinah leidenschaftlichem Ungestüm
geküßt: "Ach, Botho, es war heute nicht so, wie's
hätte sein sollen, und doch war Niemand Schuld . .
Auch die andern nicht."

"Laß es, Lene."

"Nein, nein. Es war Niemand Schuld, dabei
bleibt es, daran ist nichts zu ändern. Aber daß
es so ist, das ist eben das Schlimme daran. Wenn
wer Schuld hat, dann bittet man um Verzeihung

Fontane, Irrungen. 10

in einer klapprigen alten Droſchke die lange, lange
Fahrt am Kanal hin gemeinſchaftlich gemacht, immer
bemüht, ein Geſpräch über die Parthie und „wie
hübſch ſie geweſen ſei“, zu Stande zu bringen —
eine ſchreckliche Zwangsunterhaltung, bei der Botho
nur zu ſehr gefühlt hatte, wie richtig Lenens Em¬
pfindung geweſen war, als ſie von dieſer Begleitung
in beinahe beſchwörendem Tone nichts hatte wiſſen
wollen. Ja, der Ausflug nach „Hankels Ablage“,
von dem man ſich ſo viel verſprochen und der auch
wirklich ſo ſchön und glücklich begonnen hatte, war
in ſeinem Ausgange nichts als eine Miſchung von
Verſtimmung, Müdigkeit und Abſpannung geweſen
und nur im letzten Augenblick, wo Botho liebevoll
freundlich und mit einem gewiſſen Schuldbewußtſein
ſein „gute Nacht, Lene“ geſagt hatte, war dieſe
noch einmal auf ihn zugeeilt und hatte, ſeine Hand
ergreifend, ihn mit beinah leidenſchaftlichem Ungeſtüm
geküßt: „Ach, Botho, es war heute nicht ſo, wie's
hätte ſein ſollen, und doch war Niemand Schuld . .
Auch die andern nicht.“

„Laß es, Lene.“

„Nein, nein. Es war Niemand Schuld, dabei
bleibt es, daran iſt nichts zu ändern. Aber daß
es ſo iſt, das iſt eben das Schlimme daran. Wenn
wer Schuld hat, dann bittet man um Verzeihung

Fontane, Irrungen. 10
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[145/0155] in einer klapprigen alten Droſchke die lange, lange Fahrt am Kanal hin gemeinſchaftlich gemacht, immer bemüht, ein Geſpräch über die Parthie und „wie hübſch ſie geweſen ſei“, zu Stande zu bringen — eine ſchreckliche Zwangsunterhaltung, bei der Botho nur zu ſehr gefühlt hatte, wie richtig Lenens Em¬ pfindung geweſen war, als ſie von dieſer Begleitung in beinahe beſchwörendem Tone nichts hatte wiſſen wollen. Ja, der Ausflug nach „Hankels Ablage“, von dem man ſich ſo viel verſprochen und der auch wirklich ſo ſchön und glücklich begonnen hatte, war in ſeinem Ausgange nichts als eine Miſchung von Verſtimmung, Müdigkeit und Abſpannung geweſen und nur im letzten Augenblick, wo Botho liebevoll freundlich und mit einem gewiſſen Schuldbewußtſein ſein „gute Nacht, Lene“ geſagt hatte, war dieſe noch einmal auf ihn zugeeilt und hatte, ſeine Hand ergreifend, ihn mit beinah leidenſchaftlichem Ungeſtüm geküßt: „Ach, Botho, es war heute nicht ſo, wie's hätte ſein ſollen, und doch war Niemand Schuld . . Auch die andern nicht.“ „Laß es, Lene.“ „Nein, nein. Es war Niemand Schuld, dabei bleibt es, daran iſt nichts zu ändern. Aber daß es ſo iſt, das iſt eben das Schlimme daran. Wenn wer Schuld hat, dann bittet man um Verzeihung Fontane, Irrungen. 10

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/155>, abgerufen am 28.03.2024.