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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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sich in den Bäumen, und nur Leuchtkäfer schwirrten
durch die Luft.

Lene hatte sich in Botho's Arm gehängt und
schritt mit ihm auf das Ende des Gartens zu, wo,
zwischen zwei Silberpappeln, eine Bank stand.

"Wollen wir uns setzen?"

"Nein," sagte Lene, "nicht jetzt," und bog in
einen Seitenweg ein, dessen hochstehende Himbeer¬
büsche fast über den Gartenzaun hinaus wuchsen.
"Ich gehe so gern an Deinem Arm, Erzähle mir
etwas. Aber etwas recht Hübsches. Oder frage."

"Gut. Ist es Dir recht, wenn ich mit den
Dörr's anfange?"

"Meinetwegen."

"Ein sonderbares Paar. Und dabei, glaub' ich,
glücklich. Er muß thun was sie will und ist doch
um vieles klüger."

"Ja," sagte Lene, "klüger ist er, aber auch
geizig und hartherzig und das macht ihn gefügig,
weil er beständig ein schlechtes Gewissen hat. Sie
sieht ihm scharf auf die Finger und leidet es nicht,
wenn er jemand übervortheilen will. Und das ist
es, wovor er Furcht hat und was ihn nachgiebig
macht."

"Und weiter nichts?"

"Vielleicht auch noch Liebe, so sonderbar es klingt.
Das heißt Liebe von seiner Seite. Denn trotz seiner

ſich in den Bäumen, und nur Leuchtkäfer ſchwirrten
durch die Luft.

Lene hatte ſich in Botho's Arm gehängt und
ſchritt mit ihm auf das Ende des Gartens zu, wo,
zwiſchen zwei Silberpappeln, eine Bank ſtand.

„Wollen wir uns ſetzen?“

„Nein,“ ſagte Lene, „nicht jetzt,“ und bog in
einen Seitenweg ein, deſſen hochſtehende Himbeer¬
büſche faſt über den Gartenzaun hinaus wuchſen.
„Ich gehe ſo gern an Deinem Arm, Erzähle mir
etwas. Aber etwas recht Hübſches. Oder frage.“

„Gut. Iſt es Dir recht, wenn ich mit den
Dörr's anfange?“

„Meinetwegen.“

„Ein ſonderbares Paar. Und dabei, glaub' ich,
glücklich. Er muß thun was ſie will und iſt doch
um vieles klüger.“

„Ja,“ ſagte Lene, „klüger iſt er, aber auch
geizig und hartherzig und das macht ihn gefügig,
weil er beſtändig ein ſchlechtes Gewiſſen hat. Sie
ſieht ihm ſcharf auf die Finger und leidet es nicht,
wenn er jemand übervortheilen will. Und das iſt
es, wovor er Furcht hat und was ihn nachgiebig
macht.“

„Und weiter nichts?“

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[44/0054] ſich in den Bäumen, und nur Leuchtkäfer ſchwirrten durch die Luft. Lene hatte ſich in Botho's Arm gehängt und ſchritt mit ihm auf das Ende des Gartens zu, wo, zwiſchen zwei Silberpappeln, eine Bank ſtand. „Wollen wir uns ſetzen?“ „Nein,“ ſagte Lene, „nicht jetzt,“ und bog in einen Seitenweg ein, deſſen hochſtehende Himbeer¬ büſche faſt über den Gartenzaun hinaus wuchſen. „Ich gehe ſo gern an Deinem Arm, Erzähle mir etwas. Aber etwas recht Hübſches. Oder frage.“ „Gut. Iſt es Dir recht, wenn ich mit den Dörr's anfange?“ „Meinetwegen.“ „Ein ſonderbares Paar. Und dabei, glaub' ich, glücklich. Er muß thun was ſie will und iſt doch um vieles klüger.“ „Ja,“ ſagte Lene, „klüger iſt er, aber auch geizig und hartherzig und das macht ihn gefügig, weil er beſtändig ein ſchlechtes Gewiſſen hat. Sie ſieht ihm ſcharf auf die Finger und leidet es nicht, wenn er jemand übervortheilen will. Und das iſt es, wovor er Furcht hat und was ihn nachgiebig macht.“ „Und weiter nichts?“ „Vielleicht auch noch Liebe, ſo ſonderbar es klingt. Das heißt Liebe von ſeiner Seite. Denn trotz ſeiner

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/54>, abgerufen am 28.03.2024.