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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Zweites Kapitel.

Ziemlich um dieselbe Zeit, wo der Telegraphen¬
bote bei Gundermanns vorsprach, um die Bestellung
des alten Herrn von Stechlin auszurichten, ritten Wol¬
demar, Rex und Czako, die sich für sechs Uhr ange¬
meldet hatten, in breiter Front von Cremmen ab; Fritz,
Woldemars Reitknecht, folgte den dreien. Der Weg
ging über Wutz. Als sie bis in Nähe von Dorf und
Kloster dieses Namens gekommen waren, bog Woldemar
vorsichtig nach links hin aus, weil er der Möglichkeit
entgehen wollte, seiner Tante Adelheid, der Domina des
Klosters, zu begegnen. Er stand zwar gut mit dieser
und hatte sogar vor, ihr, wie herkömmlich, auf dem
Rückwege nach Berlin seinen Besuch zu machen, aber
in diesem Augenblick paßte ihm solche Begegnung, die
sein pünktliches Eintreffen in Stechlin gehindert haben
würde, herzlich schlecht. So beschrieb er denn einen
weiten Halbkreis und hatte das Kloster schon um eine
Viertelstunde hinter sich, als er sich wieder der Haupt¬
straße zuwandte. Diese, durch Moor- und Wiesengründe
führend, war ein vorzüglicher Reitweg, der an vielen
Stellen noch eine Grasnarbe trug, weshalb es andert¬
halb Meilen lang in einem scharfen Trabe vorwärts
ging, bis an eine Avenue heran, die geradlinig auf
Schloß Stechlin zuführte. Hier ließen alle drei die
Zügel fallen und ritten im Schritt weiter. Über ihnen

Zweites Kapitel.

Ziemlich um dieſelbe Zeit, wo der Telegraphen¬
bote bei Gundermanns vorſprach, um die Beſtellung
des alten Herrn von Stechlin auszurichten, ritten Wol¬
demar, Rex und Czako, die ſich für ſechs Uhr ange¬
meldet hatten, in breiter Front von Cremmen ab; Fritz,
Woldemars Reitknecht, folgte den dreien. Der Weg
ging über Wutz. Als ſie bis in Nähe von Dorf und
Kloſter dieſes Namens gekommen waren, bog Woldemar
vorſichtig nach links hin aus, weil er der Möglichkeit
entgehen wollte, ſeiner Tante Adelheid, der Domina des
Kloſters, zu begegnen. Er ſtand zwar gut mit dieſer
und hatte ſogar vor, ihr, wie herkömmlich, auf dem
Rückwege nach Berlin ſeinen Beſuch zu machen, aber
in dieſem Augenblick paßte ihm ſolche Begegnung, die
ſein pünktliches Eintreffen in Stechlin gehindert haben
würde, herzlich ſchlecht. So beſchrieb er denn einen
weiten Halbkreis und hatte das Kloſter ſchon um eine
Viertelſtunde hinter ſich, als er ſich wieder der Haupt¬
ſtraße zuwandte. Dieſe, durch Moor- und Wieſengründe
führend, war ein vorzüglicher Reitweg, der an vielen
Stellen noch eine Grasnarbe trug, weshalb es andert¬
halb Meilen lang in einem ſcharfen Trabe vorwärts
ging, bis an eine Avenue heran, die geradlinig auf
Schloß Stechlin zuführte. Hier ließen alle drei die
Zügel fallen und ritten im Schritt weiter. Über ihnen

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[[16]/0023] Zweites Kapitel. Ziemlich um dieſelbe Zeit, wo der Telegraphen¬ bote bei Gundermanns vorſprach, um die Beſtellung des alten Herrn von Stechlin auszurichten, ritten Wol¬ demar, Rex und Czako, die ſich für ſechs Uhr ange¬ meldet hatten, in breiter Front von Cremmen ab; Fritz, Woldemars Reitknecht, folgte den dreien. Der Weg ging über Wutz. Als ſie bis in Nähe von Dorf und Kloſter dieſes Namens gekommen waren, bog Woldemar vorſichtig nach links hin aus, weil er der Möglichkeit entgehen wollte, ſeiner Tante Adelheid, der Domina des Kloſters, zu begegnen. Er ſtand zwar gut mit dieſer und hatte ſogar vor, ihr, wie herkömmlich, auf dem Rückwege nach Berlin ſeinen Beſuch zu machen, aber in dieſem Augenblick paßte ihm ſolche Begegnung, die ſein pünktliches Eintreffen in Stechlin gehindert haben würde, herzlich ſchlecht. So beſchrieb er denn einen weiten Halbkreis und hatte das Kloſter ſchon um eine Viertelſtunde hinter ſich, als er ſich wieder der Haupt¬ ſtraße zuwandte. Dieſe, durch Moor- und Wieſengründe führend, war ein vorzüglicher Reitweg, der an vielen Stellen noch eine Grasnarbe trug, weshalb es andert¬ halb Meilen lang in einem ſcharfen Trabe vorwärts ging, bis an eine Avenue heran, die geradlinig auf Schloß Stechlin zuführte. Hier ließen alle drei die Zügel fallen und ritten im Schritt weiter. Über ihnen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [16]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/23>, abgerufen am 18.04.2024.