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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Vierzigstes Kapitel.

Agnes, während oben die gereizte Scene zwischen
Bruder und Schwester spielte, war unten in der Küche
bei Mamsell Pritzbur und erzählte von Berlin, wo sie
vorigen Sommer bei ihrer Mutter auf Besuch gewesen
war. "Eins war da," sagte sie, "das hieß das
Aquarium. Da lag eine Schlange, die war so dick
wie 'n Bein."

"Aber hast du denn schon Beine gesehn?" fragte
die Pritzbur.

"Aber, Mamsell Pritzbur, ich werde doch wohl
schon Beine gesehn haben ... Und dann, an einem
andern Tag, da waren wir in einem ,Tiergarten', aber
in einem richtigen, mit allerlei Tieren drin. Und den
nennen sie den ,Zoologischen'."

"Ja, davon hab' ich auch schon gehört."

"Und in dem ,Zoologischen', da war ein ganz
kleiner See, noch viel kleiner als unser Stechlin, und
in dem See standen allerlei Vögel. Und einer, ganz
wie 'n Storch, stand auf einem Bein."

Als die Mädchen das Wort "Storch" hörten,
kamen sie näher heran.

"Aber die Beine von dem Vogel, oder es waren
wohl mehrere Vögel, die waren viel größer als Storchen¬
beine und auch viel dicker und viel röter."

"Und thaten sie dir nichts?"

Vierzigſtes Kapitel.

Agnes, während oben die gereizte Scene zwiſchen
Bruder und Schweſter ſpielte, war unten in der Küche
bei Mamſell Pritzbur und erzählte von Berlin, wo ſie
vorigen Sommer bei ihrer Mutter auf Beſuch geweſen
war. „Eins war da,“ ſagte ſie, „das hieß das
Aquarium. Da lag eine Schlange, die war ſo dick
wie 'n Bein.“

„Aber haſt du denn ſchon Beine geſehn?“ fragte
die Pritzbur.

„Aber, Mamſell Pritzbur, ich werde doch wohl
ſchon Beine geſehn haben ... Und dann, an einem
andern Tag, da waren wir in einem ‚Tiergarten‘, aber
in einem richtigen, mit allerlei Tieren drin. Und den
nennen ſie den ‚Zoologiſchen‘.“

„Ja, davon hab' ich auch ſchon gehört.“

„Und in dem ‚Zoologiſchen‘, da war ein ganz
kleiner See, noch viel kleiner als unſer Stechlin, und
in dem See ſtanden allerlei Vögel. Und einer, ganz
wie 'n Storch, ſtand auf einem Bein.“

Als die Mädchen das Wort „Storch“ hörten,
kamen ſie näher heran.

„Aber die Beine von dem Vogel, oder es waren
wohl mehrere Vögel, die waren viel größer als Storchen¬
beine und auch viel dicker und viel röter.“

„Und thaten ſie dir nichts?“

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[[471]/0478] Vierzigſtes Kapitel. Agnes, während oben die gereizte Scene zwiſchen Bruder und Schweſter ſpielte, war unten in der Küche bei Mamſell Pritzbur und erzählte von Berlin, wo ſie vorigen Sommer bei ihrer Mutter auf Beſuch geweſen war. „Eins war da,“ ſagte ſie, „das hieß das Aquarium. Da lag eine Schlange, die war ſo dick wie 'n Bein.“ „Aber haſt du denn ſchon Beine geſehn?“ fragte die Pritzbur. „Aber, Mamſell Pritzbur, ich werde doch wohl ſchon Beine geſehn haben ... Und dann, an einem andern Tag, da waren wir in einem ‚Tiergarten‘, aber in einem richtigen, mit allerlei Tieren drin. Und den nennen ſie den ‚Zoologiſchen‘.“ „Ja, davon hab' ich auch ſchon gehört.“ „Und in dem ‚Zoologiſchen‘, da war ein ganz kleiner See, noch viel kleiner als unſer Stechlin, und in dem See ſtanden allerlei Vögel. Und einer, ganz wie 'n Storch, ſtand auf einem Bein.“ Als die Mädchen das Wort „Storch“ hörten, kamen ſie näher heran. „Aber die Beine von dem Vogel, oder es waren wohl mehrere Vögel, die waren viel größer als Storchen¬ beine und auch viel dicker und viel röter.“ „Und thaten ſie dir nichts?“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [471]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/478>, abgerufen am 24.04.2024.