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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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diesen Satz kannst du dich verlassen. Und so bleibe denn,
wenn du suchst, in unsrer Mark und vergiß nie, daß wir
das sind, was man so ,brandenburgische Geschichte' nennt.
Am eindringlichsten aber laß dir unsre Rheinsberger
Gegend empfohlen sein, von der mir selbst Koseleger --
trotzdem seine Feinde behaupten, er betrachte sich hier
bloß wie in Verbannung und sehne sich fort nach einer
Berliner Domstelle -- von der mir selbst Koseleger sagte:
,Wenn man sich die preußische Geschichte genau ansieht,
so findet man immer, daß sich alles auf unsre alte, liebe
Grafschaft zurückführen läßt; da liegen die Wurzeln
unsrer Kraft.' Und so schließe ich denn mit der Bitte:
heirate heimisch und heirate lutherisch. Und nicht nach
Geld (Geld erniedrigt) und halte dich dabei versichert der
Liebe deiner dich herzlich liebenden Tante und Patin
Adelheid von St."

Woldemar lachte. "Heirate heimisch und heirate
lutherisch -- das hör' ich nun schon seit Jahren. Und
auch das dritte höre ich immer wieder: ,Geld erniedrigt'.
Aber das kenn' ich. Wenn's nur recht viel ist, kann es
schließlich auch eine Chinesin sein. In der Mark ist alles
Geldfrage. Geld -- weil keins da ist -- spricht Person
und Sache heilig und, was noch mehr sagen will, be¬
schwichtigt zuletzt auch den Eigensinn einer alten Tante."

Während er lachend so vor sich hin sprach, überflog
er noch einmal den Brief und sah jetzt, daß eine Nach¬
schrift an den Rand der vierten Seite gekritzelt war.
"Eben war Katzler hier, der mir von der am Sonn¬
abend in unserm Kreise stattfindenden Nachwahl erzählte.
Dein Vater ist aufgestellt worden und hat auch ange¬
nommen. Er bleibt doch immer der Alte. Gewiß wird
er sich einbilden, ein Opfer zu bringen, -- er litt von
Jugend auf an solchen Einbildungen. Aber was ihm
ein Opfer bedünkte, waren, bei Lichte besehen, immer
bloß Eitelkeiten. Deine A. von St."


dieſen Satz kannſt du dich verlaſſen. Und ſo bleibe denn,
wenn du ſuchſt, in unſrer Mark und vergiß nie, daß wir
das ſind, was man ſo ‚brandenburgiſche Geſchichte‘ nennt.
Am eindringlichſten aber laß dir unſre Rheinsberger
Gegend empfohlen ſein, von der mir ſelbſt Koſeleger —
trotzdem ſeine Feinde behaupten, er betrachte ſich hier
bloß wie in Verbannung und ſehne ſich fort nach einer
Berliner Domſtelle — von der mir ſelbſt Koſeleger ſagte:
‚Wenn man ſich die preußiſche Geſchichte genau anſieht,
ſo findet man immer, daß ſich alles auf unſre alte, liebe
Grafſchaft zurückführen läßt; da liegen die Wurzeln
unſrer Kraft.‘ Und ſo ſchließe ich denn mit der Bitte:
heirate heimiſch und heirate lutheriſch. Und nicht nach
Geld (Geld erniedrigt) und halte dich dabei verſichert der
Liebe deiner dich herzlich liebenden Tante und Patin
Adelheid von St.“

Woldemar lachte. „Heirate heimiſch und heirate
lutheriſch — das hör' ich nun ſchon ſeit Jahren. Und
auch das dritte höre ich immer wieder: ‚Geld erniedrigt‘.
Aber das kenn' ich. Wenn's nur recht viel iſt, kann es
ſchließlich auch eine Chineſin ſein. In der Mark iſt alles
Geldfrage. Geld — weil keins da iſt — ſpricht Perſon
und Sache heilig und, was noch mehr ſagen will, be¬
ſchwichtigt zuletzt auch den Eigenſinn einer alten Tante.“

Während er lachend ſo vor ſich hin ſprach, überflog
er noch einmal den Brief und ſah jetzt, daß eine Nach¬
ſchrift an den Rand der vierten Seite gekritzelt war.
„Eben war Katzler hier, der mir von der am Sonn¬
abend in unſerm Kreiſe ſtattfindenden Nachwahl erzählte.
Dein Vater iſt aufgeſtellt worden und hat auch ange¬
nommen. Er bleibt doch immer der Alte. Gewiß wird
er ſich einbilden, ein Opfer zu bringen, — er litt von
Jugend auf an ſolchen Einbildungen. Aber was ihm
ein Opfer bedünkte, waren, bei Lichte beſehen, immer
bloß Eitelkeiten. Deine A. von St.“


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[208/0215] dieſen Satz kannſt du dich verlaſſen. Und ſo bleibe denn, wenn du ſuchſt, in unſrer Mark und vergiß nie, daß wir das ſind, was man ſo ‚brandenburgiſche Geſchichte‘ nennt. Am eindringlichſten aber laß dir unſre Rheinsberger Gegend empfohlen ſein, von der mir ſelbſt Koſeleger — trotzdem ſeine Feinde behaupten, er betrachte ſich hier bloß wie in Verbannung und ſehne ſich fort nach einer Berliner Domſtelle — von der mir ſelbſt Koſeleger ſagte: ‚Wenn man ſich die preußiſche Geſchichte genau anſieht, ſo findet man immer, daß ſich alles auf unſre alte, liebe Grafſchaft zurückführen läßt; da liegen die Wurzeln unſrer Kraft.‘ Und ſo ſchließe ich denn mit der Bitte: heirate heimiſch und heirate lutheriſch. Und nicht nach Geld (Geld erniedrigt) und halte dich dabei verſichert der Liebe deiner dich herzlich liebenden Tante und Patin Adelheid von St.“ Woldemar lachte. „Heirate heimiſch und heirate lutheriſch — das hör' ich nun ſchon ſeit Jahren. Und auch das dritte höre ich immer wieder: ‚Geld erniedrigt‘. Aber das kenn' ich. Wenn's nur recht viel iſt, kann es ſchließlich auch eine Chineſin ſein. In der Mark iſt alles Geldfrage. Geld — weil keins da iſt — ſpricht Perſon und Sache heilig und, was noch mehr ſagen will, be¬ ſchwichtigt zuletzt auch den Eigenſinn einer alten Tante.“ Während er lachend ſo vor ſich hin ſprach, überflog er noch einmal den Brief und ſah jetzt, daß eine Nach¬ ſchrift an den Rand der vierten Seite gekritzelt war. „Eben war Katzler hier, der mir von der am Sonn¬ abend in unſerm Kreiſe ſtattfindenden Nachwahl erzählte. Dein Vater iſt aufgeſtellt worden und hat auch ange¬ nommen. Er bleibt doch immer der Alte. Gewiß wird er ſich einbilden, ein Opfer zu bringen, — er litt von Jugend auf an ſolchen Einbildungen. Aber was ihm ein Opfer bedünkte, waren, bei Lichte beſehen, immer bloß Eitelkeiten. Deine A. von St.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/215>, abgerufen am 23.04.2024.