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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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labern dazwischen, sah es beinah' aus wie ein Bild
von Skarbina. Kennen Sie Skarbina?"

"Gewiß," sagte Melusine, "den kenn' ich sehr gut.
Aber allerdings erst von der letzten Ausstellung her.
Und was, außer den Gaslaternen im Nebel, mir so
eigentlich von ihm vorschwebt, das ist ein kleines Bild:
langer Hotelkorridor, Thür an Thür, und vor einer der
vielen Thüren ein paar Damenstiefelchen. Reizend.
Aber die Hauptsache war doch die Beleuchtung. Von
irgend woher fiel ein Licht ein und vergoldete das
Ganze, den Flur und die Stiefelchen."

"Richtig," sagte die Baronin. "Das war von ihm.
Und gerade das hat Ihnen so sehr gefallen?"

"Ja. Was auch natürlich ist. In meinen italie¬
nischen Tagen -- wenn ich von ,italienischen Tagen'
spreche, so meine ich übrigens nie meine Verheiratungs¬
tage; während meiner Verheiratungstage hab' ich Gott
sei Dank so gut wie garnichts gesehn, kaum meinen
Mann, aber freilich immer noch zu viel -- also während
meiner italienischen Tage hab' ich vor so vielen Himmel¬
fahrten gestanden, daß ich jetzt für Stiefeletten im
Sonnenschein bin."

"Ganz mein Fall, liebe Melusine. Freilich bin
ich jetzt nebenher auch noch fürs Japanische: Wasser und
drei Binsen und ein Storch daneben. In meinen Jahren
darf ich ja von Storch sprechen. Früher hätt' ich viel¬
leicht Kranich gesagt."

"Nein, Baronin, das glaub' ich Ihnen nicht. Sie
waren immer für das, was Sie jetzt Realismus nennen,
was meistens mehr Ton und Farbe hat, und dazu ge¬
hört auch der Storch. Deshalb lieb' ich Sie ja gerade
so sehr. Ach, daß doch das Natürliche wieder obenauf
käme."

"Kommt, liebe Melusine."


labern dazwiſchen, ſah es beinah' aus wie ein Bild
von Skarbina. Kennen Sie Skarbina?“

„Gewiß,“ ſagte Meluſine, „den kenn' ich ſehr gut.
Aber allerdings erſt von der letzten Ausſtellung her.
Und was, außer den Gaslaternen im Nebel, mir ſo
eigentlich von ihm vorſchwebt, das iſt ein kleines Bild:
langer Hotelkorridor, Thür an Thür, und vor einer der
vielen Thüren ein paar Damenſtiefelchen. Reizend.
Aber die Hauptſache war doch die Beleuchtung. Von
irgend woher fiel ein Licht ein und vergoldete das
Ganze, den Flur und die Stiefelchen.“

„Richtig,“ ſagte die Baronin. „Das war von ihm.
Und gerade das hat Ihnen ſo ſehr gefallen?“

„Ja. Was auch natürlich iſt. In meinen italie¬
niſchen Tagen — wenn ich von ‚italieniſchen Tagen‘
ſpreche, ſo meine ich übrigens nie meine Verheiratungs¬
tage; während meiner Verheiratungstage hab' ich Gott
ſei Dank ſo gut wie garnichts geſehn, kaum meinen
Mann, aber freilich immer noch zu viel — alſo während
meiner italieniſchen Tage hab' ich vor ſo vielen Himmel¬
fahrten geſtanden, daß ich jetzt für Stiefeletten im
Sonnenſchein bin.“

„Ganz mein Fall, liebe Meluſine. Freilich bin
ich jetzt nebenher auch noch fürs Japaniſche: Waſſer und
drei Binſen und ein Storch daneben. In meinen Jahren
darf ich ja von Storch ſprechen. Früher hätt' ich viel¬
leicht Kranich geſagt.“

„Nein, Baronin, das glaub' ich Ihnen nicht. Sie
waren immer für das, was Sie jetzt Realismus nennen,
was meiſtens mehr Ton und Farbe hat, und dazu ge¬
hört auch der Storch. Deshalb lieb' ich Sie ja gerade
ſo ſehr. Ach, daß doch das Natürliche wieder obenauf
käme.“

„Kommt, liebe Meluſine.“


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[298/0305] labern dazwiſchen, ſah es beinah' aus wie ein Bild von Skarbina. Kennen Sie Skarbina?“ „Gewiß,“ ſagte Meluſine, „den kenn' ich ſehr gut. Aber allerdings erſt von der letzten Ausſtellung her. Und was, außer den Gaslaternen im Nebel, mir ſo eigentlich von ihm vorſchwebt, das iſt ein kleines Bild: langer Hotelkorridor, Thür an Thür, und vor einer der vielen Thüren ein paar Damenſtiefelchen. Reizend. Aber die Hauptſache war doch die Beleuchtung. Von irgend woher fiel ein Licht ein und vergoldete das Ganze, den Flur und die Stiefelchen.“ „Richtig,“ ſagte die Baronin. „Das war von ihm. Und gerade das hat Ihnen ſo ſehr gefallen?“ „Ja. Was auch natürlich iſt. In meinen italie¬ niſchen Tagen — wenn ich von ‚italieniſchen Tagen‘ ſpreche, ſo meine ich übrigens nie meine Verheiratungs¬ tage; während meiner Verheiratungstage hab' ich Gott ſei Dank ſo gut wie garnichts geſehn, kaum meinen Mann, aber freilich immer noch zu viel — alſo während meiner italieniſchen Tage hab' ich vor ſo vielen Himmel¬ fahrten geſtanden, daß ich jetzt für Stiefeletten im Sonnenſchein bin.“ „Ganz mein Fall, liebe Meluſine. Freilich bin ich jetzt nebenher auch noch fürs Japaniſche: Waſſer und drei Binſen und ein Storch daneben. In meinen Jahren darf ich ja von Storch ſprechen. Früher hätt' ich viel¬ leicht Kranich geſagt.“ „Nein, Baronin, das glaub' ich Ihnen nicht. Sie waren immer für das, was Sie jetzt Realismus nennen, was meiſtens mehr Ton und Farbe hat, und dazu ge¬ hört auch der Storch. Deshalb lieb' ich Sie ja gerade ſo ſehr. Ach, daß doch das Natürliche wieder obenauf käme.“ „Kommt, liebe Meluſine.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/305>, abgerufen am 25.04.2024.