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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Drei Tage später war Woldemar zurück und meldete
sich für den nächsten Abend am Kronprinzenufer an. Er
traf nur die beiden Damen, die, Melusine voran, kein
Hehl aus ihrer Freude machten. "Papa läßt Ihnen sein
Bedauern aussprechen, Sie nicht gleich heute mitbegrüßen
zu können. Er ist bei den Berchtesgadens zur Spiel¬
partie, bei der er natürlich nicht fehlen durfte. Das ist
"Dienst", weit strenger als der Ihrige. Wir haben Sie
nun ganz allein, und das ist auch etwas Gutes. An
Besuch ist kaum zu denken; Rex war erst gestern auf eine
kurze Visite hier, etwas steif und formell wie gewöhnlich,
und mit Ihrem Freunde Czako haben wir letzten Sonn¬
abend eine Stunde verplaudern können. Wrschowitz war
an demselben Abend auch da; beide treffen sich jetzt öfter
und vertragen sich besser als ich bei Beginn der Bekannt¬
schaft dachte. Wer also sollte noch kommen? ... Und
nun setzen Sie sich, um Ihr Reisefüllhorn über uns
auszuschütten; -- die Füllhörner, die jetzt Mode sind,
sind meist Bonbontüten, und genau so was erwart' ich
auch von Ihnen. Sie sollten mir in einem Briefe von
den Engländerinnen schreiben. Aber wer darüber nicht
schrieb, das waren Sie, wenn wir uns auch entschließen
wollen, Ihr Telegramm für voll anzusehn." Und dabei
lachte Melusine. "Vielleicht haben Sie uns in unsrer
Eitelkeit nicht kränken wollen. Aber offen Spiel ist immer

Fünfundzwanzigſtes Kapitel.

Drei Tage ſpäter war Woldemar zurück und meldete
ſich für den nächſten Abend am Kronprinzenufer an. Er
traf nur die beiden Damen, die, Meluſine voran, kein
Hehl aus ihrer Freude machten. „Papa läßt Ihnen ſein
Bedauern ausſprechen, Sie nicht gleich heute mitbegrüßen
zu können. Er iſt bei den Berchtesgadens zur Spiel¬
partie, bei der er natürlich nicht fehlen durfte. Das iſt
„Dienſt“, weit ſtrenger als der Ihrige. Wir haben Sie
nun ganz allein, und das iſt auch etwas Gutes. An
Beſuch iſt kaum zu denken; Rex war erſt geſtern auf eine
kurze Viſite hier, etwas ſteif und formell wie gewöhnlich,
und mit Ihrem Freunde Czako haben wir letzten Sonn¬
abend eine Stunde verplaudern können. Wrſchowitz war
an demſelben Abend auch da; beide treffen ſich jetzt öfter
und vertragen ſich beſſer als ich bei Beginn der Bekannt¬
ſchaft dachte. Wer alſo ſollte noch kommen? ... Und
nun ſetzen Sie ſich, um Ihr Reiſefüllhorn über uns
auszuſchütten; — die Füllhörner, die jetzt Mode ſind,
ſind meiſt Bonbontüten, und genau ſo was erwart' ich
auch von Ihnen. Sie ſollten mir in einem Briefe von
den Engländerinnen ſchreiben. Aber wer darüber nicht
ſchrieb, das waren Sie, wenn wir uns auch entſchließen
wollen, Ihr Telegramm für voll anzuſehn.“ Und dabei
lachte Meluſine. „Vielleicht haben Sie uns in unſrer
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[[309]/0316] Fünfundzwanzigſtes Kapitel. Drei Tage ſpäter war Woldemar zurück und meldete ſich für den nächſten Abend am Kronprinzenufer an. Er traf nur die beiden Damen, die, Meluſine voran, kein Hehl aus ihrer Freude machten. „Papa läßt Ihnen ſein Bedauern ausſprechen, Sie nicht gleich heute mitbegrüßen zu können. Er iſt bei den Berchtesgadens zur Spiel¬ partie, bei der er natürlich nicht fehlen durfte. Das iſt „Dienſt“, weit ſtrenger als der Ihrige. Wir haben Sie nun ganz allein, und das iſt auch etwas Gutes. An Beſuch iſt kaum zu denken; Rex war erſt geſtern auf eine kurze Viſite hier, etwas ſteif und formell wie gewöhnlich, und mit Ihrem Freunde Czako haben wir letzten Sonn¬ abend eine Stunde verplaudern können. Wrſchowitz war an demſelben Abend auch da; beide treffen ſich jetzt öfter und vertragen ſich beſſer als ich bei Beginn der Bekannt¬ ſchaft dachte. Wer alſo ſollte noch kommen? ... Und nun ſetzen Sie ſich, um Ihr Reiſefüllhorn über uns auszuſchütten; — die Füllhörner, die jetzt Mode ſind, ſind meiſt Bonbontüten, und genau ſo was erwart' ich auch von Ihnen. Sie ſollten mir in einem Briefe von den Engländerinnen ſchreiben. Aber wer darüber nicht ſchrieb, das waren Sie, wenn wir uns auch entſchließen wollen, Ihr Telegramm für voll anzuſehn.“ Und dabei lachte Meluſine. „Vielleicht haben Sie uns in unſrer Eitelkeit nicht kränken wollen. Aber offen Spiel iſt immer

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [309]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/316>, abgerufen am 28.03.2024.