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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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nicht verantworten. Hier haben wir wenigstens eine gute
Temperatur."

"Die immer die Hauptsache bleibt. Ach, eine gute
Temperatur! Gesellschaftlich ist sie beinah' alles und
dabei leider doch so selten. Ich kenne Häuser, wo, wenn
Sie den Widersinn verzeihen wollen, der kalte Ofen gar
nicht ausgeht. Aber erlassen Sie mir gütigst den Sofa¬
platz hier; ich fühle mich dazu noch nicht ,alte Dame'
genug und möcht' auch gern en vue der beiden Bilder
bleiben, trotzdem ich das eine davon schon so gut wie
kenne."

"Die Kreuzabnahme?"

"Nein! das andre."

"Die Lind also?"

"Ja."

"So haben Sie das schöne Bild in der National¬
galerie gesehn?"

"Auch das. Aber doch freilich erst seit ganz kurzem,
während ich von Ihrer Aquarellkopie schon seit ein paar
Monaten weiß. Das war auf einer Dampfschiffahrt, die
wir nach dem sogenannten ,Eierhäuschen' machten und
der Ausplauderer über das Bild da vor mir, war niemand
anders als Ihr Zögling Woldemar, auf den Sie stolz
sein können. Er freilich würde den Satz umkehren, oder
sage ich lieber, er that es. Denn er sprach mit solcher
Liebe von Ihnen, daß ich Sie von jenem Tag an auch
herzlich liebe, was Sie sich schon gefallen lassen müssen. Ein
Glück nur, daß er sich draußen verabschiedet hat und
nicht hören kann, was ich hier sage ..."

Lorenzen lächelte.

"Sonst hätten sich diese Bekenntnisse verboten. Aber
da sie nun mal gemacht sind und man nie weiß, wann
und wie man wieder zusammenkommt, so lassen Sie mich
darin fortfahren. Woldemar erzählte mir -- Pardon für
meine Indiskretion -- von Ihrer Schwärmerei für die

nicht verantworten. Hier haben wir wenigſtens eine gute
Temperatur.“

„Die immer die Hauptſache bleibt. Ach, eine gute
Temperatur! Geſellſchaftlich iſt ſie beinah' alles und
dabei leider doch ſo ſelten. Ich kenne Häuſer, wo, wenn
Sie den Widerſinn verzeihen wollen, der kalte Ofen gar
nicht ausgeht. Aber erlaſſen Sie mir gütigſt den Sofa¬
platz hier; ich fühle mich dazu noch nicht ‚alte Dame‘
genug und möcht' auch gern en vue der beiden Bilder
bleiben, trotzdem ich das eine davon ſchon ſo gut wie
kenne.“

„Die Kreuzabnahme?“

„Nein! das andre.“

„Die Lind alſo?“

„Ja.“

„So haben Sie das ſchöne Bild in der National¬
galerie geſehn?“

„Auch das. Aber doch freilich erſt ſeit ganz kurzem,
während ich von Ihrer Aquarellkopie ſchon ſeit ein paar
Monaten weiß. Das war auf einer Dampfſchiffahrt, die
wir nach dem ſogenannten ‚Eierhäuschen‘ machten und
der Ausplauderer über das Bild da vor mir, war niemand
anders als Ihr Zögling Woldemar, auf den Sie ſtolz
ſein können. Er freilich würde den Satz umkehren, oder
ſage ich lieber, er that es. Denn er ſprach mit ſolcher
Liebe von Ihnen, daß ich Sie von jenem Tag an auch
herzlich liebe, was Sie ſich ſchon gefallen laſſen müſſen. Ein
Glück nur, daß er ſich draußen verabſchiedet hat und
nicht hören kann, was ich hier ſage ...“

Lorenzen lächelte.

„Sonſt hätten ſich dieſe Bekenntniſſe verboten. Aber
da ſie nun mal gemacht ſind und man nie weiß, wann
und wie man wieder zuſammenkommt, ſo laſſen Sie mich
darin fortfahren. Woldemar erzählte mir — Pardon für
meine Indiskretion — von Ihrer Schwärmerei für die

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[352/0359] nicht verantworten. Hier haben wir wenigſtens eine gute Temperatur.“ „Die immer die Hauptſache bleibt. Ach, eine gute Temperatur! Geſellſchaftlich iſt ſie beinah' alles und dabei leider doch ſo ſelten. Ich kenne Häuſer, wo, wenn Sie den Widerſinn verzeihen wollen, der kalte Ofen gar nicht ausgeht. Aber erlaſſen Sie mir gütigſt den Sofa¬ platz hier; ich fühle mich dazu noch nicht ‚alte Dame‘ genug und möcht' auch gern en vue der beiden Bilder bleiben, trotzdem ich das eine davon ſchon ſo gut wie kenne.“ „Die Kreuzabnahme?“ „Nein! das andre.“ „Die Lind alſo?“ „Ja.“ „So haben Sie das ſchöne Bild in der National¬ galerie geſehn?“ „Auch das. Aber doch freilich erſt ſeit ganz kurzem, während ich von Ihrer Aquarellkopie ſchon ſeit ein paar Monaten weiß. Das war auf einer Dampfſchiffahrt, die wir nach dem ſogenannten ‚Eierhäuschen‘ machten und der Ausplauderer über das Bild da vor mir, war niemand anders als Ihr Zögling Woldemar, auf den Sie ſtolz ſein können. Er freilich würde den Satz umkehren, oder ſage ich lieber, er that es. Denn er ſprach mit ſolcher Liebe von Ihnen, daß ich Sie von jenem Tag an auch herzlich liebe, was Sie ſich ſchon gefallen laſſen müſſen. Ein Glück nur, daß er ſich draußen verabſchiedet hat und nicht hören kann, was ich hier ſage ...“ Lorenzen lächelte. „Sonſt hätten ſich dieſe Bekenntniſſe verboten. Aber da ſie nun mal gemacht ſind und man nie weiß, wann und wie man wieder zuſammenkommt, ſo laſſen Sie mich darin fortfahren. Woldemar erzählte mir — Pardon für meine Indiskretion — von Ihrer Schwärmerei für die

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/359>, abgerufen am 25.04.2024.