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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Dreißigstes Kapitel.

Lorenzen that, wie gewünscht, und auf dem Wege
zum Schloß plauderten beide weiter, wenn auch über sehr
andere Dinge.

"Was ist es eigentlich mit diesem ,Museum'?" fragte
Melusine; "kann ich mir doch kaum was Rechtes darunter
vorstellen. Eine alte Papptafel mit Inschrift hängt da
schräg über der Saalthür, alles dicht neben meinem
Schlafzimmer und ich habe mich etwas davor geängstigt."

"Sehr mit Unrecht, gnädigste Gräfin. Die primitive
Papptafel, die freilich verwunderlich genug aussieht, sollte
wohl nur andeuten, daß es sich bei der ganzen Sache
mehr um einen Scherz als um etwas Ernsthaftes handelt.
Etwa wie bei Sammlung von Meerschaumpfeifen und
Tabaksdosen. Und Sie werden auch vorwiegend solchen
Seltsamkeiten begegnen. Anderseits aber ist es auch wieder
ein richtiges historisches Museum, trotzdem es nur halb
das geworden ist, worauf Herr von Stechlin anfänglich
aus war."

"Und das war?"

"Das war mehr etwas Groteskes. Es mögen nun
wohl schon zwanzig Jahre sein, da las er eines Tages
in der Zeitung von einem Engländer, der historische
Thüren sammle und neuerdings sogar für eine enorme
Summe, ich glaube es waren tausend Pfund, die Gefäng¬
nißthür erstanden habe, durch die Ludwig XVI. und dann

Dreißigſtes Kapitel.

Lorenzen that, wie gewünſcht, und auf dem Wege
zum Schloß plauderten beide weiter, wenn auch über ſehr
andere Dinge.

„Was iſt es eigentlich mit dieſem ‚Muſeum‘?“ fragte
Meluſine; „kann ich mir doch kaum was Rechtes darunter
vorſtellen. Eine alte Papptafel mit Inſchrift hängt da
ſchräg über der Saalthür, alles dicht neben meinem
Schlafzimmer und ich habe mich etwas davor geängſtigt.“

„Sehr mit Unrecht, gnädigſte Gräfin. Die primitive
Papptafel, die freilich verwunderlich genug ausſieht, ſollte
wohl nur andeuten, daß es ſich bei der ganzen Sache
mehr um einen Scherz als um etwas Ernſthaftes handelt.
Etwa wie bei Sammlung von Meerſchaumpfeifen und
Tabaksdoſen. Und Sie werden auch vorwiegend ſolchen
Seltſamkeiten begegnen. Anderſeits aber iſt es auch wieder
ein richtiges hiſtoriſches Muſeum, trotzdem es nur halb
das geworden iſt, worauf Herr von Stechlin anfänglich
aus war.“

„Und das war?“

„Das war mehr etwas Groteskes. Es mögen nun
wohl ſchon zwanzig Jahre ſein, da las er eines Tages
in der Zeitung von einem Engländer, der hiſtoriſche
Thüren ſammle und neuerdings ſogar für eine enorme
Summe, ich glaube es waren tauſend Pfund, die Gefäng¬
nißthür erſtanden habe, durch die Ludwig XVI. und dann

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[[360]/0367] Dreißigſtes Kapitel. Lorenzen that, wie gewünſcht, und auf dem Wege zum Schloß plauderten beide weiter, wenn auch über ſehr andere Dinge. „Was iſt es eigentlich mit dieſem ‚Muſeum‘?“ fragte Meluſine; „kann ich mir doch kaum was Rechtes darunter vorſtellen. Eine alte Papptafel mit Inſchrift hängt da ſchräg über der Saalthür, alles dicht neben meinem Schlafzimmer und ich habe mich etwas davor geängſtigt.“ „Sehr mit Unrecht, gnädigſte Gräfin. Die primitive Papptafel, die freilich verwunderlich genug ausſieht, ſollte wohl nur andeuten, daß es ſich bei der ganzen Sache mehr um einen Scherz als um etwas Ernſthaftes handelt. Etwa wie bei Sammlung von Meerſchaumpfeifen und Tabaksdoſen. Und Sie werden auch vorwiegend ſolchen Seltſamkeiten begegnen. Anderſeits aber iſt es auch wieder ein richtiges hiſtoriſches Muſeum, trotzdem es nur halb das geworden iſt, worauf Herr von Stechlin anfänglich aus war.“ „Und das war?“ „Das war mehr etwas Groteskes. Es mögen nun wohl ſchon zwanzig Jahre ſein, da las er eines Tages in der Zeitung von einem Engländer, der hiſtoriſche Thüren ſammle und neuerdings ſogar für eine enorme Summe, ich glaube es waren tauſend Pfund, die Gefäng¬ nißthür erſtanden habe, durch die Ludwig XVI. und dann

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [360]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/367>, abgerufen am 28.03.2024.