Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

später Danton und Robespierre zur Guillotinierung ab¬
geführt worden seien. Und diese Notiz machte solchen
Eindruck auf unsern liebenswürdigen Stechliner Schlo߬
herrn, daß er auch solche historische Thürensammlung an¬
zulegen beschloß. Er ist aber nicht weit damit gekommen
und hat sich mit dem Küstriner Schloßfenster begnügen
müssen, an dem Kronprinz Friedrich stand, als Katte zur
Enthauptung vorüber geführt wurde. Doch auch das ist
unsicher, ja, die meisten wollen nichts davon wissen. Nur
Krippenstapel hält noch daran fest."

"Krippenstapel?"

"Ja. Der Name frappiert Sie. Das ist nämlich
unser Lehrer hier, Liebling des alten Herrn und sein Be¬
rater in derlei Dingen. Der hat ihm denn auch das
gegenwärtige ,Museum', das man als Abschlagszahlung
auf die ,historischen Thüren' ansehen kann, zusammen¬
gestellt. Außer dem angezweifelten Fenster werden Frau
Gräfin noch ein paar phantastische Regentraufen finden
und vor allem viele Wetterhähne, die von alten märkischen
Kirchtürmen herabgenommen wurden. Einige sollen ganz
interessant sein. Ich habe keinen Sinn dafür. Aber
Krippenstapel hat einen Katalog angefertigt."

Unter diesen Worten waren beide bis an die Rampe
gekommen, auf der Engelke schon stand und auf die Gräfin
wartete. Lorenzen empfahl sich. Aber auch Melusine
wollte nicht gleich in's Museum hinauf, zog es vielmehr
vor, erst unten in das große Gesellschaftszimmer einzu¬
treten und sich da zu wärmen.

Engelke machte sich auch sofort am Kamin zu schaffen,
was der Gräfin gut paßte, weil sie noch manches fragen
wollte.

"Das ist recht, Engelke, daß Sie Kohlen aufschütten
und auch Kienäpfel. Ich freue mich immer, wenn es so
lustig brennt. Und oben im ,Museum' wird es wohl
noch kalt sein."

ſpäter Danton und Robespierre zur Guillotinierung ab¬
geführt worden ſeien. Und dieſe Notiz machte ſolchen
Eindruck auf unſern liebenswürdigen Stechliner Schlo߬
herrn, daß er auch ſolche hiſtoriſche Thürenſammlung an¬
zulegen beſchloß. Er iſt aber nicht weit damit gekommen
und hat ſich mit dem Küſtriner Schloßfenſter begnügen
müſſen, an dem Kronprinz Friedrich ſtand, als Katte zur
Enthauptung vorüber geführt wurde. Doch auch das iſt
unſicher, ja, die meiſten wollen nichts davon wiſſen. Nur
Krippenſtapel hält noch daran feſt.“

„Krippenſtapel?“

„Ja. Der Name frappiert Sie. Das iſt nämlich
unſer Lehrer hier, Liebling des alten Herrn und ſein Be¬
rater in derlei Dingen. Der hat ihm denn auch das
gegenwärtige ‚Muſeum‘, das man als Abſchlagszahlung
auf die ‚hiſtoriſchen Thüren‘ anſehen kann, zuſammen¬
geſtellt. Außer dem angezweifelten Fenſter werden Frau
Gräfin noch ein paar phantaſtiſche Regentraufen finden
und vor allem viele Wetterhähne, die von alten märkiſchen
Kirchtürmen herabgenommen wurden. Einige ſollen ganz
intereſſant ſein. Ich habe keinen Sinn dafür. Aber
Krippenſtapel hat einen Katalog angefertigt.“

Unter dieſen Worten waren beide bis an die Rampe
gekommen, auf der Engelke ſchon ſtand und auf die Gräfin
wartete. Lorenzen empfahl ſich. Aber auch Meluſine
wollte nicht gleich in’s Muſeum hinauf, zog es vielmehr
vor, erſt unten in das große Geſellſchaftszimmer einzu¬
treten und ſich da zu wärmen.

Engelke machte ſich auch ſofort am Kamin zu ſchaffen,
was der Gräfin gut paßte, weil ſie noch manches fragen
wollte.

„Das iſt recht, Engelke, daß Sie Kohlen aufſchütten
und auch Kienäpfel. Ich freue mich immer, wenn es ſo
luſtig brennt. Und oben im ‚Muſeum‘ wird es wohl
noch kalt ſein.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0368" n="361"/>
&#x017F;päter Danton und Robespierre zur Guillotinierung ab¬<lb/>
geführt worden &#x017F;eien. Und die&#x017F;e Notiz machte &#x017F;olchen<lb/>
Eindruck auf un&#x017F;ern liebenswürdigen Stechliner Schlo߬<lb/>
herrn, daß er auch &#x017F;olche hi&#x017F;tori&#x017F;che Thüren&#x017F;ammlung an¬<lb/>
zulegen be&#x017F;chloß. Er i&#x017F;t aber nicht weit damit gekommen<lb/>
und hat &#x017F;ich mit dem Kü&#x017F;triner Schloßfen&#x017F;ter begnügen<lb/>&#x017F;&#x017F;en, an dem Kronprinz Friedrich &#x017F;tand, als Katte zur<lb/>
Enthauptung vorüber geführt wurde. Doch auch das i&#x017F;t<lb/>
un&#x017F;icher, ja, die mei&#x017F;ten wollen nichts davon wi&#x017F;&#x017F;en. Nur<lb/>
Krippen&#x017F;tapel hält noch daran fe&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Krippen&#x017F;tapel?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja. Der Name frappiert Sie. Das i&#x017F;t nämlich<lb/>
un&#x017F;er Lehrer hier, Liebling des alten Herrn und &#x017F;ein Be¬<lb/>
rater in derlei Dingen. Der hat ihm denn auch das<lb/>
gegenwärtige &#x201A;Mu&#x017F;eum&#x2018;, das man als Ab&#x017F;chlagszahlung<lb/>
auf die &#x201A;hi&#x017F;tori&#x017F;chen Thüren&#x2018; an&#x017F;ehen kann, zu&#x017F;ammen¬<lb/>
ge&#x017F;tellt. Außer dem angezweifelten Fen&#x017F;ter werden Frau<lb/>
Gräfin noch ein paar phanta&#x017F;ti&#x017F;che Regentraufen finden<lb/>
und vor allem viele Wetterhähne, die von alten märki&#x017F;chen<lb/>
Kirchtürmen herabgenommen wurden. Einige &#x017F;ollen ganz<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;ant &#x017F;ein. Ich habe keinen Sinn dafür. Aber<lb/>
Krippen&#x017F;tapel hat einen Katalog angefertigt.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Unter die&#x017F;en Worten waren beide bis an die Rampe<lb/>
gekommen, auf der Engelke &#x017F;chon &#x017F;tand und auf die Gräfin<lb/>
wartete. Lorenzen empfahl &#x017F;ich. Aber auch Melu&#x017F;ine<lb/>
wollte nicht gleich in&#x2019;s Mu&#x017F;eum hinauf, zog es vielmehr<lb/>
vor, er&#x017F;t unten in das große Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftszimmer einzu¬<lb/>
treten und &#x017F;ich da zu wärmen.</p><lb/>
          <p>Engelke machte &#x017F;ich auch &#x017F;ofort am Kamin zu &#x017F;chaffen,<lb/>
was der Gräfin gut paßte, weil &#x017F;ie noch manches fragen<lb/>
wollte.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das i&#x017F;t recht, Engelke, daß Sie Kohlen auf&#x017F;chütten<lb/>
und auch Kienäpfel. Ich freue mich immer, wenn es &#x017F;o<lb/>
lu&#x017F;tig brennt. Und oben im &#x201A;Mu&#x017F;eum&#x2018; wird es wohl<lb/>
noch kalt &#x017F;ein.&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0368] ſpäter Danton und Robespierre zur Guillotinierung ab¬ geführt worden ſeien. Und dieſe Notiz machte ſolchen Eindruck auf unſern liebenswürdigen Stechliner Schlo߬ herrn, daß er auch ſolche hiſtoriſche Thürenſammlung an¬ zulegen beſchloß. Er iſt aber nicht weit damit gekommen und hat ſich mit dem Küſtriner Schloßfenſter begnügen müſſen, an dem Kronprinz Friedrich ſtand, als Katte zur Enthauptung vorüber geführt wurde. Doch auch das iſt unſicher, ja, die meiſten wollen nichts davon wiſſen. Nur Krippenſtapel hält noch daran feſt.“ „Krippenſtapel?“ „Ja. Der Name frappiert Sie. Das iſt nämlich unſer Lehrer hier, Liebling des alten Herrn und ſein Be¬ rater in derlei Dingen. Der hat ihm denn auch das gegenwärtige ‚Muſeum‘, das man als Abſchlagszahlung auf die ‚hiſtoriſchen Thüren‘ anſehen kann, zuſammen¬ geſtellt. Außer dem angezweifelten Fenſter werden Frau Gräfin noch ein paar phantaſtiſche Regentraufen finden und vor allem viele Wetterhähne, die von alten märkiſchen Kirchtürmen herabgenommen wurden. Einige ſollen ganz intereſſant ſein. Ich habe keinen Sinn dafür. Aber Krippenſtapel hat einen Katalog angefertigt.“ Unter dieſen Worten waren beide bis an die Rampe gekommen, auf der Engelke ſchon ſtand und auf die Gräfin wartete. Lorenzen empfahl ſich. Aber auch Meluſine wollte nicht gleich in’s Muſeum hinauf, zog es vielmehr vor, erſt unten in das große Geſellſchaftszimmer einzu¬ treten und ſich da zu wärmen. Engelke machte ſich auch ſofort am Kamin zu ſchaffen, was der Gräfin gut paßte, weil ſie noch manches fragen wollte. „Das iſt recht, Engelke, daß Sie Kohlen aufſchütten und auch Kienäpfel. Ich freue mich immer, wenn es ſo luſtig brennt. Und oben im ‚Muſeum‘ wird es wohl noch kalt ſein.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/368
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/368>, abgerufen am 25.04.2024.