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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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nur ganz leise, nur ganz obenhin streifende Worte schon
zuwider waren. "Ach, laß doch diese geborne Helfrich,"
sagte sie, "diese Tochter von dem alten Hauptmann, der die
Schlacht bei Leipzig gewonnen haben soll. So wenigstens
erzählt sie beständig. Eine schreckliche Frau, die
gar nicht in unsre Gesellschaft paßt. Und dabei so laut.
Ich kann es nicht leiden, wenn wir so mit Gewalt nach
oben blicken sollen, aber diese Helfrich, das muß ich
sagen, ist denn doch auch nicht mein Geschmack. Ich halte
das Unter-sich-bleiben für das einzig Richtige. Bescheidene
Verhältnisse, aber bestimmt gezogene Grenzen."

Lorenzen hütete sich zu widersprechen, versuchte viel¬
mehr umgekehrt durch ein halbes Eingehn auf Adelheid
und ihren Ton, eine bessere Laune wieder herzustellen.
Als er aber sah, daß er damit scheiterte, brach er auf.

Und nun waren die beiden alten Geschwister allein.

Dubslav ging im Zimmer unruhig auf und ab und
trat nur dann und wann an den Tisch heran, auf dem
noch vom Kaffee her die Liquerflaschen standen. Er wollte
was sagen, traute sich's aber nicht recht, und erst als er
zu zwei Curacaos auch noch einen Benediktiner hinzu¬
gefügt hatte, wandte er sich an die Schwester, die, schweig¬
sam wie er selbst, ihre kleine goldene Kette hin und
her zog.

"Ja," sagte er "jetzt sind sie nun wohl schon in
Woltersdorf."

"Ich vermute drüber 'raus, Woldemar wird die
Pferde natürlich ausholen lassen. Es sind, glaub' ich,
Damen, die nicht gerne langsam fahren."

"Du sagst das so, Adelheid, als ob du's tadeln
wolltest, überhaupt als ob dir die Damen nicht sonderlich
gefallen hätten. Das sollte mir leid thun. Ich bin sehr
glücklich über die Partie. Gewiß, sowohl die Gräfin wie
die Comtesse sind verwöhnt; das merkt man. Aber ich
möchte sagen, je verwöhnter sie sind ..."

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nur ganz leiſe, nur ganz obenhin ſtreifende Worte ſchon
zuwider waren. „Ach, laß doch dieſe geborne Helfrich,“
ſagte ſie, „dieſe Tochter von dem alten Hauptmann, der die
Schlacht bei Leipzig gewonnen haben ſoll. So wenigſtens
erzählt ſie beſtändig. Eine ſchreckliche Frau, die
gar nicht in unſre Geſellſchaft paßt. Und dabei ſo laut.
Ich kann es nicht leiden, wenn wir ſo mit Gewalt nach
oben blicken ſollen, aber dieſe Helfrich, das muß ich
ſagen, iſt denn doch auch nicht mein Geſchmack. Ich halte
das Unter-ſich-bleiben für das einzig Richtige. Beſcheidene
Verhältniſſe, aber beſtimmt gezogene Grenzen.“

Lorenzen hütete ſich zu widerſprechen, verſuchte viel¬
mehr umgekehrt durch ein halbes Eingehn auf Adelheid
und ihren Ton, eine beſſere Laune wieder herzuſtellen.
Als er aber ſah, daß er damit ſcheiterte, brach er auf.

Und nun waren die beiden alten Geſchwiſter allein.

Dubslav ging im Zimmer unruhig auf und ab und
trat nur dann und wann an den Tiſch heran, auf dem
noch vom Kaffee her die Liquerflaſchen ſtanden. Er wollte
was ſagen, traute ſich's aber nicht recht, und erſt als er
zu zwei Curaçaos auch noch einen Benediktiner hinzu¬
gefügt hatte, wandte er ſich an die Schweſter, die, ſchweig¬
ſam wie er ſelbſt, ihre kleine goldene Kette hin und
her zog.

„Ja,“ ſagte er „jetzt ſind ſie nun wohl ſchon in
Woltersdorf.“

„Ich vermute drüber 'raus, Woldemar wird die
Pferde natürlich ausholen laſſen. Es ſind, glaub' ich,
Damen, die nicht gerne langſam fahren.“

„Du ſagſt das ſo, Adelheid, als ob du's tadeln
wollteſt, überhaupt als ob dir die Damen nicht ſonderlich
gefallen hätten. Das ſollte mir leid thun. Ich bin ſehr
glücklich über die Partie. Gewiß, ſowohl die Gräfin wie
die Comteſſe ſind verwöhnt; das merkt man. Aber ich
möchte ſagen, je verwöhnter ſie ſind ...“

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[371/0378] nur ganz leiſe, nur ganz obenhin ſtreifende Worte ſchon zuwider waren. „Ach, laß doch dieſe geborne Helfrich,“ ſagte ſie, „dieſe Tochter von dem alten Hauptmann, der die Schlacht bei Leipzig gewonnen haben ſoll. So wenigſtens erzählt ſie beſtändig. Eine ſchreckliche Frau, die gar nicht in unſre Geſellſchaft paßt. Und dabei ſo laut. Ich kann es nicht leiden, wenn wir ſo mit Gewalt nach oben blicken ſollen, aber dieſe Helfrich, das muß ich ſagen, iſt denn doch auch nicht mein Geſchmack. Ich halte das Unter-ſich-bleiben für das einzig Richtige. Beſcheidene Verhältniſſe, aber beſtimmt gezogene Grenzen.“ Lorenzen hütete ſich zu widerſprechen, verſuchte viel¬ mehr umgekehrt durch ein halbes Eingehn auf Adelheid und ihren Ton, eine beſſere Laune wieder herzuſtellen. Als er aber ſah, daß er damit ſcheiterte, brach er auf. Und nun waren die beiden alten Geſchwiſter allein. Dubslav ging im Zimmer unruhig auf und ab und trat nur dann und wann an den Tiſch heran, auf dem noch vom Kaffee her die Liquerflaſchen ſtanden. Er wollte was ſagen, traute ſich's aber nicht recht, und erſt als er zu zwei Curaçaos auch noch einen Benediktiner hinzu¬ gefügt hatte, wandte er ſich an die Schweſter, die, ſchweig¬ ſam wie er ſelbſt, ihre kleine goldene Kette hin und her zog. „Ja,“ ſagte er „jetzt ſind ſie nun wohl ſchon in Woltersdorf.“ „Ich vermute drüber 'raus, Woldemar wird die Pferde natürlich ausholen laſſen. Es ſind, glaub' ich, Damen, die nicht gerne langſam fahren.“ „Du ſagſt das ſo, Adelheid, als ob du's tadeln wollteſt, überhaupt als ob dir die Damen nicht ſonderlich gefallen hätten. Das ſollte mir leid thun. Ich bin ſehr glücklich über die Partie. Gewiß, ſowohl die Gräfin wie die Comteſſe ſind verwöhnt; das merkt man. Aber ich möchte ſagen, je verwöhnter ſie ſind ...“ 24*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/378>, abgerufen am 25.04.2024.