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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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auch derselbe. Sie träumte bloß so hin, und daß sie
dies Wesen hatte, das war es recht eigentlich, was den
alten Herrn so an sie fesselte. Das Auge, womit sie die
Menschen ansah, war anders als das der andern.


Engelke hatte sich in die nebenan gelegene Dienst¬
stube zurückgezogen; ein heller Schein fiel von der
Veranda her durch die Balkonthür und gab dem etwas
dunklen Zimmer mehr Licht, als es für gewöhnlich zu
haben pflegte. Dubslav hielt die Kreuzzeitung in Hän¬
den und schlug nach einem Brummer, der ihn immer
und immer wieder umsummte. "Verdammte Bestie,"
und er holte von neuem aus. Aber ehe er zuschlagen
konnte, kam Engelke und fragte, ob Uncke den gnädigen
Herrn sprechen dürfe.

"Uncke, unser alter Unke?"

"Ja, gnäd'ger Herr."

"Na, natürlich. Kriegt man doch mal wieder 'nen
vernünftigen Menschen zu sehn. Was er nur bringen
mag? Vielleicht Verhaftung irgendwo: Demokratennest
ausgenommen."

Agnes horchte. Verhaftung! Demokratennest aus¬
genommen! Das war doch noch besser als ein Märchen
"vom guten und bösen Geist."


Inzwischen war Uncke eingetreten, Backenbart und
Schnurrbart, wie gewöhnlich, fest angeklebt. In der
Nähe der Thür blieb er stehen und grüßte militärisch.
Dubslaw aber rief ihm zu: "Nein, Uncke, nicht da.
So weit reicht mein Ohr nicht und meine Stimme
erst recht nicht. Und ich denke doch, Sie bringen
was. Was Reguläres. Also 'ran hier. Und wenn

auch derſelbe. Sie träumte bloß ſo hin, und daß ſie
dies Weſen hatte, das war es recht eigentlich, was den
alten Herrn ſo an ſie feſſelte. Das Auge, womit ſie die
Menſchen anſah, war anders als das der andern.


Engelke hatte ſich in die nebenan gelegene Dienſt¬
ſtube zurückgezogen; ein heller Schein fiel von der
Veranda her durch die Balkonthür und gab dem etwas
dunklen Zimmer mehr Licht, als es für gewöhnlich zu
haben pflegte. Dubslav hielt die Kreuzzeitung in Hän¬
den und ſchlug nach einem Brummer, der ihn immer
und immer wieder umſummte. „Verdammte Beſtie,“
und er holte von neuem aus. Aber ehe er zuſchlagen
konnte, kam Engelke und fragte, ob Uncke den gnädigen
Herrn ſprechen dürfe.

„Uncke, unſer alter Unke?“

„Ja, gnäd'ger Herr.“

„Na, natürlich. Kriegt man doch mal wieder 'nen
vernünftigen Menſchen zu ſehn. Was er nur bringen
mag? Vielleicht Verhaftung irgendwo: Demokratenneſt
ausgenommen.“

Agnes horchte. Verhaftung! Demokratenneſt aus¬
genommen! Das war doch noch beſſer als ein Märchen
„vom guten und böſen Geiſt.“


Inzwiſchen war Uncke eingetreten, Backenbart und
Schnurrbart, wie gewöhnlich, feſt angeklebt. In der
Nähe der Thür blieb er ſtehen und grüßte militäriſch.
Dubslaw aber rief ihm zu: „Nein, Uncke, nicht da.
So weit reicht mein Ohr nicht und meine Stimme
erſt recht nicht. Und ich denke doch, Sie bringen
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[482/0489] auch derſelbe. Sie träumte bloß ſo hin, und daß ſie dies Weſen hatte, das war es recht eigentlich, was den alten Herrn ſo an ſie feſſelte. Das Auge, womit ſie die Menſchen anſah, war anders als das der andern. Engelke hatte ſich in die nebenan gelegene Dienſt¬ ſtube zurückgezogen; ein heller Schein fiel von der Veranda her durch die Balkonthür und gab dem etwas dunklen Zimmer mehr Licht, als es für gewöhnlich zu haben pflegte. Dubslav hielt die Kreuzzeitung in Hän¬ den und ſchlug nach einem Brummer, der ihn immer und immer wieder umſummte. „Verdammte Beſtie,“ und er holte von neuem aus. Aber ehe er zuſchlagen konnte, kam Engelke und fragte, ob Uncke den gnädigen Herrn ſprechen dürfe. „Uncke, unſer alter Unke?“ „Ja, gnäd'ger Herr.“ „Na, natürlich. Kriegt man doch mal wieder 'nen vernünftigen Menſchen zu ſehn. Was er nur bringen mag? Vielleicht Verhaftung irgendwo: Demokratenneſt ausgenommen.“ Agnes horchte. Verhaftung! Demokratenneſt aus¬ genommen! Das war doch noch beſſer als ein Märchen „vom guten und böſen Geiſt.“ Inzwiſchen war Uncke eingetreten, Backenbart und Schnurrbart, wie gewöhnlich, feſt angeklebt. In der Nähe der Thür blieb er ſtehen und grüßte militäriſch. Dubslaw aber rief ihm zu: „Nein, Uncke, nicht da. So weit reicht mein Ohr nicht und meine Stimme erſt recht nicht. Und ich denke doch, Sie bringen was. Was Reguläres. Alſo 'ran hier. Und wenn

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/489>, abgerufen am 28.03.2024.