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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Fünfundvierzigstes Kapitel.

Das junge Paar war, nach geplantem kurzen
Aufenthalt erst in Amalfi und dann in Sorrent, in
Capri angekommen. Woldemar fragt nach Briefen, er¬
fuhr aber, daß nichts eingegangen.

Armgard schien verstimmt. "Melusine läßt sonst
nie warten."

"Das hat dich verwöhnt. Sie verwöhnt dich
überhaupt."

"Vielleicht. Aber, so dir's recht ist, darüber erst
später einmal, nicht heute; für solche Geständnisse sind
wir doch eigentlich noch nicht lange genug verheiratet.
Wir sind ja noch in den Flitterwochen."

Woldemar beschwichtigte. "Morgen wird ein Brief
da sein. Schließen wir also Frieden, und steigen wir,
wenn dir's paßt, nach Anacapri hinauf. Oder wenn
du nicht steigen magst, bleiben wir, wo wir sind, und
suchen uns hier eine gute Aussichtsstelle."

Es war auf dem Frontbalkon ihres am mittleren
Abhang gelegenen Albergo, daß sie dies Gespräch führten,
und weil die Mühen und Anstrengungen der letzten
Tage ziemlich groß gewesen waren, war Armgard
willens, für heute wenigstens auf Anacapri zu ver¬
zichten. Sie begnügte sich also, mit Woldemar auf das
Flachdach hinaufzusteigen, und verlebte da, angesichts
der vor ihnen ausgebreiteten Schönheit, eine glückliche

Fünfundvierzigſtes Kapitel.

Das junge Paar war, nach geplantem kurzen
Aufenthalt erſt in Amalfi und dann in Sorrent, in
Capri angekommen. Woldemar fragt nach Briefen, er¬
fuhr aber, daß nichts eingegangen.

Armgard ſchien verſtimmt. „Meluſine läßt ſonſt
nie warten.“

„Das hat dich verwöhnt. Sie verwöhnt dich
überhaupt.“

„Vielleicht. Aber, ſo dir's recht iſt, darüber erſt
ſpäter einmal, nicht heute; für ſolche Geſtändniſſe ſind
wir doch eigentlich noch nicht lange genug verheiratet.
Wir ſind ja noch in den Flitterwochen.“

Woldemar beſchwichtigte. „Morgen wird ein Brief
da ſein. Schließen wir alſo Frieden, und ſteigen wir,
wenn dir's paßt, nach Anacapri hinauf. Oder wenn
du nicht ſteigen magſt, bleiben wir, wo wir ſind, und
ſuchen uns hier eine gute Ausſichtsſtelle.“

Es war auf dem Frontbalkon ihres am mittleren
Abhang gelegenen Albergo, daß ſie dies Geſpräch führten,
und weil die Mühen und Anſtrengungen der letzten
Tage ziemlich groß geweſen waren, war Armgard
willens, für heute wenigſtens auf Anacapri zu ver¬
zichten. Sie begnügte ſich alſo, mit Woldemar auf das
Flachdach hinaufzuſteigen, und verlebte da, angeſichts
der vor ihnen ausgebreiteten Schönheit, eine glückliche

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[[510]/0517] Fünfundvierzigſtes Kapitel. Das junge Paar war, nach geplantem kurzen Aufenthalt erſt in Amalfi und dann in Sorrent, in Capri angekommen. Woldemar fragt nach Briefen, er¬ fuhr aber, daß nichts eingegangen. Armgard ſchien verſtimmt. „Meluſine läßt ſonſt nie warten.“ „Das hat dich verwöhnt. Sie verwöhnt dich überhaupt.“ „Vielleicht. Aber, ſo dir's recht iſt, darüber erſt ſpäter einmal, nicht heute; für ſolche Geſtändniſſe ſind wir doch eigentlich noch nicht lange genug verheiratet. Wir ſind ja noch in den Flitterwochen.“ Woldemar beſchwichtigte. „Morgen wird ein Brief da ſein. Schließen wir alſo Frieden, und ſteigen wir, wenn dir's paßt, nach Anacapri hinauf. Oder wenn du nicht ſteigen magſt, bleiben wir, wo wir ſind, und ſuchen uns hier eine gute Ausſichtsſtelle.“ Es war auf dem Frontbalkon ihres am mittleren Abhang gelegenen Albergo, daß ſie dies Geſpräch führten, und weil die Mühen und Anſtrengungen der letzten Tage ziemlich groß geweſen waren, war Armgard willens, für heute wenigſtens auf Anacapri zu ver¬ zichten. Sie begnügte ſich alſo, mit Woldemar auf das Flachdach hinaufzuſteigen, und verlebte da, angeſichts der vor ihnen ausgebreiteten Schönheit, eine glückliche

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [510]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/517>, abgerufen am 28.03.2024.