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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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hatte, sich allmälig in ihm zu regen begann. Jeder
neue Tag rief ihm zu: "Die Scholle daheim, die
dir Freiheit giebt, ist doch das beste." So reichte er
denn seine Demission ein. Man sah ihn ungern scheiden,
denn er war nicht bloß wohlgelitten an der Stelle, wo
er stand, sondern überhaupt beliebt. Man gab ihm,
als sein Scheiden unmittelbar bevorstand, ein Abschieds¬
fest, und der ihm besonders wohlwollende Kommandeur
des Regiments sprach in seiner Rede von den "schönen,
gemeinschaftlich durchlebten Tagen in London und Wind¬
sor". --

All die Zeit über waren natürlich auch die von
einer Übersiedlung auf's Land unzertrennlichen kleinen
Mühen und Sorgen an das junge Paar herangetreten.
Unter diesen Sorgen -- Lizzi hatte abgelehnt, weil sie
die große Stadt und die "Bildung" nicht missen mochte --
war in erster Reihe das Ausfindigmachen einer geeigneten
Kammerjungfer gewesen. Es traf sich aber so glücklich,
daß Portier Hartwigs hübsche Nichte mal wieder außer
Stellung war, und so wurde diese denn engagiert.
Melusine leitete die Verhandlungen mit ihr. "Ich weiß
freilich nicht, Hedwig, ob es Ihnen da draußen gefallen
wird. Ich hoff' es aber. Und Sie werden jedenfalls
zweierlei nicht haben: keinen Hängeboden und keinen
,Ankratz', wie die Leute hier sagen. Oder wenigstens nicht
mehr davon, als Ihnen schließlich doch vielleicht lieb ist."

"Ach, das ist nicht viel," versicherte Hedwig halb
scham-, halb schalkhaft. --

Am 21. September wollte das junge Paar in Stech¬
lin einziehen und alle Vorbereitungen dazu waren ge¬
troffen: Schulze Kluckhuhn trommelte sämtliche Krieger¬
vereine zusammen (die Düppelstürmer natürlich am rechten
Flügel), während Krippenstapel sich mit Tucheband über
ein Begrüßungsgedicht einigte, das von Rolf Krakes
ältester Tochter gesprochen werden sollte. Die Globsower

hatte, ſich allmälig in ihm zu regen begann. Jeder
neue Tag rief ihm zu: „Die Scholle daheim, die
dir Freiheit giebt, iſt doch das beſte.“ So reichte er
denn ſeine Demiſſion ein. Man ſah ihn ungern ſcheiden,
denn er war nicht bloß wohlgelitten an der Stelle, wo
er ſtand, ſondern überhaupt beliebt. Man gab ihm,
als ſein Scheiden unmittelbar bevorſtand, ein Abſchieds¬
feſt, und der ihm beſonders wohlwollende Kommandeur
des Regiments ſprach in ſeiner Rede von den „ſchönen,
gemeinſchaftlich durchlebten Tagen in London und Wind¬
ſor“. —

All die Zeit über waren natürlich auch die von
einer Überſiedlung auf's Land unzertrennlichen kleinen
Mühen und Sorgen an das junge Paar herangetreten.
Unter dieſen Sorgen — Lizzi hatte abgelehnt, weil ſie
die große Stadt und die „Bildung“ nicht miſſen mochte —
war in erſter Reihe das Ausfindigmachen einer geeigneten
Kammerjungfer geweſen. Es traf ſich aber ſo glücklich,
daß Portier Hartwigs hübſche Nichte mal wieder außer
Stellung war, und ſo wurde dieſe denn engagiert.
Meluſine leitete die Verhandlungen mit ihr. „Ich weiß
freilich nicht, Hedwig, ob es Ihnen da draußen gefallen
wird. Ich hoff' es aber. Und Sie werden jedenfalls
zweierlei nicht haben: keinen Hängeboden und keinen
‚Ankratz‛, wie die Leute hier ſagen. Oder wenigſtens nicht
mehr davon, als Ihnen ſchließlich doch vielleicht lieb iſt.“

„Ach, das iſt nicht viel,“ verſicherte Hedwig halb
ſcham-, halb ſchalkhaft. —

Am 21. September wollte das junge Paar in Stech¬
lin einziehen und alle Vorbereitungen dazu waren ge¬
troffen: Schulze Kluckhuhn trommelte ſämtliche Krieger¬
vereine zuſammen (die Düppelſtürmer natürlich am rechten
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[516/0523] hatte, ſich allmälig in ihm zu regen begann. Jeder neue Tag rief ihm zu: „Die Scholle daheim, die dir Freiheit giebt, iſt doch das beſte.“ So reichte er denn ſeine Demiſſion ein. Man ſah ihn ungern ſcheiden, denn er war nicht bloß wohlgelitten an der Stelle, wo er ſtand, ſondern überhaupt beliebt. Man gab ihm, als ſein Scheiden unmittelbar bevorſtand, ein Abſchieds¬ feſt, und der ihm beſonders wohlwollende Kommandeur des Regiments ſprach in ſeiner Rede von den „ſchönen, gemeinſchaftlich durchlebten Tagen in London und Wind¬ ſor“. — All die Zeit über waren natürlich auch die von einer Überſiedlung auf's Land unzertrennlichen kleinen Mühen und Sorgen an das junge Paar herangetreten. Unter dieſen Sorgen — Lizzi hatte abgelehnt, weil ſie die große Stadt und die „Bildung“ nicht miſſen mochte — war in erſter Reihe das Ausfindigmachen einer geeigneten Kammerjungfer geweſen. Es traf ſich aber ſo glücklich, daß Portier Hartwigs hübſche Nichte mal wieder außer Stellung war, und ſo wurde dieſe denn engagiert. Meluſine leitete die Verhandlungen mit ihr. „Ich weiß freilich nicht, Hedwig, ob es Ihnen da draußen gefallen wird. Ich hoff' es aber. Und Sie werden jedenfalls zweierlei nicht haben: keinen Hängeboden und keinen ‚Ankratz‛, wie die Leute hier ſagen. Oder wenigſtens nicht mehr davon, als Ihnen ſchließlich doch vielleicht lieb iſt.“ „Ach, das iſt nicht viel,“ verſicherte Hedwig halb ſcham-, halb ſchalkhaft. — Am 21. September wollte das junge Paar in Stech¬ lin einziehen und alle Vorbereitungen dazu waren ge¬ troffen: Schulze Kluckhuhn trommelte ſämtliche Krieger¬ vereine zuſammen (die Düppelſtürmer natürlich am rechten Flügel), während Krippenſtapel ſich mit Tucheband über ein Begrüßungsgedicht einigte, das von Rolf Krakes älteſter Tochter geſprochen werden ſollte. Die Globſower

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/523>, abgerufen am 23.04.2024.