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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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nicht weiter, bloß die Beine wollen nicht mehr recht.
Und hat solche Anstrengung bloß das eine Gute, daß man
hungrig und durstig wird. Aber da kommen ja die Herren."

Und er grüßte von der Rampe her nach der Bohlen¬
brücke hinüber, über die Woldemar und Lorenzen eben
in den Schloßhof eintraten. Rex ging ihnen entgegen.
Dubslav dagegen nahm Czakos Arm und sagte: "Nun
kommen Sie, Hauptmann, wir wollen derweilen ein
bißchen recherchieren und uns einen guten Platz aus¬
suchen. Mit der ewigen Veranda, das is nichts; unter
der Marquise steht die Luft wie 'ne Mauer, und ich muß
frische Luft haben. Vielleicht erstes Zeichen von Hydropsie.
Kann eigentlich Fremdwörter nicht leiden. Aber mitunter
sind sie doch ein Segen. Wenn ich so zwischen Hydropsie
und Wassersucht die Wahl habe, bin ich immer für
Hydropsie. Wassersucht hat so was kolossal Anschauliches."

Unter diesen Worten waren sie bis in den Garten
gekommen, an eine Stelle, wo viel Buchsbaum stand,
dem Poetensteige gerad' gegenüber. "Sehen Sie hier,
Hauptmann, das wäre so was. Niedrige Buchsbaum¬
wand. Da haben wir Luft und doch keinen Zug. Denn
vor Zug muß ich mich auch hüten wegen Rheumatismus,
oder vielleicht ist es auch Gicht. Und dabei hören wir
das Plätschern von meiner Sanssouci-Fontäne. Was
meinen Sie?"

"Kapital, Herr Major."

"Ach, lassen Sie den Major. Major klingt immer
so dienstlich ... Also hier, Engelke, hier decke den Tisch
und stell auch ein paar Fuchsien oder was gerade blüht
in die Mitte. Nur nicht Astern. Astern sind ganz gut,
aber doch sozusagen unterm Stand und sehen immer aus
wie 'n Bauerngarten. Und dann mache dich in den
Keller und hol uns was Ordentliches herauf. Du
weißt ja, was ich zum Frühstück am liebsten habe. Viel¬
leicht hat Hauptmann Czako denselben Geschmack."

nicht weiter, bloß die Beine wollen nicht mehr recht.
Und hat ſolche Anſtrengung bloß das eine Gute, daß man
hungrig und durſtig wird. Aber da kommen ja die Herren.“

Und er grüßte von der Rampe her nach der Bohlen¬
brücke hinüber, über die Woldemar und Lorenzen eben
in den Schloßhof eintraten. Rex ging ihnen entgegen.
Dubslav dagegen nahm Czakos Arm und ſagte: „Nun
kommen Sie, Hauptmann, wir wollen derweilen ein
bißchen recherchieren und uns einen guten Platz aus¬
ſuchen. Mit der ewigen Veranda, das is nichts; unter
der Marquiſe ſteht die Luft wie 'ne Mauer, und ich muß
friſche Luft haben. Vielleicht erſtes Zeichen von Hydropſie.
Kann eigentlich Fremdwörter nicht leiden. Aber mitunter
ſind ſie doch ein Segen. Wenn ich ſo zwiſchen Hydropſie
und Waſſerſucht die Wahl habe, bin ich immer für
Hydropſie. Waſſerſucht hat ſo was koloſſal Anſchauliches.“

Unter dieſen Worten waren ſie bis in den Garten
gekommen, an eine Stelle, wo viel Buchsbaum ſtand,
dem Poetenſteige gerad' gegenüber. „Sehen Sie hier,
Hauptmann, das wäre ſo was. Niedrige Buchsbaum¬
wand. Da haben wir Luft und doch keinen Zug. Denn
vor Zug muß ich mich auch hüten wegen Rheumatismus,
oder vielleicht iſt es auch Gicht. Und dabei hören wir
das Plätſchern von meiner Sansſouci-Fontäne. Was
meinen Sie?“

„Kapital, Herr Major.“

„Ach, laſſen Sie den Major. Major klingt immer
ſo dienſtlich ... Alſo hier, Engelke, hier decke den Tiſch
und ſtell auch ein paar Fuchſien oder was gerade blüht
in die Mitte. Nur nicht Aſtern. Aſtern ſind ganz gut,
aber doch ſozuſagen unterm Stand und ſehen immer aus
wie 'n Bauerngarten. Und dann mache dich in den
Keller und hol uns was Ordentliches herauf. Du
weißt ja, was ich zum Frühſtück am liebſten habe. Viel¬
leicht hat Hauptmann Czako denſelben Geſchmack.“

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[76/0083] nicht weiter, bloß die Beine wollen nicht mehr recht. Und hat ſolche Anſtrengung bloß das eine Gute, daß man hungrig und durſtig wird. Aber da kommen ja die Herren.“ Und er grüßte von der Rampe her nach der Bohlen¬ brücke hinüber, über die Woldemar und Lorenzen eben in den Schloßhof eintraten. Rex ging ihnen entgegen. Dubslav dagegen nahm Czakos Arm und ſagte: „Nun kommen Sie, Hauptmann, wir wollen derweilen ein bißchen recherchieren und uns einen guten Platz aus¬ ſuchen. Mit der ewigen Veranda, das is nichts; unter der Marquiſe ſteht die Luft wie 'ne Mauer, und ich muß friſche Luft haben. Vielleicht erſtes Zeichen von Hydropſie. Kann eigentlich Fremdwörter nicht leiden. Aber mitunter ſind ſie doch ein Segen. Wenn ich ſo zwiſchen Hydropſie und Waſſerſucht die Wahl habe, bin ich immer für Hydropſie. Waſſerſucht hat ſo was koloſſal Anſchauliches.“ Unter dieſen Worten waren ſie bis in den Garten gekommen, an eine Stelle, wo viel Buchsbaum ſtand, dem Poetenſteige gerad' gegenüber. „Sehen Sie hier, Hauptmann, das wäre ſo was. Niedrige Buchsbaum¬ wand. Da haben wir Luft und doch keinen Zug. Denn vor Zug muß ich mich auch hüten wegen Rheumatismus, oder vielleicht iſt es auch Gicht. Und dabei hören wir das Plätſchern von meiner Sansſouci-Fontäne. Was meinen Sie?“ „Kapital, Herr Major.“ „Ach, laſſen Sie den Major. Major klingt immer ſo dienſtlich ... Alſo hier, Engelke, hier decke den Tiſch und ſtell auch ein paar Fuchſien oder was gerade blüht in die Mitte. Nur nicht Aſtern. Aſtern ſind ganz gut, aber doch ſozuſagen unterm Stand und ſehen immer aus wie 'n Bauerngarten. Und dann mache dich in den Keller und hol uns was Ordentliches herauf. Du weißt ja, was ich zum Frühſtück am liebſten habe. Viel¬ leicht hat Hauptmann Czako denſelben Geſchmack.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/83>, abgerufen am 18.04.2024.