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Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802.

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zu unterwerfen, die aber zweymahl verunglückte. Nun war nicht nur sein Gesicht ganz verloren, sondern auch seine übrige bisher so dauerhafte Gesundheit war durch den mit der Operation verbundenen Gebrauch vielleicht schädlicher Arzeneymittel völlig zerrüttet. Er kränkelte hierauf noch ein ganzes halbes Jahr hindurch, bis er am Abend des 30sten Julius 1750 im 66sten Jahre seines Lebens dieser Welt entschlummerte. Am Morgen des zehnten Tages vor seinem Ende konnte er auf einmahl wieder sehen und Licht ertragen. Aber wenige Stunden nachher überfiel ihn ein Schlagfluß, und dieser zog ein hitziges Fieber nach sich, dem sein abgematteter Körper, ungeachtet aller möglichen ärztlichen Hülfe, nicht mehr zu widerstehen vermochte.

So weit die Lebensgeschichte dieses merkwürdigen Mannes. Ich füge bloß noch hinzu, daß er zweymahl verheyrathet gewesen ist, und daß ihm in der ersten Ehe 7 und in der zweyten 13 Kinder geboren worden sind, nehmlich 11 Söhne und 9 Töchter. Die Söhne hatten sämmtlich vortreffliche musikalische Anlagen; sie wurden aber nur bey einigen der ältern völlig ausgebildet.



III.

Joh. Seb. Bachs Art das Clavier zu behandeln, ist von jedem, der das Glück gehabt hat, ihn zu hören, bewundert, und von allen, die selbst Ansprüche machen konnten, für gute Spieler gehalten zu werden, beneidet worden. Daß dieses so allgemein bewunderte und beneidete Clavierspielen von der Art, wie das Clavier von Bachs Zeitgenossen und Vorgängern behandelt wurde, sehr verschieden gewesen seyn müsse, ist leicht zu begreifen; aber bis jetzt ist noch von Niemand genau angegeben worden, worin diese Verschiedenheit eigentlich bestanden habe.

Wenn man von zehen gleich fertigen und geübten Spielern ein und eben dasselbe Stück spielen läßt, so wird es sich unter der Hand eines jeden anders ausnehmen. Jeder wird eine verschiedene Art des Tons aus dem Instrument ziehen, und sodann diese Töne mit einem größern oder geringern Grad von Deutlichkeit vortragen. Wovon kann diese verschiedene Ausnahme entstehen, wenn übrigens alle zehen Spieler hinlängliche Uebung und Fertigkeit haben? Bloß von der Art des Anschlags, der beym Clavier eben das ist,

zu unterwerfen, die aber zweymahl verunglückte. Nun war nicht nur sein Gesicht ganz verloren, sondern auch seine übrige bisher so dauerhafte Gesundheit war durch den mit der Operation verbundenen Gebrauch vielleicht schädlicher Arzeneymittel völlig zerrüttet. Er kränkelte hierauf noch ein ganzes halbes Jahr hindurch, bis er am Abend des 30sten Julius 1750 im 66sten Jahre seines Lebens dieser Welt entschlummerte. Am Morgen des zehnten Tages vor seinem Ende konnte er auf einmahl wieder sehen und Licht ertragen. Aber wenige Stunden nachher überfiel ihn ein Schlagfluß, und dieser zog ein hitziges Fieber nach sich, dem sein abgematteter Körper, ungeachtet aller möglichen ärztlichen Hülfe, nicht mehr zu widerstehen vermochte.

So weit die Lebensgeschichte dieses merkwürdigen Mannes. Ich füge bloß noch hinzu, daß er zweymahl verheyrathet gewesen ist, und daß ihm in der ersten Ehe 7 und in der zweyten 13 Kinder geboren worden sind, nehmlich 11 Söhne und 9 Töchter. Die Söhne hatten sämmtlich vortreffliche musikalische Anlagen; sie wurden aber nur bey einigen der ältern völlig ausgebildet.



III.

Joh. Seb. Bachs Art das Clavier zu behandeln, ist von jedem, der das Glück gehabt hat, ihn zu hören, bewundert, und von allen, die selbst Ansprüche machen konnten, für gute Spieler gehalten zu werden, beneidet worden. Daß dieses so allgemein bewunderte und beneidete Clavierspielen von der Art, wie das Clavier von Bachs Zeitgenossen und Vorgängern behandelt wurde, sehr verschieden gewesen seyn müsse, ist leicht zu begreifen; aber bis jetzt ist noch von Niemand genau angegeben worden, worin diese Verschiedenheit eigentlich bestanden habe.

Wenn man von zehen gleich fertigen und geübten Spielern ein und eben dasselbe Stück spielen läßt, so wird es sich unter der Hand eines jeden anders ausnehmen. Jeder wird eine verschiedene Art des Tons aus dem Instrument ziehen, und sodann diese Töne mit einem größern oder geringern Grad von Deutlichkeit vortragen. Wovon kann diese verschiedene Ausnahme entstehen, wenn übrigens alle zehen Spieler hinlängliche Uebung und Fertigkeit haben? Bloß von der Art des Anschlags, der beym Clavier eben das ist,

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[11/0021] zu unterwerfen, die aber zweymahl verunglückte. Nun war nicht nur sein Gesicht ganz verloren, sondern auch seine übrige bisher so dauerhafte Gesundheit war durch den mit der Operation verbundenen Gebrauch vielleicht schädlicher Arzeneymittel völlig zerrüttet. Er kränkelte hierauf noch ein ganzes halbes Jahr hindurch, bis er am Abend des 30sten Julius 1750 im 66sten Jahre seines Lebens dieser Welt entschlummerte. Am Morgen des zehnten Tages vor seinem Ende konnte er auf einmahl wieder sehen und Licht ertragen. Aber wenige Stunden nachher überfiel ihn ein Schlagfluß, und dieser zog ein hitziges Fieber nach sich, dem sein abgematteter Körper, ungeachtet aller möglichen ärztlichen Hülfe, nicht mehr zu widerstehen vermochte. So weit die Lebensgeschichte dieses merkwürdigen Mannes. Ich füge bloß noch hinzu, daß er zweymahl verheyrathet gewesen ist, und daß ihm in der ersten Ehe 7 und in der zweyten 13 Kinder geboren worden sind, nehmlich 11 Söhne und 9 Töchter. Die Söhne hatten sämmtlich vortreffliche musikalische Anlagen; sie wurden aber nur bey einigen der ältern völlig ausgebildet. III. Joh. Seb. Bachs Art das Clavier zu behandeln, ist von jedem, der das Glück gehabt hat, ihn zu hören, bewundert, und von allen, die selbst Ansprüche machen konnten, für gute Spieler gehalten zu werden, beneidet worden. Daß dieses so allgemein bewunderte und beneidete Clavierspielen von der Art, wie das Clavier von Bachs Zeitgenossen und Vorgängern behandelt wurde, sehr verschieden gewesen seyn müsse, ist leicht zu begreifen; aber bis jetzt ist noch von Niemand genau angegeben worden, worin diese Verschiedenheit eigentlich bestanden habe. Wenn man von zehen gleich fertigen und geübten Spielern ein und eben dasselbe Stück spielen läßt, so wird es sich unter der Hand eines jeden anders ausnehmen. Jeder wird eine verschiedene Art des Tons aus dem Instrument ziehen, und sodann diese Töne mit einem größern oder geringern Grad von Deutlichkeit vortragen. Wovon kann diese verschiedene Ausnahme entstehen, wenn übrigens alle zehen Spieler hinlängliche Uebung und Fertigkeit haben? Bloß von der Art des Anschlags, der beym Clavier eben das ist,

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Zitationshilfe: Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forkel_bach_1802/21>, abgerufen am 16.04.2024.