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Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802.

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Durch welche Verhältnisse er von Lüneburg nach Weimar kam, ist nicht bekannt; aber es ist gewiß, daß er im Jahr 1703, als er eben 18 Jahre alt war, Hofmusikus daselbst wurde. Er vertauschte aber diesen Platz schon im folgenden Jahr mit der Organisten-Stelle an der neuen Kirche zu Arnstadt, vermuthlich um seiner Neigung zum Orgelspielen mehr als in Weimar nachhängen zu können, wo er für die Violine angestellt war. Hier fing er an, die Werke der damahligen berühmten Organisten, so viele er ihrer in seiner Lage habhaft werden konnte, mit dem größten Eifer so wohl für die Composition als für die Orgelkunst zu nutzen und machte so gar zur Befriedigung seiner Wißbegierde eine Fußreise nach Lübeck, um den dortigen Organisten an der Marienkirche, Dieterich Buxtehude, dessen Compositionen für die Orgel er schon kannte, auch als Orgelspieler kennen zu lernen. Fast ein ganzes Vierteljahr blieb er ein heimlicher Zuhörer dieses zu seiner Zeit sehr berühmten und wirklich geschickten Organisten, und kehrte sodann mit vermehrten Kenntnissen nach Arnstadt zurück.

Die Wirkungen seines Eifers und so anhaltenden Fleißes müssen um diese Zeit schon große Aufmerksamkeit erregt haben, denn er bekam nun kurz nach einander den Ruf zu verschiedenen Organisten-Stellen. Von Mühlhausen wurde ihm im Jahr 1707 eine solche Stelle an der St. Blasiuskirche angetragen und übergeben. Als er aber ein Jahr nach dem Antritt derselben eine Reise nach Weimar machte, und sich dort vor dem damahls regierenden Herzog hören ließ, fand sein Orgelspielen so großen Beyfall, daß man ihm die Hof-Organistenstelle antrug, die er auch annahm. Der vergrößerte Wirkungskreis für seine Kunst, in welchem er hier lebte, trieb ihn nun an, alles mögliche darin zu versuchen, und dieß ist eigentlich die Zeitperiode, in welcher er sich nicht nur zu einem so starken Orgelspieler gebildet, sondern auch den Grund zu seiner so großen Orgelcomposition gelegt hat. Noch größere Veranlassung zur Ausbildung seiner Kunst erhielt er, als ihn sein Fürst im Jahr 1717 zum Concertmeister ernannte, in welchem Amte er nun auch Kirchenstücke componiren und aufführen mußte.

Händels Lehrer, der Organist und Musikdirector Zachau zu Halle, starb in dieser Zeit, und der nun schon berühmte Joh. Seb. Bach wurde zu seinem Nachfolger berufen. Er reisete auch wirklich nach Halle, um sein Probestück daselbst aufzuführen. Er nahm jedoch, man weiß nicht aus welcher Ursache, die Stelle nicht an, sondern

Durch welche Verhältnisse er von Lüneburg nach Weimar kam, ist nicht bekannt; aber es ist gewiß, daß er im Jahr 1703, als er eben 18 Jahre alt war, Hofmusikus daselbst wurde. Er vertauschte aber diesen Platz schon im folgenden Jahr mit der Organisten-Stelle an der neuen Kirche zu Arnstadt, vermuthlich um seiner Neigung zum Orgelspielen mehr als in Weimar nachhängen zu können, wo er für die Violine angestellt war. Hier fing er an, die Werke der damahligen berühmten Organisten, so viele er ihrer in seiner Lage habhaft werden konnte, mit dem größten Eifer so wohl für die Composition als für die Orgelkunst zu nutzen und machte so gar zur Befriedigung seiner Wißbegierde eine Fußreise nach Lübeck, um den dortigen Organisten an der Marienkirche, Dieterich Buxtehude, dessen Compositionen für die Orgel er schon kannte, auch als Orgelspieler kennen zu lernen. Fast ein ganzes Vierteljahr blieb er ein heimlicher Zuhörer dieses zu seiner Zeit sehr berühmten und wirklich geschickten Organisten, und kehrte sodann mit vermehrten Kenntnissen nach Arnstadt zurück.

Die Wirkungen seines Eifers und so anhaltenden Fleißes müssen um diese Zeit schon große Aufmerksamkeit erregt haben, denn er bekam nun kurz nach einander den Ruf zu verschiedenen Organisten-Stellen. Von Mühlhausen wurde ihm im Jahr 1707 eine solche Stelle an der St. Blasiuskirche angetragen und übergeben. Als er aber ein Jahr nach dem Antritt derselben eine Reise nach Weimar machte, und sich dort vor dem damahls regierenden Herzog hören ließ, fand sein Orgelspielen so großen Beyfall, daß man ihm die Hof-Organistenstelle antrug, die er auch annahm. Der vergrößerte Wirkungskreis für seine Kunst, in welchem er hier lebte, trieb ihn nun an, alles mögliche darin zu versuchen, und dieß ist eigentlich die Zeitperiode, in welcher er sich nicht nur zu einem so starken Orgelspieler gebildet, sondern auch den Grund zu seiner so großen Orgelcomposition gelegt hat. Noch größere Veranlassung zur Ausbildung seiner Kunst erhielt er, als ihn sein Fürst im Jahr 1717 zum Concertmeister ernannte, in welchem Amte er nun auch Kirchenstücke componiren und aufführen mußte.

Händels Lehrer, der Organist und Musikdirector Zachau zu Halle, starb in dieser Zeit, und der nun schon berühmte Joh. Seb. Bach wurde zu seinem Nachfolger berufen. Er reisete auch wirklich nach Halle, um sein Probestück daselbst aufzuführen. Er nahm jedoch, man weiß nicht aus welcher Ursache, die Stelle nicht an, sondern

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[6/0016] Durch welche Verhältnisse er von Lüneburg nach Weimar kam, ist nicht bekannt; aber es ist gewiß, daß er im Jahr 1703, als er eben 18 Jahre alt war, Hofmusikus daselbst wurde. Er vertauschte aber diesen Platz schon im folgenden Jahr mit der Organisten-Stelle an der neuen Kirche zu Arnstadt, vermuthlich um seiner Neigung zum Orgelspielen mehr als in Weimar nachhängen zu können, wo er für die Violine angestellt war. Hier fing er an, die Werke der damahligen berühmten Organisten, so viele er ihrer in seiner Lage habhaft werden konnte, mit dem größten Eifer so wohl für die Composition als für die Orgelkunst zu nutzen und machte so gar zur Befriedigung seiner Wißbegierde eine Fußreise nach Lübeck, um den dortigen Organisten an der Marienkirche, Dieterich Buxtehude, dessen Compositionen für die Orgel er schon kannte, auch als Orgelspieler kennen zu lernen. Fast ein ganzes Vierteljahr blieb er ein heimlicher Zuhörer dieses zu seiner Zeit sehr berühmten und wirklich geschickten Organisten, und kehrte sodann mit vermehrten Kenntnissen nach Arnstadt zurück. Die Wirkungen seines Eifers und so anhaltenden Fleißes müssen um diese Zeit schon große Aufmerksamkeit erregt haben, denn er bekam nun kurz nach einander den Ruf zu verschiedenen Organisten-Stellen. Von Mühlhausen wurde ihm im Jahr 1707 eine solche Stelle an der St. Blasiuskirche angetragen und übergeben. Als er aber ein Jahr nach dem Antritt derselben eine Reise nach Weimar machte, und sich dort vor dem damahls regierenden Herzog hören ließ, fand sein Orgelspielen so großen Beyfall, daß man ihm die Hof-Organistenstelle antrug, die er auch annahm. Der vergrößerte Wirkungskreis für seine Kunst, in welchem er hier lebte, trieb ihn nun an, alles mögliche darin zu versuchen, und dieß ist eigentlich die Zeitperiode, in welcher er sich nicht nur zu einem so starken Orgelspieler gebildet, sondern auch den Grund zu seiner so großen Orgelcomposition gelegt hat. Noch größere Veranlassung zur Ausbildung seiner Kunst erhielt er, als ihn sein Fürst im Jahr 1717 zum Concertmeister ernannte, in welchem Amte er nun auch Kirchenstücke componiren und aufführen mußte. Händels Lehrer, der Organist und Musikdirector Zachau zu Halle, starb in dieser Zeit, und der nun schon berühmte Joh. Seb. Bach wurde zu seinem Nachfolger berufen. Er reisete auch wirklich nach Halle, um sein Probestück daselbst aufzuführen. Er nahm jedoch, man weiß nicht aus welcher Ursache, die Stelle nicht an, sondern

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Zitationshilfe: Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forkel_bach_1802/16>, abgerufen am 18.04.2024.