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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.

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das meinem Herzen die erste Wunde schlug. Hier schwieg Mathilde und ließ in Luisen das lebendigste Verlangen, mehr von einer Begebenheit zu erfahren, die ganz dunkel aus den frühesten Erinnerungen hervorsah. Das Andenken der schönen Viola, wie sie ihre Mutter sonst wohl mit Rührung nannte, hatte immer einen eignen Zauber über sie ausgeübt, und ohnerachtet sie nur in flüchtigen Hindeutungen von ihr hörte, so setzte sich dennoch der kindische Sinn ein Bild zusammen, das noch jetzt sehr reizend in ihrer Phantasie fortlebte. Ich weiß, sagte sie, in der Hoffnung mehr zu erfahren, die Gräfin Falkenstein trug früher den Schleier, den sie bald darauf willig zerriß, um dem Grafen nach Deutschland zu folgen, allein der eigentliche Zusammenhang des Ganzen ist mir fremd geblieben. Liebes Kind, hub die Mutter nach einer Weile an, man soll die Vergangenheit nie absichtlich aufdecken. Was ihr Schoos verbirgt, das ruhe, bis im Laufe der Zeiten die junge That unwillkührlich auf ihren frühern Ursprung zurückweist. Das Verborgene tritt so ungerufen allmählig ans Licht, und verliert im Zusammenhang des Ganzen das Fremde, was den gewagten Rückblick in die Tiefe oft schwindelnd zurückstoßt. Allein wie Julius Brief längst verklungene Saiten in mir anschlägt, so geht auch der Ton in Deine Seele über

das meinem Herzen die erste Wunde schlug. Hier schwieg Mathilde und ließ in Luisen das lebendigste Verlangen, mehr von einer Begebenheit zu erfahren, die ganz dunkel aus den frühesten Erinnerungen hervorsah. Das Andenken der schönen Viola, wie sie ihre Mutter sonst wohl mit Rührung nannte, hatte immer einen eignen Zauber über sie ausgeübt, und ohnerachtet sie nur in flüchtigen Hindeutungen von ihr hörte, so setzte sich dennoch der kindische Sinn ein Bild zusammen, das noch jetzt sehr reizend in ihrer Phantasie fortlebte. Ich weiß, sagte sie, in der Hoffnung mehr zu erfahren, die Gräfin Falkenstein trug früher den Schleier, den sie bald darauf willig zerriß, um dem Grafen nach Deutschland zu folgen, allein der eigentliche Zusammenhang des Ganzen ist mir fremd geblieben. Liebes Kind, hub die Mutter nach einer Weile an, man soll die Vergangenheit nie absichtlich aufdecken. Was ihr Schoos verbirgt, das ruhe, bis im Laufe der Zeiten die junge That unwillkührlich auf ihren frühern Ursprung zurückweist. Das Verborgene tritt so ungerufen allmählig ans Licht, und verliert im Zusammenhang des Ganzen das Fremde, was den gewagten Rückblick in die Tiefe oft schwindelnd zurückstoßt. Allein wie Julius Brief längst verklungene Saiten in mir anschlägt, so geht auch der Ton in Deine Seele über

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[9/0017] das meinem Herzen die erste Wunde schlug. Hier schwieg Mathilde und ließ in Luisen das lebendigste Verlangen, mehr von einer Begebenheit zu erfahren, die ganz dunkel aus den frühesten Erinnerungen hervorsah. Das Andenken der schönen Viola, wie sie ihre Mutter sonst wohl mit Rührung nannte, hatte immer einen eignen Zauber über sie ausgeübt, und ohnerachtet sie nur in flüchtigen Hindeutungen von ihr hörte, so setzte sich dennoch der kindische Sinn ein Bild zusammen, das noch jetzt sehr reizend in ihrer Phantasie fortlebte. Ich weiß, sagte sie, in der Hoffnung mehr zu erfahren, die Gräfin Falkenstein trug früher den Schleier, den sie bald darauf willig zerriß, um dem Grafen nach Deutschland zu folgen, allein der eigentliche Zusammenhang des Ganzen ist mir fremd geblieben. Liebes Kind, hub die Mutter nach einer Weile an, man soll die Vergangenheit nie absichtlich aufdecken. Was ihr Schoos verbirgt, das ruhe, bis im Laufe der Zeiten die junge That unwillkührlich auf ihren frühern Ursprung zurückweist. Das Verborgene tritt so ungerufen allmählig ans Licht, und verliert im Zusammenhang des Ganzen das Fremde, was den gewagten Rückblick in die Tiefe oft schwindelnd zurückstoßt. Allein wie Julius Brief längst verklungene Saiten in mir anschlägt, so geht auch der Ton in Deine Seele über

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/17>, abgerufen am 28.03.2024.