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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.

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fest umschlungen hielten. Lieber Julius, sagte sie, Deine unerwartete Ankunft ist mir ein erfreuliches Zeichen. Luise wird nie allein siehn, im Augenblick der Gefahr bist Du ihr zur Seite; schütze sie, mein lieber Sohn, vergiß nicht, daß sie nun niemand mehr auf der Welt hat als Dich. -- Laß jetzt -- fuhr sie nach einer Weile fort, den Prediger rufen, ich will zu des Himmels Segen noch den meinigen fügen.

Julius schwankte betäubt zur Thür hinaus. Jetzt, dachte er, jetzt! mit diesem blutenden Herzen! Luise fühlte nichts als die unbeschreiblichste Angst, mit der sie unaufhörlich ihrer Mutter Hand küßte und drückte und durch tausend Liebkosungen den nahenden Tod zu besänftigen meinte. Mariane allein dachte an die Trauung: sie pflückte einige Zweige von einem schönen Myrtenbaum und wand sie zwischen Luisens Haar. -- Der Geistliche trat bald mit Julius herein. Herr Prediger, sagte Mathilde, sie sollen drei Menschen mit Gott vereinen, durch Liebe und Tod. -- Niemand konnte in dem Augenblick sprechen. Julius sah umher in der düstren Krankenstube, auf Luisen, die der bräutliche Kranz wie ein Todtenopfer schmückte. Das also, sagte er in sich selbst, ist die lang gewünschte, von Kindheit an ersehnte, Feier! Er reichte dem bleichen Mädchen die Hand, die sich nicht von der

fest umschlungen hielten. Lieber Julius, sagte sie, Deine unerwartete Ankunft ist mir ein erfreuliches Zeichen. Luise wird nie allein siehn, im Augenblick der Gefahr bist Du ihr zur Seite; schütze sie, mein lieber Sohn, vergiß nicht, daß sie nun niemand mehr auf der Welt hat als Dich. — Laß jetzt — fuhr sie nach einer Weile fort, den Prediger rufen, ich will zu des Himmels Segen noch den meinigen fügen.

Julius schwankte betäubt zur Thür hinaus. Jetzt, dachte er, jetzt! mit diesem blutenden Herzen! Luise fühlte nichts als die unbeschreiblichste Angst, mit der sie unaufhörlich ihrer Mutter Hand küßte und drückte und durch tausend Liebkosungen den nahenden Tod zu besänftigen meinte. Mariane allein dachte an die Trauung: sie pflückte einige Zweige von einem schönen Myrtenbaum und wand sie zwischen Luisens Haar. — Der Geistliche trat bald mit Julius herein. Herr Prediger, sagte Mathilde, sie sollen drei Menschen mit Gott vereinen, durch Liebe und Tod. — Niemand konnte in dem Augenblick sprechen. Julius sah umher in der düstren Krankenstube, auf Luisen, die der bräutliche Kranz wie ein Todtenopfer schmückte. Das also, sagte er in sich selbst, ist die lang gewünschte, von Kindheit an ersehnte, Feier! Er reichte dem bleichen Mädchen die Hand, die sich nicht von der

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[37/0045] fest umschlungen hielten. Lieber Julius, sagte sie, Deine unerwartete Ankunft ist mir ein erfreuliches Zeichen. Luise wird nie allein siehn, im Augenblick der Gefahr bist Du ihr zur Seite; schütze sie, mein lieber Sohn, vergiß nicht, daß sie nun niemand mehr auf der Welt hat als Dich. — Laß jetzt — fuhr sie nach einer Weile fort, den Prediger rufen, ich will zu des Himmels Segen noch den meinigen fügen. Julius schwankte betäubt zur Thür hinaus. Jetzt, dachte er, jetzt! mit diesem blutenden Herzen! Luise fühlte nichts als die unbeschreiblichste Angst, mit der sie unaufhörlich ihrer Mutter Hand küßte und drückte und durch tausend Liebkosungen den nahenden Tod zu besänftigen meinte. Mariane allein dachte an die Trauung: sie pflückte einige Zweige von einem schönen Myrtenbaum und wand sie zwischen Luisens Haar. — Der Geistliche trat bald mit Julius herein. Herr Prediger, sagte Mathilde, sie sollen drei Menschen mit Gott vereinen, durch Liebe und Tod. — Niemand konnte in dem Augenblick sprechen. Julius sah umher in der düstren Krankenstube, auf Luisen, die der bräutliche Kranz wie ein Todtenopfer schmückte. Das also, sagte er in sich selbst, ist die lang gewünschte, von Kindheit an ersehnte, Feier! Er reichte dem bleichen Mädchen die Hand, die sich nicht von der

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/45>, abgerufen am 29.03.2024.