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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.

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in die Hand und er in den Wald gekommen sei. Ich weiß nicht, erwiederte er, wie ich mir selbst vorkomme, wenn ich an alles zurückdenke! Werners Worte lagen mir immer im Sinn und befleckten und zerrissen mir alles, was mir bis dahin allein lieb war, weniger um das, worauf sie deuteten, als daß sie überall laut werden konnten. Mir war den ganzen Tag, als sei der Boden unter mir aufgewühlt, ich konnte nirgend fest auftreten. Nach langem Hin- und Hersinnen nahm ich mir vor, mit Fernando recht offen zu reden, und zu überlegen, was so unberufne Urtheile könne veranlaßt haben. Ich ging in dieser Absicht den Abend spät nach seinem Zimmer. Die Thür war angelehnt, er nicht darin, wohl aber der Maler, was mich befremdete, schlafend im Nebenzimmer. So wird Luise vielleicht noch wachen, dachte ich, und wandte mich dorthin. Sie wollte am andern Morgen verreisen, und ich muß die arme zagende Seele zuvor noch beruhigen. Allein auch hier fand ich die Thür, die nach dem Vorsaal geht, nur angelehnt. Ich trat hinein, alles war still, Luisens Kleider hingen über einem Stuhl, ihr Bett war noch unberührt, sie selbst nirgend zu finden. In dem Augenblick überfiel mich eine Angst, daß ich mich kaum aufrecht erhalten konnte. Ich stellte das Licht auf Luisens offnen Schreibtisch und lehnte

in die Hand und er in den Wald gekommen sei. Ich weiß nicht, erwiederte er, wie ich mir selbst vorkomme, wenn ich an alles zurückdenke! Werners Worte lagen mir immer im Sinn und befleckten und zerrissen mir alles, was mir bis dahin allein lieb war, weniger um das, worauf sie deuteten, als daß sie überall laut werden konnten. Mir war den ganzen Tag, als sei der Boden unter mir aufgewühlt, ich konnte nirgend fest auftreten. Nach langem Hin- und Hersinnen nahm ich mir vor, mit Fernando recht offen zu reden, und zu überlegen, was so unberufne Urtheile könne veranlaßt haben. Ich ging in dieser Absicht den Abend spät nach seinem Zimmer. Die Thür war angelehnt, er nicht darin, wohl aber der Maler, was mich befremdete, schlafend im Nebenzimmer. So wird Luise vielleicht noch wachen, dachte ich, und wandte mich dorthin. Sie wollte am andern Morgen verreisen, und ich muß die arme zagende Seele zuvor noch beruhigen. Allein auch hier fand ich die Thür, die nach dem Vorsaal geht, nur angelehnt. Ich trat hinein, alles war still, Luisens Kleider hingen über einem Stuhl, ihr Bett war noch unberührt, sie selbst nirgend zu finden. In dem Augenblick überfiel mich eine Angst, daß ich mich kaum aufrecht erhalten konnte. Ich stellte das Licht auf Luisens offnen Schreibtisch und lehnte

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[20/0022] in die Hand und er in den Wald gekommen sei. Ich weiß nicht, erwiederte er, wie ich mir selbst vorkomme, wenn ich an alles zurückdenke! Werners Worte lagen mir immer im Sinn und befleckten und zerrissen mir alles, was mir bis dahin allein lieb war, weniger um das, worauf sie deuteten, als daß sie überall laut werden konnten. Mir war den ganzen Tag, als sei der Boden unter mir aufgewühlt, ich konnte nirgend fest auftreten. Nach langem Hin- und Hersinnen nahm ich mir vor, mit Fernando recht offen zu reden, und zu überlegen, was so unberufne Urtheile könne veranlaßt haben. Ich ging in dieser Absicht den Abend spät nach seinem Zimmer. Die Thür war angelehnt, er nicht darin, wohl aber der Maler, was mich befremdete, schlafend im Nebenzimmer. So wird Luise vielleicht noch wachen, dachte ich, und wandte mich dorthin. Sie wollte am andern Morgen verreisen, und ich muß die arme zagende Seele zuvor noch beruhigen. Allein auch hier fand ich die Thür, die nach dem Vorsaal geht, nur angelehnt. Ich trat hinein, alles war still, Luisens Kleider hingen über einem Stuhl, ihr Bett war noch unberührt, sie selbst nirgend zu finden. In dem Augenblick überfiel mich eine Angst, daß ich mich kaum aufrecht erhalten konnte. Ich stellte das Licht auf Luisens offnen Schreibtisch und lehnte

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/22>, abgerufen am 24.04.2024.